© 1995 Christo & Luebbe Verlag
Gründung des Kuratoriums für Christos Reichstags-Projekt
am 17.
April 1978 im Haus von Gerd Bucerius in Hamburg
Von links nach rechts: Christo, Karl Ruhrberg, Heinrich Senfft, Wieland Schmied, Jeanne-Claude,
Petra Kipphoff, Ernst Hauswedell, Christin Gräfin Metternich, Carl Vogel.
Foto: Wolfgang Volz
Mitte April 1978 kommt es zur Gründung dieses Kuratoriums im Hause des Zeit-Verlegers Gerd Bucerius in Hamburg. Anwesend sind: Christo, Jeanne-Claude, Dr. Bucerius, Frau Dr. Petra Kipphoff (Die Zeit), Professor Dr. Tilmann Buddensieg, Professor Dr. Carl Vogel (Hochschule der Künste, Hamburg), Dr. Arend Oetker, Professor Dr. Raimar Lüst (Max-Planck-Gesellschaft), Marie Christine Gräfin Wolff-Metternich, der Hamburger Auktionator Dr. Ernst Hauswedell, Karl Ruhrberg, Dr. Heinrich Senfft (Rechtsanwalt), Scott Hodes (Rechtsanwalt aus Chicago), Jim Fuller, Dr. Wieland Schmied, Wolfgang Volz und Cullen.
Christo erläutert, wie seine Projekte finanziert werden, damit niemand Angst haben muß, er sei hier, um Geld zu borgen. Aber alle wissen das, denn sie kennen Christo seit vielen Jahren.
Man kommt überein, daß das Kuratorium aus einer Gruppe von Freunden bestehen soll, die verschiedene Funktionen innehaben. Sie können Christos Idee propagieren. Christo erläutert weiterhin die bisherige Geschichte des Projektes. Gerd Bucerius ist der Meinung, daß man möglicherweise die Zustimmung des ältestenrates benötige und daß Frau Renger bisher ziemlich vorsichtig bei ihrem Engagement für Christo gewesen sei. Er ist ein "Macher" und möchte, bevor die Sitzung zu Ende geht, ganz klar feststellen, wer wen anspricht, wer mit wem das Projekt weiterbringen wird.
Heinrich Senfft zählt die Gründe auf, die bisher gegen das Projekt angeführt wurden, inklusive der Hildebrandtschen Meinung, die besagt, daß das Reichstagsgebäude im übertragenen Sinne schon verpackt sei. Bucerius erläutert seine Gründe für das Projekt: "Der Reichstag ist eine tote Angelegenheit. Man braucht Westminster z.B. nicht in Bewegung zu bringen."
Es wird beschlossen, das Ganze "Kuratorium für Christos Projekt Reichstag" zu nennen. Ein Vermögen brauche man nicht, aber Intelligenz. Es wird eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die sich ad hoc zusammenfinden kann. Damit wird der Verein nicht eingetragen und muß nicht jedes Jahr einen Vereinsbericht verfassen.
Man spricht allgemein über die Bezeichnungen "verpacken" und "verhüllen". Man einigt sich auf das Wort "Verhüllung", weil es nicht so aggressiv klingt. Man formuliert eine Presseerklärung. Danach geht es darum, einen Kopf für das Kuratorium zu finden. Dr. Ernst Hauswedell als der älteste wird vorgeschlagen und per Akklamation zum ersten Vorsitzenden gewählt. Wieland Schmied entwickelt dann in der Strategiediskussion die Idee, die das Projekt am weitesten bringen soll: Er ist der Meinung, daß eine große Au sstellung über das Reichstagsgebäude zusammengetragen werden und diese Ausstellung durch deutsche Museen wandern solle und daß sich dabei ganz neue Möglichkeiten für das Projekt ergeben würden. Man ist der Meinung, daß diese Ausstellung auf jeden Fall in Berlin gezeigt werden sollte.
Christo bereitet sein folgendes Projekt "Wrapped Walk Ways" in Kansas City vor und kann sich deshalb nicht viel mit dem Plan der Ausstellung auseinandersetzen; so wird er lange Zeit nicht ausgeführt. Im Laufe der Zeit finden einige Gespräche statt, die kaum zu etwas Konkretem führen. Christo trifft sich im Juli mit dem neuen amerikanischen Botschafter Walter Stoessel und mit Otto Wolff von Amerongen. Zum selben Zeitpunkt hat Cullen ein Gespräch mit Innenminister Gerhart Baum, der den witzigen Vorschlag macht, das Reichstagsgebäude über Nacht zu verhüllen: Man würde aufwachen und das Haus sei verhüllt.