Risikomanagement
Auch 1994 hat die Verflechtung der internationalen Geld- und Finanzmärkte weiter zugenommen, die Handelsvolumina sind nochmals deutlich gestiegen, und die Volatilitäten von Zinsen und Preisen haben sich erhöht. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Komplexität und Vielfalt der Finanzinnovationen, die die Rahmenbedingungen des modernen Bankgeschäftes entscheidend verändert haben.
Im Sommer 1993 hat sich die Group of Thirty - unter Mitwirkung der Deutschen Bank - dieses Themas angenommen und eine Studie zu Grundsätzen und Prinzipien von derivativen Instrumenten erarbeitet sowie Empfehlungen für das Risikomanagement ausgesprochen. Im Jahre 1994 haben die internationalen Gremien der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) und der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Richtlinien für das Risikomanagement von Derivaten publiziert.
Auf nationaler Ebene veröffentlichte im Dezember 1994 der Ausschuß für Bilanzierung des Bundesverbandes deutscher Banken Empfehlungen für die Bilanzpublizität von Finanzderivaten.
Die Deutsche Bank hat diese Bemühungen um erhöhte Transparenz und Sicherheit der Finanzmärkte durch internationale Standards für das Risikomanagement unterstützt. Sie sieht sich durch den nunmehr erreichten Konsens in ihren eigenen Anstrengungen bestätigt. Die Verantwortung für die unterschiedlichen, aber zunehmend interdependenten Risikofelder (Markt-, Kredit-, Rechts- und operative Risiken) wird in einem unabhängigen, konzernweiten Risikomanagement zusammengeführt.
Die Grundsätze des Risikomanagements sowie die verwendeten Meßverfahren und Limitsysteme sind vom Vorstand genehmigt und von den Wirtschaftsprüfern des Konzerns geprüft worden. Die für das Konzernrisikomanagement Verantwortlichen (die Vorsitzenden des Risk Management Committee und des Credit Committee) berichten unmittelbar an den Vorstand.
Dem Vorsitzenden des RMC ist die von den Geschäftsbereichen funktional getrennte Global Risk Management Group (RMG) unterstellt. Mitarbeiter der RMG sind an allen internationalen Handelsplätzen eingesetzt. Die RMG ist für die Kontrolle der Marktrisiken (qualitative Auswertung von Risiko- und Ertragskennziffern; Limiteinhaltung), die Prüfung neuer Handelsprodukte und Bewertungsverfahren, die Ermittlung der handelsspezifischen Kreditrisiken sowie die Vertragsdokumentation verantwortlich.
Im einzelnen werden Markt-, Kredit-, Rechts- und operative Risiken überwacht.
Den internationalen Standards entsprechend verwenden wir zur Ermittlung des Marktrisikos das Money-at-Risk Konzept. Durch Aggregation aller Portfoliobestandteile und deren Sensitivitäten wird eine Meßzahl für das Verlustpotential bei Preis- beziehungsweise Zinsänderungen gewonnen. Zukünftige Risiken werden auf der Basis historischer Preis- beziehungsweise Zinsänderungen für einen festgelegten Zeitraum von 90 Tagen ermittelt. Hierbei wird mit einer 1,65-fachen Standardabweichung gerechnet, das bedeutet, daß man mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit das Verlustpotential angeben kann. In der Vergangenheit definierte Korrelationen zwischen verschiedenen Laufzeiten oder Währungen werden in der Money-at-Risk Berechnung berücksichtigt.
Am 31. Dezember 1994 betrug das Money-at-Risk für den Konzern Deutsche Bank 130,8 Mio DM.
Neben den Berechnungen der Risiken mit dem Money-at-Risk Verfahren werden besondere Optionspreis- Verfahren benötigt, um die Optionsrisiken zu analysieren. Hiermit werden die Wertveränderungen der Optionsportfolios, die sich aus der Konvexität (Gamma), der Veränderung der Volatilität (Vega) und des Zeitablaufs (Theta) ergeben, regelmäßig berechnet.
In den verbleibenden 5% der Fälle, die durch die oben genannten Verfahren nicht abgedeckt werden, könnten zum Beispiel aufgrund fehlender Markttiefe Liquiditätsrisiken entstehen. Hier rechnen wir regelmäßig sogenannte Crash-Szenarien durch, die unter anderem historische Krisensituationen nachbilden. Daneben begrenzen Nominallimite die Volumina in einzelnen Finanzinstrumenten, bei börsengehandelten Produkten zum Teil in Abhängigkeit von im Markt umlaufenden offenen Kontrakten, um die Marktgröße und unseren Marktanteil als voneinander abhängige Bezugsgrößen darzustellen.
Die Risikosteuerung wird durch einen Vergleich der Ertragsentwicklung mit dem Money-at-Risk ergänzt. Im Berichtsjahr bewegte sich die Ertragsentwicklung stets in dem vom Money-at-Risk prognostizierten Rahmen.
