Teil II: Das Konzept

2. Die Bestandteile des BAYERNNETZES

2.1. Vom Hochschulnetz zum Hochgeschwindigkeits-Backbone des BAYERNNETZES

Die Hochschulen sind für die Einführung moderner Kommunikationstechniken von besonderer Bedeutung; denn sie treiben die Entwicklung der Kommunikationstechnologien laufend vorwärts, sind also gleichsam die Speerspitze der Innovation, und wirken darüber hinaus durch die Einbeziehung der neuen Techniken in die Ausbildung der Studierenden als Multiplikatoren. Daher ist es von essentieller Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Bayern, daß die bayerischen Hochschulen stets mit der neuesten und besten Technik ausgerüstet sind. Dies wird durch die Verknüpfung der Universitäten mit Datenhochgeschwindigkeitsleitungen und die Ausstattung der Fachhochschulen mit leistungsfähigen 2 Mbit/s-Anschlüssen erreicht.

Die bayerischen Hochschulen, die derzeit noch das von der TELEKOM im Auftrag des DFN-Vereins betriebene WiN nutzen, sollen künftig ebenfalls auf dem BAYERNNETZ kommunizieren. Eine Verknüpfung mit dem vom DFN-Verein angestrebten Deutschen Hochgeschwindigkeits- Backbone wäre sowohl in München als auch in Erlangen/Nürnberg möglich. Der Vertrag mit dem DFN-Verein läßt eine so geartete Änderungskündigung zu (Jahresvertrag mit halbjähriger Kündigungsfrist), und der DFN-Verein wäre an einer solchen Vertragsgestaltung interessiert. Lediglich das Projekt "Regionales Testbed Bayern" (RTB) ist mit einer Laufzeit bis Mitte 1996 versehen. Dieses Projekt läuft jedoch ohnehin zum Hochschulnetz parallel und unabhängig. Die technischen Anschlußkosten der Hochschulen an das BAYERNNETZ sind aus dem allgemeinen Haushalt des StMUKWK zu tragen.

Für Bayern geht es nun darum, das bisherige Forschungsnetz zum Backbone des BAYERNNETZES auszubauen. Vorgesehen sind in einer ersten Stufe Anschlüsse von 155 Mbit/s für die Universitäten in München und Erlangen/Nürnberg, 34 Mbit/s für alle übrigen bayerischen Universitäten, 2 Mbit/s für alle bayerischen Fachhochschulen. Hieraus resultieren die Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsverbindungen zwischen den bayerischen Hochschulstandorten. Die Hochschulen können auf dem BayNet- soweit erforderlich - ein eigenes CN (das BayWiN) errichten, im übrigen aber auf das Basisnetz des BayNet für den Datenverkehr zurückgreifen.

Die Hochschul-Rechenzentren als Endpunkte des Forschungsnetzes liefern selbst nur einen kleinen Teil des Kommunikationsbedarfs. Hauptbeiträge kommen von den wissenschaftlichen Einrichtungen in der Breite. Sie müssen über leistungsfähige hochschulinterne Netze angebunden sein. Da hochschulinterne "Daten- Flaschenhälse" die Hochleistungsstrecken zwischen den Hochschulen für die Anwender in den Hochschulen unbenutzbar machen, gilt es gleichzeitig, die LANs adäquat auszubauen. Das NIP (Netzwerk-Investitions-Programm) sollte daher entsprechend ausgestattet werden.

Die augenblicklich verfügbaren Strukturen des Bayerischen Forschungsnetzes sind erst zum Teil, nämlich mit durchschnittlich 27 % der praktisch nutzbaren Kapazität (i.e. 8 % der technisch möglichen Höchstkapazität) ausgelastet (1). Die Werte schwanken von Hochschule zu Hochschule stark. So erreichen Universität und Fachhochschule Augsburg eine Auslastung von 84 % der praktisch nutzbaren Kapazität (entspricht 25 % der technisch möglichen Maximalkapazität), die Abteilung Triesdorf der Fachhochschule Weihenstephan dagegen lediglich eine Auslastung bis zu 1 % der praktisch nutzbaren Kapazität (entspricht 0,3 % der technisch möglichen Maximalkapazität). Die Nutzung konzentriert sich derzeit noch weitgehend auf die Räume München und Nürnberg / Erlangen (70 % der gesamten bayerischen öffentlichen Nutzung). Die bayerische Nutzung insgesamt beträgt etwa 14 % der Nutzung des WiN (2).

