Pressemitteilungen aus dem Ministerrat (Auszug):

1. August 1995

Bericht aus der Kabinettssitzung (Auszug):

  1. Offensive Zukunft Bayern - Neue Arbeitsplätze und mehr Selbständigkeit durch 20 neue kommunale Existenzgründerzentren
  2. Künftige Nutzung des Obersalzbergs
  3. Grünes Licht für U-Bahn-Verlängerung zum Garchinger Forschungsgelände
  4. Staatsregierung bringt Initiative zur Beschleunigung von Strafverfahren im Bundesrat ein
  5. Strukturreform der bayerischen Staatsbäder kommt voran

1. Offensive Zukunft Bayern - Neue Arbeitsplätze und mehr Selbständigkeit durch 20 neue kommunale Existenzgründerzentren

Der Ministerrat beschloß heute auf Vorschlag von Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu die Förderung von 20 kommunalen Existenzgründerzentren in ganz Bayern. Wie Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber in der Regierungserklärung vom 21. Juli 1994 angekündigt hatte, stellt die Bayerische Staatsregierung dafür 30 Millionen DM aus den Privatisierungserlösen im Rahmen des Programms "Offensive Zukunft Bayern" zur Verfügung. Darüber hinaus konnte erreicht werden, daß rund zehn Millionen Mark an EU-Mitteln zurMitfinanzierung von Gründerzentren in strukturschwachen bayerischen Regionen zur Verfügung stehen. "Mit den zusätzlichen EU-Geldern und aufgrund einiger kostengünstiger Projekte, bei denen bereits vorhandene Gebäude eingesetzt werden sollen, können wir jetzt insgesamt 20 Zentren statt lediglich eines pro Regierungsbezirk aufbauen", sagte Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber.

Stoiber: "Mit der Förderung dieser Existenzgründerzentren setzen wir ein deutliches politisches Signal zur Förderung der Selbständigkeit in Bayern. Mehr Selbständige sind der Schlüssel zu neuen Arbeitsplätzen. Sie stehen für Risikobereitschaft und Dynamik, Eigeninitiative und Selbstverantwortung, Kreativität und Flexibilität sowie Fleiß und gesellschaftliche Stabilität. Existenzgründer schaffen bereits in der Gründungsphase im Durchschnitt rund drei Arbeitsplätze und in der Folgezeit erfahrungsgemäß weitere. Bayern setzt ganz bewußt auch auf kleine und mittlere Unternehmen, weil sie flexibel auf Veränderungen reagieren können und sich deshalb in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als sehr beständig erwiesen haben."

Die vom Kabinett festgelegten Standorte der Existenzgründerzentren sind:

In Kaufbeuren besteht bereits ein privat betriebenes Gründerzentrum, das vom Staat aus anderen Mitteln gefördert werden soll.

Die Gründerzentren schaffen verbesserte Startmöglichkeiten für junge Unternehmen aus Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungsgewerbe. Die Kommunen finanzieren die Gründerzentren mit und betreiben diese in der Regel in privatrechtlicher Rechtsform als GmbHs. Gefördert werden kommunale Investitionen für Betriebsräume. ZentraleServiceleistungen und Gemeinschaftsdienste sollen den Existenzgründern gegen angemessene Bezahlung zur Verfügung gestellt werden. Zentrale Dienste helfen den Unternehmern, Anlaufprobleme zu überwinden und typische Managementsfehler durch rechtzeitige Beratung zu vermeiden. In den Zentren sollen junge Unternehmen in den ersten vier bis fünf Jahren untergebracht und betreut werden. Die Staatsregierung beteiligt sich nach Angaben von Staatsminister Wiesheu an den Investitionskosten mit bis zu 50 Prozent.

Die kommunalen Existenzgründerzentren ergänzen die Innovations- und Gründerzentren im Bereich der Hochtechnologie in München, Erlangen und Würzburg sowie die High-Tech-Zentren mit spezieller Ausrichtung in Martinsried, Augsburg und Erlangen-Tennenlohe. "Was wir brauchen und initiieren, ist eine neue Unternehmensgründerwelle. Dies ist die Basis, um den Strukturwandel aktiv und erfolgreich mitzugestalten. Wir setzen auf: Selbständigkeit wirksam fördern, Betriebsgründungen unmittelbar erleichtern und Jungunternehmen begleiten", betonte Staatsminister Wiesheu.Der Minister sieht in den Zentren auch einen wichtigen Beitrag für die weitere Belebung der Arbeitsmarktsituation in strukturschwächeren Gebieten und in Gebieten mit aktuellen Beschäftigungsproblemen. Die Gründerzentren sollen, so der Minister, vor allem brachliegendes Potential außerhalb der Ballungsräume aktivieren. Bei der Auswahl der Gründerzentren wurden deshalb auch vorrangig Gebiete mit wirtschaftlichen und strukturellen Problemen berücksichtigt.

Ministerpräsident Stoiber hob die bemerkenswerte Resonanz hervor, die diese Gründerzentren bei den bayerischen Kommunen gefunden haben. Rund 50 Kommunen haben sich um solche Gründerzentren beworben. Dieses Echo dokumentiere die große Bereitschaft der Kommunen, diese Offensive der Staatsregierung mitzutragen und Verantwortung zu übernehmen.

