Ich möchte dieses Kapitel mit einem Zitat beginnen, das die Einführung der CD-ROM in einen historischen Rahmen stellt und so ihren Einfluß auf Bibliotheken im Gesamtzusammenhang sichtbar werden läßt.
"Die Erfindung des Online-Dienstes in den 70er Jahren verursachte einen gewaltigen Umbruch, der neue Personalfähigkeiten und Ausgaben für das Equipment verlangte, und der neue Arten von Dienstleistungen(z.B. automatisierte SDI) hervorbrachte. Sie erhöhten das Image der Bibliothek und stellten eine völlig neue (Informations-)Quelle zur Verfügung. Nach einiger Zeit stiegen die Fernleih-Aufträge an, was zu einer erhöhten Arbeitsbelastung führte. Die Konsequenzen aus der Schaffung eines CD-ROM-Dienstes erweisen sich als nicht weniger dramatisch."(WHITSED 1989b, S.21)
Zum Einfluß computergestützter bibliographischer Informationsdienste auf die Benutzung von Zeitschriften und die Anzahl von Literaturbestellungen in der BRD vergleiche die Arbeiten von BAHE u. KüHNEN (1980); KRAFT (1983) und LOEBEN u. RUNGE (1983). Im folgenden werde ich einige Auswirkungen der Einführung von bibliographischen Datenbanken im CD-ROM-Format auf die Bibliotheken erörtern.
4.1. Der Einfluß der CD-ROM auf die Print-Version
Hat man sich für die CD-ROM-Version eines Indexes entschieden, taucht im Zeitalter der knappen Sachmittel sofort die nächste Frage auf: Will man die Daten dieses Indexes wirklich zweimal den Benutzern zur Verfügung stellen? Die Papierausgabe scheint überflüssig zu sein, wenn sie nur noch von 2% der Benutzer bevorzugt wird (MILLER 1987, S.207). So könnte Raum und Geld gespart und gleichzeitig die Benutzer sanft gezwungen werden, sich der neuen Technologie zu öffnen. Und in der Tat gibt es Beispiele wo dies so praktiziert wird (vgl. HLAVA u. REINKE 1987). Andererseits werden durch die Einführung der CD-ROM ganz neue Benutzerkreise für die Bibliothek gewonnen, wie FAIRMAN (1991, S.362) beschreibt:
"Es ist aus meiner Erfahrung heraus gewiß, daß Studenten, die sich einem gedruckten Abstract-Service nicht um alles in der Welt nähern würden, nun Schlange stehen, um die CD-ROM benutzen zu können. Als Konsequenz ist es sehr wahrscheinlich, daß (...) alle gedruckten Abstractsbände, die von der ingenieurswissenschaftlichen Fakultät bezogen werden, gekündigt werden und der Etatposten für CD-ROM- Anschaffungen umgebucht wird."
Und er fährt fort:
"Ich glaube jedoch, daß dies nur der Beginn eines noch radikaleren Akzentwechsels sein könnte."
Woher könnte ein Bibliothekar die Rechtfertigung nehmen, eine gedruckte Bibliographie zu behalten, wenn sich doch die überwiegende Zahl der Benutzer für die CD-ROM-Version entscheidet (BARBUTO u. CEVALLOS 1991)? Alle Studien über diesen Punkt belegen, daß erstens der Gebrauch der Papierausgabe nach Einführung der CD-ROM-Version drastisch zurückgeht (REESE 1990b), und daß, wenn einmal die Benutzer eine Computersuche durchgeführt haben, sie nicht mehr willens sind, die gedruckte Entsprechung zu benutzen.
"Studenten werden Stunden, Tage und Wochen warten, um die automatisierten Dienste zu benutzen. Sie widerstehen der bibliothekarischen Vermutung, sie würden anfangen, in gedruckten Indexen und Abstracts zu suchen, während sie auf eine freiwerdende Workstation warten." (BARBUTO u. CEVALLOS 1991, S.224)
Trotzdem scheuen sich viele Bibliothekare aus verständlichen Gründen, eine bereits vorhandene Bibliographie in einem anderen, kostspieligen Format anzuschaffen, die dann aber plötzlich nur noch eingeschränkt und singulär zu benutzen ist. Sie argumentieren aus der Erfahrung heraus, daß eine CD-ROM-Station auch mal besetzt oder anderweitig nicht zugänglich sein kann, für ein weiteres Abonnement der Papierausgabe. Zumindest jedoch solange, bis die entsprechende Datenbank im Netzwerk mehrfachzugriffsfähig vorliegt (SALOMON 1988, REESE 1990). TAYLOR (1989) plädiert ebenfalls dafür, daß wichtige wissenschaftliche Literatur (wie z.B. der Science Citation Index) in mehr als einem Format vorhanden sein sollte. Er begründet dies aber damit, soviele Benutzercharaktere wie möglich ansprechen zu können, denn es gäbe durchaus einige, die lieber ein Buch als eine Tastatur in den Händen halten würden.