Der für die erste Stufe geplante Ausbau des Hochschulnetzes erhöht die Kapazitäten um den Faktor 5 bis Faktor 200. Gemessen an den Zahlen für Oktober 1994 läge die Auslastung eines so ausgebauten Netzes in allen Fällen unter 1 % der nutzbaren Kapazität, im Durchschnitt bei 0,40 %. Selbst wenn aufgrund des künftigen Vorhandenseins stärkerer Anschlüsse in Bayern mit Wachstumsraten gerechnet wird, die weit über der internationalen Entwicklung liegen, erscheint eine Wachstumsrate von 400 %, d.h. eine Verfünffachung pro Jahr optimistisch. Auch wenn die genannte optimistische Wachstumsrate drei Jahre lang anhalten würde, wären die Kapazitäten des geplanten Ausbaus des bayerischen Hochschulnetzes durch die Hochschuleinrichtungen allein höchstens zur Hälfte ihrer praktisch nutzbaren Kapzität ausgelastet, d.h. weniger als 20 % der theoretischen Kapazität.

Hieraus darf nicht der Schluß gezogen werden, ein Ausbau des Hochschulnetzes sei derzeit und auf absehbare Zeit gar nicht nötig. Denn die größeren Übertragungsleistungen werden nicht nur wegen der Gesamtnutzung benötigt, sondern wegen Nutzungen, wie breitbandige Multimedia-Anwendungen, die ggf. auch nur kurzzeitig und selten auftreten, aber für eine zukunftsorientierte und adäquate Forschung und Lehre heute notwendig sind.

Die Betrachtung erfolgt vielmehr unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. Das bayerische Hochschulnetz kann in seinem geplanten Ausbauzustand nämlich nur dann einigermaßen wirtschaftlich genutzt werden, wenn die Nutzungen aufgrund der bereits bestehenden Öffnung nach außen (Hochschulangehörige, regionale Wirtschaft, Verwaltung, Community Computing) dramatisch ansteigen, so daß in den nächsten drei Jahren etwa der Gesamtumfang der hochschulinternen Nutzungen erreicht wird. Es ist daher nur konsequent, wenn das Hochschulnetz als bayerisches Backbone für alle auf dem künftigen BAYERNNETZ abzuwickelnden Nutzungen vorgesehen wird.

2.2. City-Netze als lokale Hochleistungsverteiler

In den Stadtgebieten von München und Nürnberg soll auf den Leitungen der örtlichen Stromversorger, der Stadtwerke München bzw. der EWAG, eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur unter Einsatz von modernster Technik aufgebaut werden. Da die Beteiligten der beiden Pilotprojekte meist in beiden Städten Stellen haben, sollen beide Netze über eine Hochgeschwindigkeitsleitung des BayNet verknüpft werden. Der Pilot dient der Erprobung der Verwaltung mehrerer Corporate Networks auf einem alternativen Netz durch einen alternativen Betreiber.

Die in der Pilotphase vorgesehenen City-Netze in München und Nürnberg können den Kommunikationsbedarf ihrer Gesellschafter nur örtlich und untereinander abdecken. Später sollen möglichst viele solcher City-Netze entstehen. Eine Integration der City-Netze in das BAYERNNETZ eröffnet die Nutzungsmöglichkeiten insbesondere über die sich hieraus ergebenden neuen Kontakte.

Die Verbindung der verschiedenen City-Netze untereinander und mit Dritten in Bayern, in Deutschland und weltweit soll über das Backbone des BayNet erfolgen. Daher ist eine entsprechende Anbindung der City-Netze an das Backbone erforderlich. Die rechtliche, organisatorische und technische Koordinierung einer Verbindung der City-Netze bzw. der dortigen CNs mit dem übrigen BayNet ist durch die Betreiber der verschiedenen Netzwerke zu leisten.

2.3. FreeNet-Einwählknoten als Zugang zum BAYERNNETZ

Nach dem in den USA eingeführten FreeNet-Konzept sollen an den Endpunkten des Hochgeschwindigkeitsnetzes regionale Einwählknoten geschaffen werden. Über diese können sich Privatleute und gerade auch kleine und mittlere Unternehmen zum Ortstarif in das BayNet einwählen, um auf diesem Wege untereinander sowie mit staatlichen Stellen und Hochschulinstituten Informationen ohne Entrichtung einer Gebühr für die Netzbenutzung auszutauschen. Jeder Einwählknoten soll durch einen regionalen Trägerverein betrieben werden, in dem die regionale Wirtschaft und ihre Verbände, Vereinigungen, öffentliche Einrichtungen, Transfer- und Informationsstellen, Forschungseinrichtungen und andere Mitglieder sein sollen. Neben dem persönlichen Gewinn der Nutzer aus der Möglichkeit, sehr preiswert miteinander (ohne Sprache) zu kommunizieren, will die Staatsregierung durch das FreeNet-Konzept die finanzielle und psychologische Hemmschwelle zur Nutzung dieser äußerst effizienten Form des Informationsaustausches so weit wie möglich senken, um einen breiten Einsatz zu erreichen. Die regionalen Einwählknoten sollen zusammen mit den Einrichtungen des "Bayerischen Innovationsnetzes" aus den Privatisierungserlösen gefördert werden.

