- Ich werde korrigiert. Der nächste Redner ist der Abgeordnete Manfred Richter.
Manfred Richter (Bremerhaven) (F.D.P.):(von Abgeordneten seiner Fraktion mit Beifall begrüßt):
Aber: Die Kontroverse um das Reichstags-Projekt braucht uns nicht zu schrecken; denn in der kontroversen Diskussion über dieses Projekt wird ebenso mehr von dem Charakter des Bauwerkes deutlich, wie es nach meiner Meinung durch die Verhüllung mehr offenbart, als es verbirgt. Christo reduziert Formen auf große Linien, Bauten auf wesentliche Körper. Verfremdung ist sein Stilmittel. Die Projekte, die er in der Vergangenheit gemacht hat - sei es der verhüllte Pont Neuf, sei es Running Fence -, sämtlich sind sie spektakulär gewesen, haben eine breite Diskussion ausgelöst und viel Beachtung gefunden. Die ÈSüddeutsche ZeitungÇ schrieb: Christo verändert Silhouetten von Bauwerken oder Landschaften. Die Spur seiner vergänglichen, die Phantasie befruchtenden Kunst führt gleichsam um den Globus.
Die kontroversen Betrachtungen sind also nicht Gegenstand unserer Entscheidung. Die Bedenken, die über diese Frage hinausgehen, richten sich an den Ort des Geschehens. Kann man ein Symbol - und als solcher wird der Reichstag ja verstanden -, kann man ein solches Symbol, den Ort, an dem deutsche parlamentarische Geschichte mit seinen Höhen und Tiefen besonders eindrucksvoll sichtbar wird, kann man dieses Gebäude verhüllen lassen, ohne ihm seine Würde, seine historische Bedeutung zu nehmen? - Ich glaube sehr wohl, daß man das kann.
Meine Damen und Herren, dem Gebäude wird nichts angetan, es bleibt, was es ist. Der Reichstag in seiner jetzigen Gestalt wird verhüllt - übrigens kurz bevor andere, nämlich Bauhandwerker, ihn mit einem Gerüst umstellen und ihn wahrscheinlich - wenn auch optisch weniger wirksam - mit Planen verhängen.
Das wird dann sein, meine Damen und Herren, wenn sich der Reichstag in eine Großbaustelle verwandelt, was ja sehr bald der Fall sein wird. Viele von denen, die sich sehr kritisch zu Christos Projekt äußern, scheinen diesen Widerspruch in ihrer Betrachtung nicht zu empfinden, denn gegen den Umbau, gegen das Verwandeln einer historischen Stätte in einen Großbauplatz habe ich keine kritischen Stimmen gehört.
Es ist für mich, meine Damen und Herren, übrigens auch erstaunlich, daß viele von denen, die sich besonders kritisch zur Verhüllung äußern, überhaupt keine Probleme damit hatten, ein künstliches Abbild des alten Stadtschlosses in der Berliner Innenstadt aufstellen zu lassen.
Und es ist auch nicht wahr, daß Christo etwa leichtfertig mit einer historischen Stätte umgehen würde. Wer sich mit ihm unterhalten hat, der weiß, daß er sich sehr wohl der Bedeutung des Ortes bewußt ist, daß er auch die Tragik dieses Bauwerkes erfaßt hat, das "dem deutschen Volk&" gewidmet ist, und daß er sensibel mit dem Gebäude umgehen wird.
Meine Damen und Herren, das Bauwerk Reichstag verdient in der Tat Respekt. Dieses große Symbol der deutschen Geschichte wird durch Christos Projekt herausgehoben; es wird für eine große Zahl von Menschen Gegenstand besonderer Betrachtung und Auseinandersetzung. Viele Menschen, wahrscheinlich Millionen, werden sich auf den Weg nach Berlin machen, in die Hauptstadt von Deutschland, so wie sich Millionen seinerzeit nach Paris aufgemacht haben, um den verhüllten Pont Neuf zu sehen. So werden der Reichstag und die deutsche Hauptstadt in das Interesse einer Weltöffentlichkeit gerückt.
Und selbst wenn man die Bedenken hinsichtlich des Kunstcharakters als richtig unterstellen würde - was ich nicht tue -, dann wäre allein dies Grund genug, dem Projekt die Zustimmung nicht zu verweigern.
Meine Damen und Herren, das Projekt kostet den Steuerzahler keinen Pfennig. Es stimmt, Christo betreibt ein sehr effektives Marketing. Deshalb kann er auch auf öffentliche Gelder verzichten. Ihm das nun zum Vorwurf machen zu wollen, erschiene mir allerdings wirklich verfehlt.
Öffentliches Geld wird nicht benötigt, sorgfältiger Umgang, Recycling, mit dem anfallenden Material wird zugesichert, das Material wird in den neuen Bundesländern hergestellt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dieses Projekt ist eine große Chance für Deutschland, besonders für Berlin, aber auch für den Deutschen Bundestag, der es jetzt in der Hand hat, seine künftige Wirkungsstätte in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu heben. Zudem entsteht die Chance, bei der Gelegenheit der Verhüllung auch auf die künftige Rolle dieses Hauses besonders hinzuweisen. Ich bitte Sie um Unterstützung für den Antrag.