Unter den Bibliothekaren herrscht noch ein unklares Meinungsbild vor. In einer Umfrage an US-amerikanischen, wissenschaftlichen Bibliotheken waren 22% der Bibliothekare von einer Verdrängung der Papierausgaben mehrerer großer Bibliographien (41) innerhalb der nächsten fünf Jahre überzeugt, während 36% dies verneinten (SALOMON 1988, S.209). Das Erstaunliche an dem Ergebnis dieser Umfrage war jedoch, wie die Interviewer bemerkten, die Meinungslosigkeit von 42% der Bibliothekare zu einer Fragestellung, die zentrale Arbeitsinhalte betrifft. Eine Umfrage unter 82 niederländischen Bibliotheken ergab ein ähnliches Bild: Jeweils 38% meinten, die CD-ROM würde die entsprechende Papierausgabe verdrängen, bzw. die CD-ROM hätte gar keinen Einfluß auf die Papierausgabe (EGER 1988, S.344).
Interessant und wichtig ist in diesem Zusammenhang die Haltung der Studenten. Nach den Ergebnissen zweier Umfragen sind große Teile von ihnen eher konservativ eingestellt. So sind in der Studie von SCHULTZ u. SALOMON (1990, S.57) 67% der interviewten Studenten gegen eine Kündigung der Printversion, in der Studie von RHOLES u. CALDWELL-WOOD (1987) 47%. Die Begründungen klingen ähnlich wie die der Bibliothekare: Erst wenn Bedingungen garantiert sind, die ihnen einen ungehinderten Zugang zur Datenbank gewährleisten, wie z.B. längere öffnungszeiten und mehr CD-ROM-Stationen, sollten ihrer Meinung nach die Papierausgaben gekündigt werden.
Generell scheint jedoch das Vertrauen in die Dauerhaftigkeit dieser neuen Technologie noch nicht sehr ausgeprägt zu sein (LEHMLER 1990, S.107,146,147). Kommt es jedoch zu einer Vernetzung der CD-ROM-Stationen und damit zu einer Aufhebung der oben genannten Hinderungsgründe, ist der Benutzer nicht mehr zu halten (BARBUTO u. CEVALLOS (1991, S.224):
"Ist es wahrscheinlich, daß Endnutzer gedruckte Indexe und Abstracts benutzen, wenn das CD-ROM-Netzwerk nicht arbeitet? Die Antwort ist 'Nein'."
Nach SALOMON (1988, S.204) wird die prinzipielle Frage, ob eine Datenbank im CD-ROM-Format oder als Printausgabe angeschafft werden soll, durch die drei Faktoren 'cost, currency, and content' bestimmt. Vor diesem Hintergrund ist eine Verdrängung der Papierausgabe durch die entsprechende CD-ROM-Version ausgeschlossen, denn erstens werden die Printindexe im reinen Anschaffungspreis immer billiger sein als jedes andere Medium (COHEN u. YOUNG 1986). Dies gilt auch, wenn die sogenannten versteckten Kosten mit einbezogen werden. Zum zweiten sind nach einer Erhebung von LEHMLER (1990, S.119) die Papierausgaben zumindest der beiden Datenbanken Psychological Abstracts und Index Medicus aktueller als die jeweilige CD-ROM-Version. Was den dritten Punkt - den Gehalt - angeht, werden in der Datenbank MEDLINE ca. 550 Zeitschriften mehr indiziert als im Index Medicus, so daß hier die Printversion schlechter abschneiden würde.
Zwei weitere wichtige Vorzüge der Papierausgabe beruhen auf ihrer prinzipiellen Archivierbarkeit und ihrer Haltbarkeit. Die Archivfunktion der Bibliothek kann nicht mehr gewährleistet werden, wenn nach Vertragsende die Eigentumsrechte an den CD-ROM-Scheiben an den Hersteller zurückfallen. Zum zweiten ist die Haltbarkeit der Papierausgabe als dauerhaft bekannt, die der CD-ROM noch unbekannt und wahrscheinlich wesentlich geringer (nach HAGEMANN (1990) : 10-30 Jahre).
LOOMIS (1987) führte an US-amerikanischen Bibliotheken zwei interessante Versuche durch, um gedruckte Indexe durch elektronische Medien zu ersetzen. Während die vollständige Kompensation der Papierausgabe durch vermittelte Online-Recherchen aus finanziellen Gründen scheiterte (es war einfach zu teuer), war der Ersatz durch die CD-ROM-Version zwar auch kostspielig, bewegte sich aber noch im Rahmen des vorhandenen Etats.