2. Künftige Nutzung des Obersalzbergs

Der Ministerrat nahm den Bericht von Finanzstaatssekretär Alfons Zeller über die künftige Nutzung des staatseigenen Grundbesitzes am Obersalzberg nach der Freigabe durch die amerikanischen Streitkräfte zustimmend zur Kenntnis. Die amerikanischen Streitkräfte werden ihre Erholungseinrichtungen am Obersalzberg zum 30. September 1995 schließen. Das gesamte Areal wird Anfang 1996 an den Freistaat Bayern als Eigentümer zurückgegeben. Das Areal umfaßt das General-Walker-Hotel mit rund 280 Betten, die Nebengebäude Skytop-Lodge und Evergreen-Lodge, einen Neun-Loch-Golfplatz, sechs Skilifte mit Beschneiungsanlage, Stollenbauten sowie umfangreiche Forstflächen und Wiesen.

Das in enger Abstimmung mit dem Markt Berchtesgaden und dem Landkreis Berchtesgadener Land erarbeitete Nutzungskonzept sieht die Fortführung des Hotelbetriebs auf dem Gelände des bisherigen General-Walker-Hotels mit Nebengebäuden und Sportanlagen als Kur-, Sport- und Tagungshotel vor. Das Areal soll nach öffentlicher Ausschreibung an einen privaten Investor vergeben werden, der nach Durchführung der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen das Hotel selbst oder durch einen Hotelunternehmer betreibt. Die Ausschreibung ist noch in diesem Jahr vorgesehen. Bei der Vergabe wird der Staat nach Angaben von Finanzstaatssekretär Zeller sein besonderes Augenmerk auf die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen richten. Die Mitbenutzung der Sportanlagen (Golfplatz) durch die Öffentlichkeit wird gewährleistet werden.

Um nach dem Abzug der Amerikaner dauerhaft sicherzustellen, daß der Obersalzberg nicht zum Ziel für ewig Gestrige und zum Ort neonazistischer Umtriebe wird, wird die öffentliche Hand nach der Entscheidung der Staatsregierung auf Dauer Einwirkungsmöglichkeiten behalten, um unerwünschte Entwicklungen auszuschließen. Die Vergabe des bebauten Areals soll deshalb imWege eines Erbbaurechts erfolgen. Die Forstflächen werden der Staatsforstverwaltung übertragen.

3. Grünes Licht für U-Bahn-Verlängerung zum Garchinger Forschungsgelände

Die Staatsregierung hat die Weichen für die Verlängerung des Münchner U-Bahn-Netzes bis zum Forschungsgelände Garching mit der dort im Bau befindlichen neuen Fakultät für Maschinenbauwesen der Technischen Universität München und dem dortigen Max-Planck-Institut gestellt.

Der Freistaat Bayern gewährt für die drei Kilometer lange und rund 280 Millionen DM teure Neubaustrecke von Garching-Hochbrück zum Forschungsgelände nach dem Kabinettsbeschluß Zuschüsse in Höhe von 90 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes. Da die Verlängerung der U-Bahn zum Garchinger Forschungsgelände in erster Linie der Erschließung von staatlichen Hochschuleinrichtungen dient, erklärte sich Wissenschaftsminister Hans Zehetmair zu einer Übernahme der Hälfte der restlichen Baukosten durch das Wissenschaftsministerium bereit. Die andere Hälfte der restlichen Investitionskosten sollen vom Landkreis München und von der Stadt Garching getragen werden. Die Anbindung des Forschungsgeländes verbindet die Garchinger Forschungseinrichtungen direkt mit dem Stammgelände der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität sowie mit dem Klinikum Großhadern und den weiteren dort angesiedelten Forschungseinrichtungen. "Für Studenten und Mitarbeiter dieser Forschungseinrichtungen wird eine konkurrenzlos schnelle Verkehrsverbindung geschaffen und damit die Attraktivität des Wissenschafts- und Forschungsstandorts München weiter erhöht", betonte Zehetmair. Auch die Garchinger Bürger profitieren von dieser attraktiven und schnellen Verbindung nach München. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber teilte mit, daß der Baubeginn für den neuen U-Bahn-Abschnitt nach Garching voraussichtlichnoch 1996 erfolgen könne, die Inbetriebnahme des neuen Streckenabschnitts werde für das Jahr 2000 angestrebt.

Bereits in der vergangenen Woche hatte das Kabinett grünes Licht für die Verlängerung der Nürnberger U-Bahn zum Flughafen Nürnberg gegeben. Stoiber betonte, daß die beiden neuen großen U-Bahn-Neubauten in Nürnberg und München wegen ihrer herausragenden strukturpolitischen Bedeutung ausnahmsweise jeweils mit dem Förderhöchstsatz von 90 Prozent anstelle des beim U-Bahn-Bau üblichen Fördersatzes von 80 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten bezuschußt werden sollen. Stoiber:"Damit trägt der Freistaat der überragenden strukturpolitischen Bedeutung dieser beiden Vorhaben in Nürnberg und München in besonderer Weise Rechnung." VerkehrsministerDr. Otto Wiesheu erklärte, daß nach der positiven Entscheidung derStaatsregierung für die beiden neuen U-Bahn-Vorhaben jetzt die beteiligten Kommunen am Zug sind. Wiesheu: "Dem zügigen Weiterbau der U-Bahn zum Nürnberger Flughafen und zum Forschungsgelände Garching steht nichts mehr im Wege."

