© 1995 Christo & Luebbe Verlag
Chronologie des Reichstags-Projektes
1986
Der regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, bei einem
Besuch
in Christos Wohnung in New York, 21. September 1986.
Foto: Wolfgang Volz
3./4. Januar 1986:
Im Düsseldorfer Handelsblatt wird ein
sympathisierender Artikel von Bernhard Schulz veröffentlicht, der
demnächst das Feuilleton im Tagesspiegel übernehmen wird.
12. Januar 1986:
Der Dr.-Ing. Karl-Hermann Zehm schreibt einen
Leserbrief gegen das Projekt, der im Tagesspiegel abgedruckt wird. Er
ist der Meinung, hier werde reines Marketing gemacht: Christo möge eine
Pacht für sein Projekt bezahlen; zahlt er nicht, wäre es, als
würde der Steuerzahler sein Projekt subventionieren.
18. Januar 1986:
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheint
ein Christo-Portrait von Sybille Wirsing. "Grenzgänger".
März 1986:
Der SFB-Rundfunk macht eine Umfrage bei den Mitgliedern
des Senats: sieben sind für das Reichstags-Projekt, fünf dagegen, und
der Regierende Bürgermeister will sich nicht offen äußern. Kurz
darauf werden fünf Senatoren ausgewechselt, ein Senator mehr ist
dafür, so daß sich ein Verhältnis von 8:4 für Christos
Projekt ergibt.
25. April 1986:
Der in Kiel lebende Journalist Hans Hansen schlägt
Christo in einem Brief vor, das Marineehrenmal in Laboe zu verhüllen, vor
allen Dingen um klarzumachen, daß es in Deutschland immer noch viel
Militarismus gibt.
9. Mai 1986:
Christo lehnt das Ansinnen Hansens ab.
20. Mai 1986:
Der Neue Malik Verlag gibt das Büchlein von
Hans Hansen "Vorschlag, das Marineehrenmal zu Laboe von dem amerikanischen
Künstler Christo einpacken zu lassen" heraus, verbunden mit einem
Preishinweis, wonach das Heft DM 10 koste, wovon eine DM für den
Künstler bestimmt sei. Christo erfährt davon und ist entsetzt. Zum
einen verletzt das Heft sein Copyright und zum anderen hat der Autor offenbar
überhaupt keine Ahnung, wie Christo und Jeanne-Claude ihre Projekte
finanzieren. Er will, daß Hansen das Heft vom Markt nimmt und beauftragt
einen Rechtsanwalt, dies bei den zuständigen Gerichten zu versuchen.
24. Juni 1986:
Roland Specker gibt die Gründung des Vereins
"Berliner für den Reichstag" bekannt. Der Verein beginnt, Unterschriften
für das Projekt zu sammeln.
Anfang Juli 1986:
Cullen erfährt, daß Jenninger einen Brief
mit der Bitte um einen Termin von Christo haben will, ehe er sich mit dem
Projekt befaßt.
9. Juli 1986:
Das Hamburger Landgericht verbietet dem Neuen Malik
Verlag "den Namen Christo im Zusammenhang mit einem >Laboe-Fond< zu
erwähnen oder erwähnen zu lassen und für einen
>Christo-Laboe-Fond< durch die Worte >10 DM - davon 1 Mark für
den Christo-Laboe-Fond< zu werben oder werben zu lassen und Exemplare des
Buches von Hans Hansen, >Vorschlag, das Marine-Ehrenmal zu Laboe von dem
amerikanischen Künstler Christo einpacken zu lassen< anzubieten, zu
verbreiten und/oder anbieten oder verbreiten zu lassen, wenn und solange auf
der Titelseite des Buches der Name CHRISTO im Zusammenhang mit dem Laboe-Fond
abgedruckt ist, soweit hierdurch der Eindruck erweckt wird, der Antragsteller
habe die Benutzung seines Namens in diesen Zusammenhängen gestattet."
Dennoch kommt das Gericht zu spät, denn der Verlag hat von 5090 Exemplaren
des Buches bereits 4124 verkauft.
Besprechung mit drei Senatoren der Berliner CDU
Volker Hassemer, Bernhard
Schneider, Jeanne-Claude Christo,
Christo, Gräfin Marie-Christine von
Metternich und Stefan Javachev.
Foto: Wolfgang Volz
Anfang September 1986:
Christo und Jeanne-Claude zögern noch, einen
Brief an Jenninger zu schreiben. Doch am Ende haben sie keine andere Wahl.
Bei einem Empfang für "Republicans Abroad" läßt Us-Botschafter
Richard Burt Michael Cullen wissen, daß er bereit ist, sich mit Christo
in Bonn zu treffen.
8. September 1986:
Jeanne-Claude und Christo schreiben an den
Bundestagspräsidenten und bitten um einen Termin.
Eine Antwort bleibt aus. Christo ist aber nicht überrascht, weil es wieder
eine Wahl zu gewinnen gibt: Am 25. Januar 1987 wird der Bundestag
gewählt.
21. September 1986:
Der Regierende Bürgermeister von Berlin,
Eberhard Diepgen, besucht Christo in seinem Atelier (es begleiten ihn Hilde
Boucsein und Lorenz Tomerius). Dies ist ein deutliches Zeichen, daß er
das Projekt unterstützt, obwohl er sich nach wie vor bedeckt hält.
Christo macht bei diesem Besuch klar, daß die Zeit drängt, da er
sich bei mangelndem Fortschritt in Berlin ganz auf das Umbrellas-Projekt
für Japan und Kalifornien konzentrieren möchte.
21. September 1986:
Dieter Strunz schreibt eine Glosse für die
Berliner Morgenpost: "Akuter Bazillus, die schleichende >Christo
verpackt den Reichstag<-Seuche. Dabei ist er so listig, unsere
Stadtpolitiker von CDU, SPD und F.D.P. zu einem festlichen Abendessen ins
Clubhaus des Deutschen Golfclubs einladen zu lassen, wo vom Süppchen bis
zum Schnäpschen alles heimlich Christo-infiziert war. Berlins Regierender
Bürgermeister Eberhard Diepgen wird nach einem Bericht der CDU-Zeitschrift
Berliner Rundschau besonders traktiert. Er hat sich in Christos Atelier
in New York auf nachlassende Widerstandskraft testen lassen."
20. Oktober 1986:
In der Satani Gallery in Tokyo wird die
Christo-Ausstellung "Wrapped Reichstag - Project for Berlin" eröffnet.
22. November 1986:
Christo stellt das große Reichstags-Modell in
der Neuen Nationalgalerie in Berlin aus. Marianne Heuwagen, Korrespondentin der
Süddeutschen Zeitung in Berlin, schreibt einen Gastkommentar
für den SFB: "Die Verpackung des Reichstags tut Berlin gut."
Herbst, Winter 1986:
Der Verein "Berliner für den Reichstag" unter
dem Vorsitz von Roland Specker sammelt weiterhin Unterschriften für das
Christo-Projekt.
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Text HTML-edited by Oskar Schirmer