Im Gegensatz zu VAN BRAKEL (1991), der stellvertretend für viele Bibliothekare glaubt, durch Formeln objektive Grenzen festlegen zu können, ab denen es finanziell und personell gerechtfertigt wäre, eine Papierausgabe durch eine CD-ROM zu ersetzen, ist LEHMLER (1990) der realistischeren Ansicht, jenseits aller Formeln und komplexen Kosten-Wirksamkeitsanalysen, müße das jeweilige Ergebnis durch eine Prioritätensetzung der einzelnen Bibliothek mit Sinn gefüllt und pragmatisch interpretiert werden.
Fällt eine Entscheidung trotzdem schwerer als erwartet, kann die nicht mehr benötigte Papierausgabe "auf Verdacht" abbestellt werden. Wenn sich der Trend zur CD-ROM wider Erwarten umkehren sollte, könnten ja die entstandenen Lücken leicht ergänzt werden (SüHL-STROHMENGER 1992b, S.847).
Blickt man zwanzig Jahre zurück, stellt man fest, daß Anfang der 70er Jahre die Verleger der Print-Bibliographien auch schon um ihre Existenz und die ihrer Produkte fürchteten, da die Online-Datenbanken als große Konkurrenten im Wachsen begriffen waren. Damals wie heute werden sich die Medien nicht gegenseitig verdrängen, meint TENOPIR (1991), denn ebenso wie sich ein eigener Onlinemarkt entwickelt hat, wird sich auch ein CD-ROM-Markt bilden.
Nur zwei der zehn befragten Bibliotheken des deutschsprachigen Raums hatten nach Einführung der MEDLINE-CD-ROM den Index Medicus abbestellt. Beide Bibliotheken gaben an, daß sie für den Kauf der CD-ROMs an dieser Stelle sparen müßten. Eine dieser Bibliotheken kündigte nur ein Exemplar des zuvor doppelt subskribierten Indexes. Die Vermutung liegt nahe, daß sich diese Bibliothek die Daten der MEDLINE-Datenbank -trotz der hervorragenden Verfügbarkeit auf dem CD-ROM-Netzwerk - in dem verläßlichen und gut archivierbaren Papierformat sichern wollte. Zusammenfassend ist zu konstatieren, daß die Entscheidung, welches der drei Formate man den Benutzern zur Verfügung stellen soll, nicht prinzipiell getroffen werden kann, denn "... es hängt alles von den Begleitumständen ab. Was am deutlichsten ist, ist, daß es nicht leichter werden wird, eine Entscheidung (zw. Print, CD-ROM und Online) zu treffen, und daß es in allen Fällen für Hersteller, Benutzer und Bibliothekare eine Balance zwischen Vor- und Nachteilen gibt."(BRINDLEY 1988, S.24)
4.2. Der Einfluß der CD-ROM auf vermittelte Online-Recherchen
In einer Sammlung von Studien zur Einführung der Datenbank MEDLINE auf CD-ROM in zahlreichen Bibliotheken der USA (MEDLINE on CD-ROM... 1989) ergab die Auswirkung der CD-ROM auf die Zahl der vermittelten Online-Recherchen ein äußerst uneinheitliches Bild. Während viele Bibliotheken einen deutlichen Zurückgang verzeichneten, gab es bei einigen keine änderung und bei manchen stieg die Recherchezahl. Daß sich keine klare Tendenz durchsetzte, lag vermutlich an der kurzen Dauer der Testphase der CD-ROM-Versionen. Sie betrug bei den meisten Bibliotheken nur einige wenige Monate. Eine genaue Analyse der Literatur der letzten Jahre zu diesem Punkt, macht jedoch einen deutlichen Trend sichtbar:
In den allermeisten Bibliotheken sinkt die Anzahl der Online-Recherchen signifikant ab (vgl. ANDERS u. JACKSON 1988; MILLER 1989; LEHMLER 1990; WEE 1990; BROWN 1991; RAO 1991; WIßMANN 1991). So wird in sieben der 19 im Buch "Public access CD-ROM in libraries: case studies" (1990) veröffentlichten Studien von einem Rückgang berichtet, nur zwei verzeichnen ein Gleichbleiben oder Ansteigen der Recherchezahlen. Ein Nachlassen der Online-Recherchen um über 80% scheint keine Seltenheit zu sein (CREA et. al. 1992; NAHL-JAKOBOVITS u. TENOPIR 1992).
Diese Entwicklung wird auch in der Bundesrepublik Deutschland bobachtet. So konstatiert JAMMERS (1991) die Entwicklung des Jahres 1990 in NRW und kommt zu dem Schluß, daß sich der bisherige Trend der Steigerung der vermittelten Online-Recherchen nicht fortgesetzt habe. Er fährt fort, daß diese Entwicklung besonders im Fachbereich Medizin auf die Einführung der CD-ROM-Version der Datenbank MEDLINE zurückzuführen sei. Bei den in seinem Bericht festgestellten Wartezeiten von bis zu 2 Wochen für eine Online-Recherche nimmt diese Benutzermigration nicht wunder.