Als Kennziffer für die Kreditrisiken aus OTC-Derivaten werden internationalen Standards entsprechend die aktuellen Wiederbeschaffungskosten angesetzt. Für den Konzern betrug am 31. Dezember 1994 das Kreditrisiko 21,4 Mrd DM bei einem Nominalvolumen des Portfolios von 1.855,7 Mrd DM.
An die Bonität der Kontrahenten werden strenge Anforderungen gestellt. So gehören 85% des Portfolios zumindest zur Bonitätsklasse A.
Für alle Kontrahenten sind individuelle Kreditlinien eingerichtet. Die Inanspruchnahmen werden wie bei kommerziellen Krediten überwacht; das Portfolio wird nach Kontrahentenklassen, Produkten, Laufzeiten und Ländern analysiert.
Für das Netting bedarf es klarer rechtlicher Grundlagen, auch nach dem Insolvenzrecht im Land des Kontrahenten. Für Kontrahenten in Deutschland ist durch neue insolvenzrechtliche Bestimmungen im Jahr 1994 klargestellt worden, daß ein solches Netting in der Insolvenz rechtlich anzuerkennen ist.
Die Rechnungslegung bildet die Ergebnisbeiträge der Handelsbücher oder -portfolios somit nach den Grundsätzen für Bewertungseinheiten ab. Dabei werden noch nicht realisierte Gewinne bis zum Ausgleich mit noch nicht realisierten Verlusten verrechnet.
Für den Geschäftsbereich Firmen und Körperschaften haben wir daher die dezentralen Kreditkompetenzen erhöht - und gleichzeitig das Steuerungsinstrumentarium verbessert. Im Geschäftsbereich Privat- und Geschäftskunden kommt es zu einer stärkeren Normierung und Zentralisierung der Kreditentscheidung auf Hauptfilialebene. Diese Maßnahmen verlangen als Gegengewicht im Bereich der Risikosteuerung und Kontrolle ein unabhängiges, übergeordnetes, konzernweites Kreditrisikomanagement. Das ist eine Aufgabe der Zentrale.
Das Kreditrisikomanagement im Konzern wurde dem Chief Credit Officer (CCO) übertragen, der die Kreditkompetenzen der Leiter der Geschäftseinheiten und der Kreditabteilungen mit festlegt. Ihm untersteht die Abteilung Kreditrisikomanagement (KRM). Diese erarbeitet, ergänzt und überwacht den Ordnungsrahmen im Kreditgeschäft der Bank, das heißt die Kreditgrundsätze, die Kreditrichtlinien und den Kreditentscheidungsprozeß. Ein weiteres Schwergewicht der Tätigkeit liegt auf der systematischen Prüfung des Kreditgeschäftes vor Ort, die in Arbeitsteilung und Abstimmung mit der Konzernrevision durchgeführt wird. KRM trägt keine Kundenverantwortung und ist nach einer Übergangsphase nur in Ausnahmefällen noch in Kreditentscheidungen eingebunden.
Teil des internen Kreditentscheidungsprozesses ist dagegen das ebenfalls in der Zentrale angesiedelte Credit Committee. Es entscheidet über Kredite, die über die Kreditkompetenzen der dezentralen Entscheidungsträger hinausgehen und die nicht in die Zuständigkeit des Gesamtvorstandes fallen.
In regelmäßigen Abständen werden, unter Teilnahme des Controlling, Fragen zum Risikogehalt des Portfolios, der Kreditportfolioplanung sowie die Auswirkungen sich verändernder externer Bedingungen auf das Kreditrisikoprofil diskutiert. Das Credit Committee wird geleitet vom CCO und setzt sich aus Vertretern der Geschäftsbereiche, des KRM und dem Vorsitzenden des Risk Management Committee (RMC) zusammen. Das Credit Committee untersteht, wie sein Pendant im Bereich der Marktrisiken, direkt dem Vorstand und berichtet an ihn.
Die Weiterentwicklung des internationalen Standards entsprechenden Instrumentariums zum Kreditrisikomanagement wird vom KRM - in enger Zusammenarbeit mit dem Bereich Controlling - vorangetrieben. Zur Steuerung der Kredit-Risikoposition werden im Rahmen der Portfolioplanung und des Portfoliomanagements die Kreditrisiken sichtbar gemacht und bewertet. Die Ergebnisse des Portfoliomanagements, unter anderem Analysen zum Risikoprofil des Portfolios, Kommentare zur Portfolioplanung sowie erarbeitete Szenarien werden in regelmäßigen Abständen von KRM dem Vorstand vorgelegt.
Im Rahmen unseres Konzeptes der umfänglichen Dezentralisierung von Kreditkompetenzen in die am Markt tätigen Geschäftseinheiten ist die systematische Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter im Kreditgeschäft eine Gemeinschaftsaufgabe, der sich alle Beteiligten zur Erhaltung der hohen Standards der Kreditausbildung stellen.