Teil II: Das Konzept

1. Das BAYERNNETZ als Grundlage für die schnelle Einführung der neuen Kommunikationstechnologien

Die verschiedenen bayerischen Behörden und die bayerischen Universitäten benutzen bislang unabhängig voneinander mehrere logische Netze. Teils werden hierzu eigene Leitungen eingesetzt, überwiegend jedoch Leitungen der TELEKOM. Auch der Betrieb der verschiedenen Netze wurde regelmäßig der TELEKOM übergeben.

Um für die Staatsbehörden ein preiswertes Angebot von Netzkapazitäten unter den derzeitigen Umständen zu erreichen, sollen die verschiedenen logischen Netze zusammengefaßt und als einheitliches Behördennetz betrieben werden. Auch die Hochschulen sollen ihren Datenverkehr auf diesem gemeinsamen Netz abwickeln. Hierzu hat der Netzbetreiber die vom Freistaat benötigten Leitungskapazitäten bereitzustellen. Diese wird er zunächst von der Telekom mieten müssen. Nach dem Fall des Netzmonopols der Telekom wird er ggf. auch eigene Leitungen oder Leitungen alternativer Anbieter einsetzen.

Im Rahmen des Konzeptes sollen die bayerischen Hochschulen zu einem Hochgeschwindigkeitsnetz verbunden werden. Dieses breitbandige Netz soll als Backbone auch für die Kommunikation der Staatsbehörden dienen und insoweit eine Sammlerfunktion übernehmen.

Gleichzeitig sollen auf diesem Netz auch alle vom Ministerrat beschlossenen Pilotprojekte durchgeführt werden, soweit dies die Projektkonzeption zuläßt, weil hierdurch für die Projekte die Netzkosten entfallen.

Zusätzlich zum Datenverkehr soll auf diesem Netz auch Telefonie stattfinden, sofern die Nutzer jeweils eine geschlossene Nutzergruppe darstellen und somit ein Corporate Network bilden.


Das BayNet

Dementsprechend soll auf der Basis der in Bayern bereits vorhandenen Telekommunikationsleitungen ein leistungsfähiges, mehrschichtiges Netz, das BAYERNNETZ (BayNet), errichtet werden, auf dem mehrere logische Teilnetze von einem gemeinsamen Betreiber verwaltet werden. Das Netz wird vorrangig die bayerischen Hochschulen mit Hochleistungsstrecken verbinden. Ferner wird dieses Netz als staatliches Behördennetz mitgenutzt werden. Das BAYERNNETZ wird bei Bewährung die bestehenden Netze dieser Institutionen ersetzen. Neben den Privatisierungserlösen werden dafür zu einem wesentlichen Teil Mittel aus dem Haushalt eingesetzt. Aufgrund seiner hohen Leistungsfähigkeit kann das Netz auch für weitere Pilotprojekte genutzt werden, ohne den Netzbetrieb der Hochschulen und Behörden zu beeinträchtigen. Das BayNet erlaubt damit die Bündelung aller Pilotanwendungen - soweit dies die jeweilige Projektkonzeption zuläßt - auf einer gemeinsamen Netzinfrastruktur, sichert damit Kostenvorteile und ermöglicht einen wirtschaftlichen Betrieb. Zusätzlich zum Datenverkehr kann auf diesem Netz auch Telefonie stattfinden, sofern die Nutzer jeweils eine geschlossene Nutzergruppe darstellen und somit ein Corporate Network bilden.

1.1. Die Netzarchitektur

Das lediglich für die Datenübertragung vorgesehene Basisnetz soll jedermann offenstehen (FreeNet-Konzept). An das BayNet sollen alle bayerischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie die staatlichen Behörden, Schulen und Bibliotheken angeschlossen und damit - soweit sinnvoll - der Öffentlichkeit zugänglich sein. Die kostengünstige bayernweite Verknüpfung der Mitglieder der Hochschulen, der Unternehmen, der Behörden und der Bürger über das BayNet soll die Akzeptanz der Datentelekommunikation (insbesondere des Instruments e-mail) erhöhen und einen intensiven Informationsaustausch der Netzbenutzer auslösen. Gleichzeitig sollen hierdurch die Kommunikationsnachteile in einem Flächenstaat wie Bayern verringert werden. Nach Abschluß der Pilotphase wird zu befinden sein, ob und ggf. wie lange und für wen das FreeNet-Konzept weitergeführt werden soll.

Soweit es insbesondere die Datensicherheit oder der rechtliche Rahmen erfordert, sollen auf das Basisnetz verschiedene logische Netze geschlossener Benutzergruppen (Corporate Networks) aufgelegt werden, die lediglich der Nutzung durch die jeweilige Gruppe zur Verfügung stehen. Als Corporate Networks (CN) sind insbesondere das Bayerische Behördennetz (BayBeNet) sowie ggf. die Netze verschiedener Pilotprojektgruppen vorgesehen.