Die Bibliotheken, die keine sinkenden Online-Recherchezahlen verzeichnen, sind oft entweder Firmenbibliotheken, für die traditionellerweise die Informationsvermittlung schon immer im Vordergrund gestanden hat (TENOPIR 1991), oder aber Bibliotheken, bei denen die Recherchen durch eine Subventionierung kostenlos für die Benutzer angeboten werden kann (BERNAL u. RENNER 1990). In beiden Bibliothekstypen sind die Benutzer weitestgehend finanziell unabhängig. Der andere Personenkreis, der auf großzügige Unterstützung rechnen kann, ist der Kreis der Hochschulangehörigen, der Wissenschaftler und der Mediziner. Die Bezahlung ihrer Recherchen wird in aller Regel vom Institutsetat übernommen. Dies wirkt sich auf das Benutzungsverhaltens aus, als ob umsonst recherchiert werden würde. In Situationen, wo die finanzielle Seite für den Benutzer eine große Bedeutung hat, wie z.B. bei Studenten, ist die Kostenfreiheit der wichtigste Grund, die CD-ROM zu benutzen.
Eine Bibliothekspolitik des sanften Zwanges zur neuen Technologie wird von ANDERS u. JACKSON (1988) und MOORE (1990) beschrieben. Die auf CD-ROM vorhandenen Datenbanken werden grundsätzlich nicht mehr als vermittelte Recherche angeboten. Dieser aus finanziellen Gründen notwendige Schritt einiger US-amerikanischer Bibliotheken sollte nur wohlüberlegt nachgeahmt werden, denn die Nachteile, z.B. in Form einer dadurch abgeschreckten wissenschaftlichen Benutzerschar, sind unübersehbar.
Diejenigen, die der Online-Recherche fernbleiben, sind aus verständlichen Gründen hauptsächlich Studenten der ersten 4-6 Semester. Sie äußern keine Unzufriedenheit mit der Recherche der Bibliothekare, im Gegenteil, sondern werden vor allem durch die Kosten und Umständlichkeit der vermittelten Recherche von der Benutzung abgehalten (LEPOER u. MULARSKI 1989). ANDERS u. JACKSON (1991) finden in ihrer Untersuchung ein Jahr nach Einführung der CD-ROM keinen einzigen Studenten mehr, der sich bei einem Informationsvermittler für eine teure Stunde einen Termin holt, wo er doch dasselbe mit wesentlich mehr Spaß auf der CD-ROM alleine machen kann. Da ist es denn auch nicht verwunderlich, daß die nun übriggebliebenen, höherqualifizierten Benutzer entsprechend kompliziertere Suchen durchführen, die deswegen auch immer länger dauern (DYER 1991; GADIKIAN u. STIEVATER 1992).
Ein weiterer sekundärer Effekt der CD-ROM-Einführung ist, daß die Benutzer aufmerksamer für - elektronische - Informationsquellen werden. Zudem steigt das Image der Bibliothek durch die Einführung der CD-ROM enorm an. Beide Arten der Bewußtseinsveränderung können dazu führen, daß neue Benutzergruppen die Online-Recherchen in Anspruch nehmen, wie DAVIDOFF u. GADIKIAN (1991) gezeigt haben. Auch BERNAL u. RENNER (1990) konstatieren, daß durch die Einführung der CD-ROM das Vertrauen der Benutzer in das Können der Bibliothekare gewachsen ist und nun auch die Informationsvermittlungsstelle häufiger genutzt wird als zuvor.
Daß die Online-Recherche durch die CD-ROM demystifiziert wird und auch deswegen mehr Zulauf erhält, kann nach den Studien von M.S. u. L.R.FOULDS (1991) nicht mehr bezweifelt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die vermittelten Online-Recherchen mengenmäßig zunehmen, im Gegenteil, ihre Anzahl nimmt anscheinend - vor allem in den Universitätsbibliotheken - sukzessive ab, um sich auf einem niedrigeren Niveau zu stabilisieren (BERNAL u. RENNER 1990). Der Bedarf für einen versierten Informationsvermittler ist also weiterhin vorhanden.
Alle zehn Bibliotheken, die vom Autor in einer eigenen Umfragestudie untersucht wurden, boten die Datenbank MEDLINE nicht nur im CD-ROM-Netzwerk an, sondern zusätzlich als vermittelte Online-Recherche bei dem Host DIMDI. Sechs dieser Bibliotheken verzeichneten einen mehr oder weniger deutlichen Rückgang der vermittelten Online-Recherchen nach Einführung von CD-ROM- Einzelplätzen. Die Recherchezahlen nach Einführung der CD-ROM sanken auf Werte von 42 bis 78%. Nach Einführung des CD-ROM-Netzwerks war in vier dieser Bibliotheken nochmals eine deutliche Abnahme der vermittelten Online-Recherchen festzustellen, drei von ihnen gaben die Recherchehäufigkeiten mit 36, 36 bzw. 44% (in Prozent des Ausgangswertes) an, die vierte bezeichnete die Zahl der noch verbleibenden Recherchen als "gering".