4. Staatsregierung bringt Initiative zur Beschleunigung von Strafverfahren im Bundesrat ein

Das Kabinett beschloß ein Gesetzespaket zur Entlastung derStrafgerichte, das vom Freistaat Bayern im Bundesrat eingebracht wird. Kern des Gesetzentwurfs ist eine Beschränkung der Rechtsmittel im Strafverfahren. Bei amtsgerichtlichen Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen, dem Großteil aller Verurteilungen, soll die Berufung künftig nur zulässig sein, wenn sie vom Landgericht angenommen wird. Bei amtsgerichtlichen Verurteilungen zu mehr als 90 Tagessätzen soll künftig nur noch ein Rechtsmittel zur Wahl stehen, entweder Berufung oder Revision. Im Bußgeldverfahren sollen die Wertgrenzen für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln erheblich angehoben werden. Zu dem Maßnahmenpaket gehört auch, den Anwendungsbereich der Strafbefehlsverfahren auf Landgerichte und Oberlandesgerichte auszudehnen. Dem Mißbrauch von Verteidigerrechten im Strafverfahren durch mißbräuchliche Richterablehnung und Prozeßverschleppung soll wirksamer entgegengewirkt werden. Justizminister Hermann Leeb betonte, daß das Zurückschneiden überzogener Rechtsmittelmöglichkeiten Dreh- und Angelpunkt für die dringend notwendige Straffung und Entlastung der Strafjustiz sind. Leeb: "Die rasche Bestrafung der Täter und die Beschleunigung der Verfahren sind entscheidende Ecksteine zur Stärkung der Inneren Sicherheit in Deutschland."

Der Gesetzentwurf basiert auf Vorschlägen aus der Praxis der Strafgerichte und Staatsanwaltschaften aus allen Bundesländern. Justizminister Leeb forderte die anderen Länder auf, sich dieser von Fachleuten aus allen Ländern erarbeiteten Gesetzesinitiative Bayerns zur Beschleunigung der Strafverfahren und zur Stärkung der Inneren Sicherheit in Deutschland anzuschließen.

5. Strukturreform der bayerischen Staatsbäder kommt voran

Finanzstaatssekretär Alfons Zeller berichtete dem Kabinett über den Stand der Neustrukturierung der fünf bayerischen Staatsbäder Bad Kissingen, Bad Reichenhall, Bad Steben, Bad Brückenau und Bad Bocklet. Die vom Kabinett Anfang des Jahres beschlossene Reform der Staatsbäder, die die Übertragung bisher staatlicher Kureinrichtungen auf eine privatrechtliche Betriebsgesellschaftmit dem Freistaat, der jeweiligen Staatsbadkommune und privaten Investoren als Gesellschafter zum Ziel hat, kommt nach Angaben von Staatssekretär Zeller gut voran.

Die Verhandlungen mit den Kurstädten und Gemeinden sind, so Zeller, teilweise bereits weit fortgeschritten. In Bad Brückenau liegt ein zustimmenderStadtratsbeschluß vor, sich an der Kurbetriebsgesellschaft mit 25 Prozent zu beteiligen. In der Marktgemeinde Bad Steben sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. Bad Reichenhall ist grundsätzlich bereit, sich bei einer Betriebsgesellschaft und einer zusätzlich vorgesehenen Marketing-Gesellschaft zu engagieren. Auch in Bad Kissingen ist mit der Beteiligung an einer Betriebsgesellschaft durch die Stadt, die sich bisher schon erheblich mit dem "Kissinger Sommer" engagiert hat, zu rechnen, wenn über noch offene Fragen der weiteren Entwicklung des Staatsbades eine Einigung zwischen Stadt und Freistaat erzielt werden kann.

In Bad Brückenau ist nach Aussage von Staatssekretär Zeller bereits eine Teilprivatisierung gelungen. Dort konnte das bisher mit Verlusten arbeitende staatliche Kurmittelhaus an einen privaten Unternehmer, die Klinik Bavaria Betriebs GmbH, verpachtet werden. Zeller: "Die entsprechenden Verträge sind am 1. Juli 1995 in Kraft getreten, die ersten Erfahrungen sind ermutigend. Der privateUnternehmer hat auch das Personal des Kurmittelhauses voll übernommen, so daß soziale Härten vermieden werden konnten."

Staatssekretär Zeller kündigte weitere Verhandlungen zu einer möglichen Privatisierung der Betriebsteile wie zum Beispiel Kurmittelhäuser, Kurgärtnereien oder -theater und zum Rückzug von Aufgaben, die der Staat bisher für die Staatsbadkommunen wahrnimmt, sowie einen weiteren Bericht hierzu bis Ende 1995 an.

Zurück