Das BayNet soll in das Internet integriert werden. Ein Anschluß an das Internet ist möglich über das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ), das einen bayerischen Internet-Knoten darstellt. Das LRZ bietet auch den Support zur Nutzung des Internet durch die über das LRZ angeschlossenen Nutzer.

Durch die Verknüpfung der Universitäten über Hochgeschwindigkeitsverbindungen und deren Einbindung in das Gesamtnetz soll das "Hochgeschwindigkeits-Backbone" (Bandbreiten ab 34 Mbit/s) entstehen, auf dem alle überregionalen Sprach- und Datentransfers gebündelt werden können. Eine Bündelungsfunktion sollen darüber hinaus die Verbindungen insbesondere der Fachhochschulen (2 Mbit/s) untereinander und mit dem Hochgeschwindigkeitsnetz haben.

Im Rahmen des BAYERNNETZES sollen jeweils innerhalb eines 25 km-Radius bzw. der Ortsnetzbereiche auch auf privaten Leitungen mehrschichtige CNs, die City-Netze, errichtet werden, auf denen sowohl Daten- als auch Sprachübermittlung erfolgt, letztere jedoch nicht im Überkreuzverkehr, d.h. nicht zwischen den Mitgliedern verschiedener Nutzergruppen. Auch im Rahmen der City-Netze sollen Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsverbindungen geschaltet werden. Die City-Netze sollen mit dem BayNet verknüpft werden, da so eine kostengünstige Verbindung der Teilnehmer verschiedener City-Netze untereinander und mit den weltweiten Netzen möglich ist.

Der Zugang Dritter, d.h. insbesondere von privaten Haushalten sowie von kleinen und mittelständischen Unternehmen, zum BAYERNNETZ soll über regionale Einwählknoten und in der Pilotphase unentgeltlich erfolgen, also i.S. eines öffentlichen Netzes (FreeNet-Konzept). Die Kosten der Netzmitbenutzung soll der Freistaat als Träger des BayNet tragen. Es ist davon auszugehen, daß zumindest in der Pilotphase die Netzbenutzung durch Dritte im Rahmen der ohnehin vorhandenen Netzkapazitäten möglich sein wird, so daß in dieser Phase für den Freistaat hieraus keine zusätzlichen Kosten anfallen dürften. Werden diese Strukturen geschaffen, so stehen auch den Beteiligten der City-Netze umfangreiche Verbindungsmöglichkeiten mit der Fläche zur Verfügung. Für potentiell bayernweite Kommunikationsanbieter / -Nutzer (von den Behörden über Krankenkassen bis zu Dienstleistern) bieten die FreeNets die Möglichkeit, über den Anschluß ihrer Rechner an das jeweilige Citynetz und über dieses an die Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsstrecken "virtuell" zum Ortstarif in allen erschlossenen Regionen nutzbar zu sein, da die regionalen Einwahlrechner dann unentgeltlich zum jeweiligen Zielrechner der entsprechenden Einrichtung durchvermitteln können. Die Einwählknoten sollen im Endstadium so über das Land verteilt sein, daß sie in der Regel über das Netz der TELEKOM zum Ortstarif erreicht werden können. Über diese öffentlichen Zugänge ist allerdings aus rechtlichen Gründen kein Sprachdienst vorgesehen.

1.2. Der Netzbetrieb

Das BAYERNNETZ muß als ganzes sowohl für die Datenkommunikation als auch für die Sprachübermittlung geeignet sein. Es bedarf eines neutralen Betreibers, der auch ausreichend Erfahrung im Betrieb von Corporate Networks hat.

Notwendig ist ferner eine technische Ausstattung des Netzes, die eine gleichzeitige Nutzung durch verschiedene Nutzergruppen zuläßt und dabei ein unberechtigtes Eindringen in die Rechner und die Kommunikation der geschlossenen Nutzergruppen verhindert; die also den Betrieb mehrerer Corporate Networks auf dem BAYERNNETZ ermöglicht. Der Betreiber muß daher nicht nur den Betrieb des Netzes gewährleisten, sondern auch die Datensicherheit.

Der Schutz einzelner LANs oder Rechner vor unbefugtem Zugriff kann unabhängig von der Verschlüsselungstechnik durch sog. Firewalls erreicht werden. Ein solcher - für größte Sicherheit dem Rechner vorgeschalteter - Filter prüft die Zugangsberechtigung von Personen / Institutionen und beschränkt den Zugang zugelassener Personen / Institutionen auf die jeweils zugelassenen Dienste / Anwendungen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, für den Verkehr mit Dritten separate Server einzusetzen.