Eine Bibliothek machte detailiertere Angaben über die Abnahme der Online- Recherchen. Nach Einführung des ersten CD-ROM-Platzes sank die Zahl der Recherchen auf 81%, nach Einführung des zweiten Platzes auf 55%, nach der Einführung des CD-ROM-Netzwerks waren noch 44% der Recherchen zu verzeichnen. Die Abnahme der Inanspruchnahme der IVS scheint also in zwei Abschnitten zu verlaufen. Die erste Phase fällt mit der Einführung des CD-ROM-Systems zusammen, die zweite anscheinend mit der zunehmenden Befriedigung der Nachfrage, sei es durch Vermehrung der CD-ROM-Einzelplätze, sei es durch Einführung des CD-ROM-Netzwerks. Es kann vermutet werden, daß alle Benutzer, die von den Online- zu den CD-ROM-Recherchen überwechseln wollen, dies erst dann mit ihrer Gesamtheit vollziehen werden, wenn genügend CD-ROM-Plätze vorhanden sind. Inwieweit die benutzerfreundlichen Recherchemöglichkeiten im Netzwerk zu der Abnahme der vermittelten Recherchen in der zweiten Phase beitragen, kann aber anhand der vorliegenden Zahlen nicht schlüssig bewiesen werden.
Eine weitere Bibliotheke gab die Abnahme der vermittelten Recherchen undifferenziert nach Einzelplatz oder Netzwerk pauschal mit 50% an. Zwei Bibliotheken konnten keine Angaben machen, weil die vermittelten und die CD-ROM-Recherchen nahezu gleichzeitig eingeführt wurden. Bei beiden Bibliotheken handelte es sich um Institutionen der neuen Bundesländer.
4.3. Der Einfluß der CD-ROM auf die Fernleihe und die Zeitschriftenbenutzung
Die erhöhte Benutzung primärer Informationsquellen
seit
Einführung der CD-ROM wird am deutlichsten, betrachtet
man
die Statistik der Fernleihe und der Zeitschriftenbenutzung.
Viele
Benutzer denken, was sie auf der CD-ROM finden, gibt den
Bestand
ihrer Bibliothek wieder. Sie sind verständlicherweise
enttäuscht, wenn sie feststellen, daß dem nicht so
ist. "Es ist nur natürlich für einen
Bibliotheksbenutzer, der eine bibliographisches Zitat gefunden
hat, von der Bibliothek zu erwarten, daß sie das
Originaldokument auch zur Verfügung stellt." (BARTENBACH
1987)
Dies ist jedoch nicht einfach, da momentan eine Phase der stagnierenden Bibliotheksetats bei gleichzeitig stark steigender Zeitschriftenpreise herrscht (PETERS 1992). Für jeden Zeitschriftentitel, den eine Bibliothek neu bestellt, muß sie mindestens einen anderen abbestellen. In einer Zeit der wachsenden Zeitschriftenzahl führt dies zu einer relativ zur Gesamtzahl kleineren Auswahl vor Ort (MOORE 1990), was in Zusammenwirkung mit der gewachsenen Nachfrage zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Fernleihe führt (WEE 1990, S.577). Untersuchungen in US-amerikanischen Bibliotheken sprechen eine eindeutige Sprache: REESE (1990) berichtet von einer 3-fachen Steigerung innerhalb von zwei Jahren und führt dies teilweise auf die Einführung der CD-ROM zurück. MOORE (1990) hat eine Steigerung von 112% in drei Jahren bei der Zeitschriftenbenutzung beobachtet, aber nur eine von 47% bei Büchern. Gerade diejenigen Zeitschriftentitel, die auf der CD-ROM-Datenbank indiziert waren, wurden besonders häufig verlangt. Die Folge war, daß die Studenten statt 10-14 Tage nun 3-4 Wochen auf die Erledigung ihrer Fernleihbestellung warten mußten.
Ein Bibliothekar beklagt sich über diese Entwicklungen mit folgenden Worten: "Wir haben große Fortschritte im Zugang zur Literatur gemacht, aber wir waren nicht so gut auf der Seite der Verfügbarmachung der Dokumente. (...) Das frustriert den Benutzer, weil sie bessere Literatur 'da draußen' sehen, aber nicht fähig sind, zu ihr zu gelangen." (TENOPIR u. NEUFANG 1992, S.60)
ZINK (1991) weiß diese Auswirkung der CD-ROM historisch einzuordnen, wenn er darauf hinweist, daß in den 70er Jahren bei der Einführung der Online-Dienste genau dieselbe Erhöhung der Fernleihzahlen zu verzeichnen gewesen war (vgl. BAHE u. KüHNEN 1980).
