Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Es war einfach zu befürchten, daß aus der Diskussion
über die Verhüllung des Reichstags eine ernste, gelegentlich bitter
ernste Debatte über den Umgang mit sogenannten nationalen Symbolen und mit
der sogenannten nationalen Würde bei Befürwortern wie bei Gegnern der
Verhüllung werden würde. Dabei wäre es - auch in bezug auf das
zu verhüllende Objekt, den Reichstag - wahrscheinlich angebrachter
gewesen, die Entscheidung für das Ja oder Nein dieser Verhüllung
leichthändig, im Vorfeld formeller ernsthafter Parlamentsdebatten zu
treffen.
(Beifall des Abg. Hans-Ulrich Klose [SPD])
Vielleicht hätte man auch einfach die Würfel entscheiden lassen
sollen. Völlig unangebracht ist es jedenfalls, die Verhüllung damit
abzulehnen, daß damit "eine verunsicherte Nation nach der
Wiedererlangung der Einheit sich erst selbst finden muß" - das
sind Zitate - und daß man die "Gefühle der Menschen in diesem
Land nicht auf die Probe stellen darf". So geäußert u.a. vom
Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe.
Nationale und national eingefärbte Töne haben in dieser Debatte
nichts, aber auch gar nichts zu suchen. Wenn wir uns dieses Argument - die
Gefühle vieler Menschen würden verletzt - einmal ausnahmsweise
näher betrachten: Ist es denn wirklich so, daß sich mit dem
Reichstag, mit einem steinernen Symbol der unglücklichen
Geschichte der deutschen parlamentarischen Demokratie, bei vielen Menschen in
diesem Lande tiefere Gefühle verbinden?
Ich wage zu behaupten, daß
der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Reichstag fremd
und gleichgültig ist. Es wäre ja vielleicht nicht schlecht, wenn der
Reichstag - dessen Verhüllung übrigens lange vor der
Wiedervereinigung und als dies in keiner Form absehbar war, als Kunstobjekt
formuliert wurde - positive Identifikationsgefühle der deutschen
Bevölkerung auf sich ziehen würde. Aber es ist doch nicht so. Markus
Wasmeier oder Katarina Witt ziehen doch viel mehr derartiges
Identifikationspotential auf sich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Man kann über den künstlerischen Wert des Verhüllungsprojekts,
das einen leicht gigantomanischen Zug hat, völlig entgegengesetzter
Meinung sein. Nach dieser Debatte hier, nach den verhalten nationalen
Tönen in dieser Debatte muß man schlicht dafür sein. Wie Werner
Schmalenbach, der Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW, zu Recht sagt,
sollte man sich einen Stoß geben, für die Verhüllung zu
stimmen. Denn die Verhüllung ist zumindest - diesen Wert hat sie - eine
spektakuläre Aktion gegen nationales und gegen sonstiges deutsches
Spießertum.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)