Für die Pilotphase wird die Staatsregierung die IZB (Informatik Zentrum Bayern GmbH & Co. KG) mit der Errichtung und dem Betrieb des BAYERNNETZES beauftragen. Die IZB, eine jeweils 50%ige Tochter der Bayerischen Landesbank Girozentrale und der bayerischen Sparkassen betreibt bereits ein eigenes, engmaschig-flächendeckendes Corporate Network mit rd. 200 eigenen Netzknoten. Sie verbindet mit X-25-Technik ihre Rechenzentren in München und Nürnberg mit den bayerischen Sparkassen und ihre Zweigstellen mit insgesamt rund 30.000 Endgeräten. Hierdurch sind derzeit über die beiden Knoten München und Nürnberg rund 160 bayerische Städte vernetzt. Bislang handelt es sich um ein reines Datenübertragungsnetz. Entsprechend den Bedürfnissen der Sparkassen gewährleistet die IZB ein Höchstmaß an Verfügbarkeit und Datensicherheit. Die angeschlossenen Stellen sind vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt. Dies ist u.a. dadurch gewährleistet, daß die Knoten mit einem Verschlüsselungsalgorithmus ausgestattet sind, der bei Bedarf genutzt werden kann.

Da die Vermittlungsknoten der IZB bereits heute mit dynamischer Bandbreitenvermittlung arbeiten (bis 2 Mbit/s), kann ein Höchstmaß an Synergieeffekten erzielt werden. Je nach Bedarf werden den einzelnen Nutzern die benötigten Bandbreiten zugewiesen und dementsprechend abgerechnet. Derzeit sind für die einzelnen Behördennetze bei der TELEKOM meist Standleitungen gemietet, die nur zu Spitzenzeiten ausgelastet sind, im übrigen aber teilweise brach liegen und dennoch bezahlt werden müssen. Die dynamische Bandbreitenvermittlung erlaubt es dagegen, nur die aktuell benötigten Bandbreiten beim Betreiber zu bestellen und zu bezahlen. Dabei ist eine lastabhängige Tarifstaffelung sinnvoll, die bewirkt, daß die Nutzer - wenn dies ihr Bedarf zuläßt - in die Schwachlastzeiten ausweichen können. Hierdurch lassen sich die Kosten für solche Nutzungen erheblich senken, die auch in Schwachlastzeiten durchgeführt werden können. Gleichzeitig wird hierdurch die Auslastung des Netzes verstetigt. Möglich sind aber auch Pauschalabrechnungen, die dem Haushaltsrecht des Freistaates entgegenkommen. Baldmöglich soll auch die ATM-Technik eingeführt werden.

Die IZB wird in Abstimmung mit der Staatsregierung und den Projektgruppen ein Ablaufschema für die Errichtung und den Ausbau des BayNet erstellen. Da im Rahmen der Pilotprojekte die Komplexität der Anwendungen schrittweise gesteigert wird, werden die Netzkapazitäten des BAYERNNETZES von der IZB dem Bedarf schrittweise angepaßt. Den Universitäten sollten dabei frühzeitig Anschlüsse von 34 Mbit/s und mehr zur Verfügung stehen, damit der Forschung die Anwendung modernster Kommunikationstechnik sowohl für den täglichen Bedarf als auch für die Erprobung neuer Technik zur Verfügung steht.

1.3. Einsatz privater Leitungen

Das körperliche Netz des BayNet muß zunächst von der TELEKOM gemietet werden. Je nach Angebot und entsprechend den rechtlichen Möglichkeiten sollen die Trassen frühestmöglich öffentlich ausgeschrieben werden und die gemieteten Leitungen der TELEKOM ggf. und soweit sinnvoll durch Leitungen alternativer Anbieter ersetzt werden.

Es kommt daher darauf an, zunächst von der TELEKOM - sobald zulässig auch von einem oder mehreren Netzeanbietern - Leitungskapazitäten in einer Größenordnung zu bestellen, daß hiermit sämtliche Anwendungen möglich sind, die für den Betrieb der verschiedenen Teilnetze erforderlich sind. Dementsprechend müssen die hierzu erforderlichen Verträge mit dem/den Netzeanbietern so zugeschnitten sein, daß sie ein großes Maß an Flexibilität hinsichtlich eines möglicherweise schnell wachsenden Kapazitätsbedarfs erlauben.