In einer Umfrage unter 40 Bibliotheken Ontario's, von denen 23 mit CD-ROM bestückt waren, gaben 29% der 'Community College Libraries' an, die Zahl ihrer Fernleihbestellungen würde seit Einführung der CD-ROM ansteigen, keine einzige Bibliothek stellte die entgegengesetzte Tendenz fest. Bei den Universitätsbibliotheken verzeichneten sogar 42% eine Erhöhung, 33% stellten dagegen keinen eindeutigen Trend fest (GOETTLER et. al. 1990, S.65,67). Bei der Zeitschriftenbenutzung vermerkten 14% der 'Community College Libraries' eine Erhöhung durch die CD-ROM, während ebenfalls 14% dies verneinten. In den Universitätsbibliotheken hingegen stieg die Zeitschriftenbenutzung in der Hälfte der Fälle, keine Bibliothek verneinte diese Erhöhung.
Das Ergebnis dieser Umfrage deutet darauf hin, daß durch die Einführung der CD-ROM die Zeitschriftenbenutzung generell ansteigt (42). Während die Universitätsbibliotheken dank ihrer hervorragenden Zeitschriftensammlungen den größten Bedarf vor Ort befriedigen können, sind die 'Community College Libraries' wegen ihres kleineren Bestands stärker auf Fernleihbestellungen angewiesen.
Die Resultate der Studie von MUSSER u. CONKLING (1991, S.111) über den sofortigen und dramatischen Anstieg des Gebrauchs einer Kollektion technischer Berichte nach Einführung der NTIS-CD-ROM legen nahe, daß
"... der Gebrauch einer Sammlung (...) eine Funktion der Leichtigkeit des Zugangs zu dem Material der Sammlung (ist). (...) Zuvor waren die technischen Berichte eine akzeptable Informationsquelle, durch Anwesenheit der CD-ROM wurden die technischen Berichte eine bevorzugte Resource."
Bei den teilweise zu beobachtenden Steigerungsraten von bis zu 200% im Jahr, ist es nur logisch, daß die Fernleihabteilungen dieser Universitäten überlastet sind. Folgende Maßnahmen werden von den einzelnen Bibliotheken ergriffen, um die Fernleihe zu entlasten:
Zur Eindämmung der Bestellflut kommt entweder eine Beschränkung der Fernleihbestellungen durch Gebühren(CORNISH 1991) oder das Verweisen an andere Bibliotheken (WHITSED 1988a) in Frage. Eine Erhöhung der Personalkapazität der Fernleihstelle (GOETTLER et. al. 1990) oder eine Erhöhung der Zahl der Zeitschriftentitel, um den gestiegenen Bedarf vor Ort decken zu können, ist wie oben angemerkt eher unwahrscheinlich, wird aber auch beobachtet (MOORE 1990). An der Erindale Bibliothek in Toronto wird wegen der erhöhten Nachfrage die gesamte Fernleihabteilung umstrukturiert und mit mehr Personal versehen (GOETTLER et. al. 1990). Vereinzelt ist eine veränderte Aufbewahrungspolitik als Reaktion auf die erhöhte Zeitschriftenbenutzung durch Einführung der CD-ROM anzutreffen. Einige der auf der CD-ROM indizierten Zeitschriften und Zeitungen wurden früher, nicht gebunden, sondern wegen finanziellen und personellen Engpässen nach einiger Zeit makuliert. Nach Einführung der CD-ROM stieg die Nachfrage nach diesen Titel jedoch so stark an, daß sie nun gebunden und aufbewahrt werden. Zusätzlich werden die Lücken rückwärts auf Mikrofiche ergänzt.
In einer anderen Bibliothek wird bei Abgabe des Fernleihzettels überprüft, ob eine Bibliothek mit Faxgerät diesen Titel besitzt. Der Benutzer weiß dann sofort, wann er mit einem Eintreffen der Originalarbeit rechnen kann, außerdem erspart dieser Verwaltungsvorgang wertvolle Personalzeit (MOORE 1990) (43).
Eine elegante Lösung, die aber nicht ohne Fallstricke ist, versprechen HOLMES et. al. (1992) von der Firma ARIES (Produkt: KnowledgeFinder). Sie arbeiten an einer Software, die es ermöglichen soll, direkt von der CD-ROM aus Fernleihbestellzettel auszudrucken. Ich befürchte nur, wenn es dem Benutzer so einfach gemacht wird, werden die Bestellungen über die Kapazität der Fernleihstelle hinaus ansteigen.
TAYLOR (1989) prognostiziert, daß die Verfügbarkeit von Kurzreferaten auf CD- ROM schon einen Großteil der Informationswünsche befriedigen würde, der verbleibende Rest könnte besser auf die wenigen wirklich wichtigen Arbeiten selektiert werden. Die Folge wäre eine Reduzierung der Fernleihbestellungen in Fachgebieten mit einer hohen Abstractabdeckung. Dies wäre besonders in der Medizin der Fall, wo die zentrale Datenbank MEDLINE mit einem hohen Abstractanteil (60% nach KALTENBORN 1989, S.340) einen großen Teil des Informationsbedarfs abdecken würde.