Der Ausbau des Hochschulnetzes zu allgemein nutzbaren bayerischen "Daten-Autobahnen" bietet über den ganzen Freistaat verteilt zumindest an jedem bayerischen Hochschulstandort Telekommunikations-Verbindungen hoher Leistung. Der Nutzen dieser dann vermutlich in Europa einmaligen Infrastruktur eines Flächenstaates erschließt sich jedoch erst, wenn zwischen diesen Endpunkten des Hochgeschwindigkeitsnetzes und der Mehrzahl potentieller Nutzer leistungsfähige Verbindungen geschaffen werden.

Da diese Nutzer sich in der Fläche auf absehbare Zeit nur über das Telefonnetz in das BAYERNNETZ einwählen können und auf diesem die Telekommunikations-Kosten nur im Ortsbereich tragbar sind, sind leistungsfähige Einwählknoten in möglichst vielen Ortsnetz-Bereichen die einzige derzeit realisierbare Lösung. Folgende fehlenden Strukturen sind daher zu schaffen:

Dies alles ist durch einen regionalen Trägerverein aller regionalen Akteure aufzubauen, zu verantworten und nach der Anschubphase zu finanzieren. Unterstützt und bayernweit koordiniert (einheitliche Standards, Software-Anpassung und Weiterentwicklung, Mitarbeiterschulung, Know-how-Transfer und Kompetenzzentrum) werden die FreeNets vom Trägerverein FEN (Free-Net Erlangen-Nürnberg-Fürth). Der Aufbau muß schrittweise in einem "Taktverfahren" erfolgen, um die in Bayern verfügbaren Erfahrungen optimal nutzen zu können und die Kosten des Aufbaus zu minimieren. Mit etwa 12 bayernweiten Netzen (mit einigen ergänzenden passiven Einwahlknoten), deren Errichtung 8 bis 10 Mio DM kosten und die eine Anschubfinanzierung von 4 Mio DM für 3 Jahre erfordern würden, könnte Bayern praktisch flächendeckend erschlossen werden. Für rund 80% der bayerischen Unternehmen / Bürger bestünde dann ein Zugang zum BAYERNNETZ zum Telefon-Ortstarif (2,30 DM pro Stunde tagsüber, 1,15 DM pro Stunde abends / nachts).

Daher sollen mit den begrenzt vorhandenen Fördermitteln in enger Verbindung mit den Ausbauplänen des bayerischen Hochschulnetzes mehrere regionale Knoten zunächst in Franken geschaffen werden, die für unterschiedlichste Aufgaben genutzt werden können. Damit der Zugang zum BayNet flächendeckend zum Ortstarif ermöglicht wird, sollen zu einem späteren Zeitpunkt auch an anderen Standorten als an Hochschulstandorten regionale Einwählknoten errichtet werden. Dies ist unproblematisch, da über das Behördennetz alle hierzu nötigen Städte mit dem Hochschulnetz verbunden sind. Die regionale Bündelung ist angebracht, da die erforderliche Expertise für den sicheren Betrieb solcher Zugangs-Strukturen noch knapp ist und sich allein aus diesem Grund der Aufbau mehrerer paralleler Strukturen verbietet.

In der Pilotphase sollen diese Einwahlknoten und das dahinter liegende Netz den privaten Unternehmen und jedem Bürger unentgeltlich (FreeNet) für die Informationsbeschaffung und -weitergabe zur Verfügung stehen. Lediglich die technischen Anschlußkosten (Telefon- bzw. ISDN-Anschluß, einschließlich Modem) sind vom Nutzer zu tragen. Die durch das FreeNet-Konzept ggf. verursachten Kosten dürfen nicht zu Lasten der Hochschulen und des WiN gehen.