Im Sommer 1995 will der Bundesminister für Post und Telekommunikation nach Zustimmung durch den Regulierungsrat, in dem alle Länder sowie Mitglieder des Deutschen Bundestags paritätisch vertreten sind, eine Rechtsverordnung gemäß § 2 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) erlassen, in der die Bedingungen für eine beschränkte Öffnung der Monopole im Telekommunikationsbereich geregelt sind. Dies betrifft insbesondere die Fragen

Damit soll die Verordnung insbesondere auch Aussagen darüber enthalten, inwieweit bereits vor der Liberalisierung zum 1.1.1998 Ausnahmegenehmigungen zum Leitungsmonopol erteilt werden können; denn der BMPT hat vorgesehen, bereits ab 1.1.1996 in bestimmtem Umfang an alternative Netzanbieter Lizenzen zu vergeben.

Diese Vorgehensweise entspricht dem bayerischen Wunsch nach frühzeitiger Liberalisierung der Netze. Die vollständige Marktöffnung darf allerdings nur schrittweise erfolgen, da sowohl den Anbietern alternativer Leitungen als auch der TELEKOM die jeweils notwendige Vorbereitungszeit eingeräumt werden muß. Damit die Strategie der Staatsregierung und die in den Themenarbeitskreisen definierten Projektvorschläge auch umsetzbar sind, werden für den Inhalt der Verordnung von seiten Bayerns folgende, auch mit den Forderungen des Grünbuchs der EU-Kommission kompatible Regelungen angestrebt:

  1. Damit eine aufgrund EU-rechtlicher Verpflichtung spätestens ab 1.1.1998 stattfindende Lizenzierung für die Errichtung und den Betrieb von Netzen auch auf privaten Leitungen nicht auf kaltem Wege vorweggenommen werden kann, sollte der Einsatz privater Leitungen vor dem 1.1.1998 zwar bereits außerhalb der 25 km- bzw. Ortsnetzbereiche ermöglicht werden, jedoch nur für regional begrenzte Projekte. Bundesweite Projekte könnten die TELEKOM in einer entscheidenden Phase der Markteinführung über Gebühr belasten und außerdem verhindern, daß für alle alternativen Anbieter gleiche Wettbewerbschancen bestehen.

  2. Aus denselben Gründen sollten die Projekte in einer ersten Stufe, d.h. bis 1.1.1997 innovativen Charakter haben. Dies bedeutet etwa für Hochgeschwindigkeitsstrecken den Einsatz von SDH- und ATM-Technik sowie anderer Übermittlungstechniken, die eine flexible Bandbreitenvermittlung erlauben und damit zu einer besseren Ausnutzung der vorhandenen Netzkapazitäten führen.

  3. Erst in einer zweiten Stufe vom 1.1.1997 bis 31.12.1997 sollte auch ein möglichst professioneller Einsatz alternativer Netze zugelassen werden, d.h. auch mit Sprachvermittlung, allerdings wiederum nur für regional begrenzte Projekte.

  4. Für die Zeit ab 1.1.1998 sollte die Lizenzierung entsprechend EU-Recht grundsätzlich den heute im Netz- und Sprachmonopol befindlichen Bereich umfassen.

  5. Um "Rosinenpicken" zu verhindern, Wettbewerbsgleichheit herzustellen und eine angemessene Versorgung in allen Landesteilen sicherzustellen, sollte die Lizenz ab 1.1.1998 an einen Versorgungsauftrag für ein bestimmtes Versorgungsgebiet gekoppelt werden. Es sollte gefordert werden, daß der Versorgungsauftrag von den Lizenznehmern schrittweise (Übergangsfristen) zu erfüllen ist, sofern sie einen solchen Auftrag nicht bereits vorher hatten.

  6. Aufgrund des Versorgungsauftrags sollten die Lizenznehmer ab 1.1.1998 einen Anspruch auf Erteilung von Wegerechten zur Erschließung der Kunden erhalten.

  7. Wegen des hohen Investitionsaufwandes sollte die Lizenzdauer ab 1.1.1998 mindestens 30 Jahre betragen.

  8. Zur Stärkung des Wettbewerbs sollte die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Versorgungsgebiete aufgeteilt werden. Aufgrund der Erfahrungen in den USA sollten die Versorgungsgebiete eine Mindestwirtschaftskraft haben, damit der jeweilige Netzbetreiber für den Versorgungsauftrag ausreichende Skaleneffekte und Bündelungsgewinne erzielen kann. Hieraus ergibt sich eine Zwei- bis Dreiteilung des Bundesgebietes in zusammenhängende Flächen von je 1/2 bzw. 1/3 des Bruttosozialproduktes.

  9. Damit der Versorgungsauftrag erfüllt werden kann, sollte die Zahl der Lizenzen in einem Versorgungsgebiet auf höchstens drei begrenzt begrenzt werden.


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