Andere Bibliotheken benutzen die auf der CD-ROM vorhandenen Abstracts, um dem Benutzers bei einer Fernleihbestellung vorab etwas anbieten zu können. Wenn er dann doch die Originalarbeit haben will, wird erst in diesem Moment die Fernleihbestellung auf den Weg gebracht. Nach LOEBEN u. RUNGE (1983, S.96) begnügen sich allerdings die wenigsten Benutzer mit einem Abstract. Er würde ihnen lediglich dazu dienen, eine Entscheidung über die Relevanz des Zitats zu treffen. Eine weitere Lösung der oben genannten Problematik stellen die Local Library Holdings (LLH) dar, die den Zeitschriftenkatalog der Bibliothek in elektronischer Form repräsentieren. Die LLH beruhen auf einer Software, deren Vorteil es ist, die lokalen Bestandsnachweise mit den Daten der CD-ROM automatisch abgleichen zu können. Der Benutzer wird so darüber informiert, welche Zitate seines Suchergebnisses in der Bibliothek vorhanden sind, wie er diese findet (Signatur, Standort, zeitliche Abdeckung) und welche Zeitschriften seine Bibliothek überhaupt besitzt. Zahlreiche weitere CD-ROM-Hersteller bieten mit der neuesten Version ihrer Retrievalsoftware ebenfalls die Möglichkeit lokaler Zeitschriftenlisten an, hierbei gilt es zu prüfen, inwieweit eigene Arbeiten zu leisten sind. Zumindest die Universitätsbibliothek Marburg und die TH-Bibliothek Aachen haben in Eigenregie Programme zum automatischen Titelabgleich entwickelt. Das Marburger Programm MARSUCH (KALTENBORN 1989) läuft im CD-ROM-Einzelplatz, das Aachener Programm (geschrieben mit Pascal) ist in die Menüoberfläche des Netzwerk-CD-Managers eingebunden und kann nach erfolgter Recherche von dort aufgerufen werden. Es bedient sich der Daten der ZDB, die über die Informationsvermittlungsstelle abgerufen und in eine Allegro-Datei importiert werden.
Bei der Bibliotheksumfrage stellte sich heraus, daß zwei Bibliotheken den Benutzer schon durch das Angebot einer Zeitschriftenliste (LLH) unterstützen, fünf weitere planten eine solche Installation, nur drei Bibliotheken verneinten diese Frage.
Der direkte Zugang zu den Literaturzitaten mit Hilfe der CD-ROM hat eine grundlegende Schwachstelle unseres Bibliothekssystems deutlich hervortreten lassen: Das Ungleichgewicht zwischen dem Zugang zu und der Sammlung von Information. Außer für hochspezialisierte Sammelgebiete der größsten Bibliotheken macht es heutzutage angesichts wachsender Zeitschriftentitel und -preise wenig Sinn, immer mehr Geld in immer unvollständigere Zeitschriftensammlungen zu investieren (vgl. DEMPSEY 1991, S.144). FAIRMAN (1991, S.362) sieht einen Ausweg aus diesem Dilemma:
"Das Netzwerk hat einen Quantensprung in der Bereitschaft der Benutzer bewirkt, sekundäre Quellen zu benutzen. Dies beginnt einen Trend praktisch zu machen, über den lange in Bibliotheken geredet wurde, nämlich sich von der Aufbewahrungspolitik zur Politik der Zugänglichkeit fortzubewegen. Die Bestände könnten auf die stark verlangten Titel konzentriert werden, während die seltener gebrauchten Abonnements zugunsten der Fernleihe und CD-ROM-Abonnements gekündigt werden könnten."
Die Auswertung der Benutzerfragebögen läßt nicht auf eine überzogene Inanspruchnahme der Fernleihe schließen. über die Hälfte der Benutzer (58%) gab an, keine Fernleihbestellungen durchzuführen, der Durchschnitt lag bei 2,5 Bestellungen pro Recherche. Schließt man die Benutzer der ZB Medizin in Köln aus, von denen natürlich keine Fernleihbestellungen angegeben wurden, dann erhöht sich der Mittelwert auf 4 Bestellungen pro Recherche, was dem Wert der 'Einzelplatz-Benutzer' (5) nahekommt. Von den 12.210 recherchierten Zitaten aller Benutzer wurden - nach ihrer Angabe - insgesamt 633 in anderen Bibliotheken bestellt, dies entsprach in etwa einer Quote von 5%. Ein Vergleich der Benutzerangaben mit der tatsächlich bestellten Artikelzahl - durchgeführt am Beispiel der Zweigbibliothek der Medizin in Aachen - ergibt folgendes Bild: Bei 18.000 Recherchen im Jahr müßten 18.000 * 4 = 72.000 Bestellscheine für die Fernleihe abgegeben worden sein. In Wirklichkeit waren es aber nur ca. 9.000, d.h. mit 0.5 pro Recherche nur etwa ein achtel des von den Benutzern angegebenen Wertes. Das kann entweder darauf hinweisen, daß die Benutzer ihre Fernleihbestellungen achtfach überschätzt hatten, oder aber daß von ihnen eine hohe Zahl von Recherchen 'nebenher' durchgeführt wurde, über die sie keine Angaben gemacht hatten.
