Enthüllen durch Verbergen

Christos Flucht in den Westen hatte eine tiefgreifende Veränderung für ihn bedeutet, die er auf sich genommen hatte, weil die beengenden Zustände hinter dem Eisernen Vorhang seine Kreativität lähmten. Er hatte sich für die Freiheit entschieden, die jeder Künstler braucht, und damit hatte er persönlichen Mut bewiesen. Jetzt jedoch kam es vor allem darauf an, seinen eigenen künstlerischen Weg zu finden. Und dazu unternahm er in Paris zwei weitere Schritte.

Einladungskarte für Mauer aus Ölfässern - Eiserner Vorhang
(Le Rideau de Fer)
1962
New York, Sammlung Jacob Baal-Teshuva

Der erste Schritt bestand einfach darin, daß er seinen slawischen Nachnamen Javacheff ablegte und fortan nur noch seinen Vornamen Christo benutzte, unter dem er heute weltweit bekannt ist. Ebenfalls in seine frühe Pariser Zeit fiel der zweite Schritt, der wegweisend und prägend für seine Kunst werden sollte: Er begann zu verhüllen. Christo verhüllte Dosen, Flaschen, Stühle, ein Auto einfach alles, was er finden konnte, Alltagsgegenstände, die weder besonders schön noch interessant waren. Stillschweigend setzte er voraus, daß jedes, aber auch jedes Objekt seinen Platz in der Kunst haben konnte. Es gab für ihn keine Hierarchien der künstlerischen Ausdrucksformen und Inhalte. Er verhüllte diese Objekte in Leinwand und verschnürte sie fest mit Stricken, Seilen oder Bindfäden. Einige bemalte er anschließend. Im Laufe der folgenden Jahre verhüllte er Objekte aller Art einen Schubkarren, ein Motorrad, nackte Frauen, Ölfässer (darauf werden wir noch zurückkommen) und einen Volkswagen. Gelegentlich kombinierte Christo verschiedene Objekte miteinander, wie zum Beispiel bei dem Objekt Verpackte Dosen und Flaschen (1958-1959), das aus mehreren verhüllten Flaschen und Dosen sowie aus einigen unverhüllten bemalten Dosen und mit Pigmenten gefüllten Flaschen zusammengestellt ist.

Verhüllte Ölfässer, 1958-1959
Stoff, Emailfarbe, Stahldraht und Fässer
New York, Sammlung Jeanne-Claude Christo
Foto: Wolfgang Volz