Während das FreeNet-Konzept in einem ersten Schritt dazu dienen soll, die Bevölkerung mit dem Umgang der neuen Telekommunikationstechnologien ohne abschreckende Netzbenutzungsgebühren vertraut zu machen, soll die Netzbenutzung nach Erreichen der kritischen Masse kommerzialisiert werden, d.h. der Nutzer hat die Netzbenutzungskosten zu bezahlen. Das BAYERNNETZ soll über eine wachsende Zahl von FreeNets sukzessive flächendeckend und zu für beide Seiten angemessenen Gebühren allen Bevölkerungsgruppen, Unternehmen und Organisationen zur Verfügung stehen. Die Kosten werden durch die hohe Nutzerzahl und gerade auch durch die Möglichkeit der dynamischen Bandbreitennutzung erheblich sinken. Dies zeigt auch die Strategie von CommerceNet, das mit einer für mittelständische Unternehmen vertretbaren Gebührenstruktur damit rechnet, bis 1996 5 Mio Anschlüsse von Firmen, Privatpersonen und Freiberuflern zu erreichen.


Anmerkung 1:

Die Zahlen beruhen auf der Nutzung des WiN im Oktober 1994. Dabei ergeben sich von Monat zu Monat gewisse Schwankungen. Für die Hochschulen war dies der Monat vor Semesterbeginn. Während des Semesters ist eine geringfügige Steigerung zu erwarten. Die Größenordnungen verschieben sich, wie die Erhebungen zeigen, über die Monate jedoch kaum. Da die maximale Kapazität eines Anschlusses den rechnerischen Höchstwert des Datendurchsatzes darstellt, der natürlich in der Praxis nicht erreicht werden kann, wird der obere Grenzwert der ohne unzumutbare Einschränkungen praktischen Nutzbarkeit eines Anschlusses mit 30 % des rechnerischen Höchstwertes angesetzt. Allerdings können paketvermittelte Leitungen in der Praxis zu einem erheblich höheren Anteil ausgelastet werden. Dies zeigt etwa die Hochschule der Bundeswehr München, die bis vor kurzem bei einem Anschluß von 9,6 Kbit und einer rechnerischen Obergrenze von 3,1 GB/Monat eine tatsächliche Nutzung von 2,6 GB erreichte. Das bedeutet eine tatsächliche Auslastung von 84 %.


Anmerkung 2:

Die Auslastung der Anschlußkapazitäten der bayerischen Hochschulen:

Hochschule       Anschluß-    Auslastung in %       Auslastung in %       für eine erste     Auslastung in %
                 kapazität    der theoretischen     der praktischen       Stufe geplanter    der praktischen
                 derzeit      Leistungsfähigkeit    Leistungsfähigkeit    Ausbau in Mb/s     Leistungsfähigkeit
                 in kb/s      des Anschlusses       des Anschlusses                          des Anschlusses nach
                                                                                             dem Ausbau bei
                                                                                             unveränderter Nutzung

Versuchstrecke   34.000       -                     -                     -                  -
München - 
Erlangen

LRZ München      2.000        9                     31                    155                0,4


Uni Erlangen -   2.000        14                    47                    155                0,63
Nürnberg

Uni + FH         2.000        4                     12                    34                 0,73
Regensburg

Uni + FH         2.000        2                     7                     34                 0,42
Würzburg

Uni Bayreuth     2x64         18                    61                    34                 0,24

Uni Passau       2x64         12                    40                    34                 0,16

Uni + FH         64           25                    84                    34                 0,17
Augsburg

Kath. Uni        64           20                    68                    34                 0,14
Eichstätt

Uni Bamberg      64           5                     16                    34                 0,03

Uni + FH         64           3                     11                    34                 0,18
Weihenstephan

FH Rosenheim     9,6          23                    78                    2                  0,36

FH Nürnberg      9,6          13                    45                    2                  0,2

FH Landshut      9,6          10                    33                    2                  0,15

FH Abt.          9,6          10                    33                    2                  0,15
Schweinfurt

FH Coburg        9,6          10                    33                    2                  ?

FH Kempten       9,6          1,6                   6                     2                  0,03

FH Abt.          9,6          0,3                   1                     2                  0,005
Triesdorf

Staatliche       2x64         6                     19                    -                  -
Bibliotheken
Zentrale
München

Staatliche       8x9,6        0,6                   2                     -                  -
Bibliötheken
in Aschaffen-
burg, Ansbach,
Amberg, Cöburg,
Dillingen, Neu-
burg/Dö, Passau,
Regensburg

Summe aller      8.600 +      7,8                   26,1                  218,71 GB          0,41
bayerischen      34.000
Höchschulen


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