4.4. Der Einfluß der CD-ROM auf das
Bibliothekspersonal
4.4.1. Arbeitsbelastung
Oft steht die Einführung neuer Technologien als Mittel der Rationalisierung im Dienste der Arbeitsplatzersparnis, bei statischer Personalzahl im Dienste der Personalentlastung und Arbeitsbeschleunigung (44). Dies mag für spezielle technische Dienstleistungsbereiche zutreffen, in einer Bibliothek jedoch, wo die fortgeschrittene Technik auf eine unvorbereitete öffentlichkeit (und teilweise auf unvorbereitete Bibliothekare) trifft, muß immer mit einem Anstieg der Personalbelastung gerechnet werden, schon allein aufgrund des gestiegenen Hilfsbedarfs des Benutzer, wie ZINK (1990, S.54) zu bedenken gibt: Ausgefeilte Retrievalsysteme verlangen nach geschultem Personal, das bereitstehen muß, um dem Benutzer rund um die Uhr zu assistieren. TENOPIR u. NEUFANG (1992, S.54) führten ausführliche Gespräche mit Bibliothekaren aus 96 US-amerikanischen Bibliotheken. Fast jeder dieser Interviewten gab an, daß der Auskunftsbereich seit Einführung der CD-ROM lebhafter geworden sei. Nach einer anderen Umfrage in US-amerikanischen Bibliotheken erwarteten 58% der Bibliothekare eine Erhöhung ihrer Arbeitsbelastung, nur 10% nahmen dies nicht an (SALOMON 1988). Zink (1991) warnt davor, über der Einzigartigkeit der CD-ROM und ihrer enthusiastischen Nutzerakzeptanz die menschlichen Resourcen zu unterschätzen, die zu ihrer Aufrechterhaltung notwendig sind.
FAIRMAN (1991) beklagt, daß nicht nur sporadische Arbeiten das Personal belasten, wie das mehr oder weniger zufällige Auftreten von technischen Schwierigkeiten und Hilfestellungen für Benutzer, sondern gerade die regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben einen Großteil der Arbeit ausmachen. Dies beinhaltet z.B. die Ausgabe und Rücknahme der CD-ROM-Scheiben, das Laufen zu den Stationen, um die CD-ROMs zu installieren und das Eintreiben von Gebühren.
Letzter Punkt, das Erheben von Gebühren, kann zu einer nicht zu unterschätzenden Personalbelastung werden. In der Charing Cross and Westminster Medical School London wurde wegen der Unzumutbarkeit für das Personal die finanziell wünschenswerte Lösung der Gebühreneintreibung verworfen (WHITSED 1989b). Aus demselben Grund vertraut man - notgedrungen - dem Benutzer die CD-ROM-Scheiben an, statt sie über die Bedienungstheke zu verwalten.
Eine Hauptursache der Erhöhung der Personalbelastung sind die immer und immer wiederkehrenden gleichen Fragen der Benutzer. Doch trotz ausgefeilter Schulungsmaßnahmen, um die Zahl der Fragen zu verringern (45) (DYER 1990), kommen mehr und mehr hilflose Novizen oder in trickreichen Suchstrategien steckengebliebene 'erfahrene' Benutzer an die Bedienungs- oder Auskunftstheke, um zu den zahlreich geführten Fragestatistiken beizutragen (so berichtet MOORE von 54.000 gezählten Fragen innerhalb eines Jahres in seiner Bibliothek, 1990). Keine Studie über die Auswirkungen der CD-ROM erscheint, ohne eine spürbare Erhöhung der Fragenzahl zu konstatieren (z.B. SILVER u. DENNIS 1990) (46). Der Anteil der 'CD-ROM'-Fragen an der Gesamtzahl aller Fragen kann u.U. bis zu 40% betragen (REESE 1990).
Nicht nur die Zahl, auch die Art der Fragen scheint sich seit Einführung der CD-ROM zu ändern. So benötigen die CD-ROM-Benutzer im Gegensatz zu den Benutzern der Papierausgaben, die sich auch mal selber helfen können, über die ganze Dauer der öffnungszeit hinweg einen qualifizierten Ansprechpartner, den sie um Hilfe bitten können, und ohne dessen Gegenwart oft eine Recherche gar nicht erst unternommen wird. Wenn dann eine Hilfestellung gegeben wird, dauert diese durchschnittlich länger als bei Fragen, die die Papierausgabe betreffen (JAHNKE 1985). MOORE (1990) resümiert, daß alle diese Faktoren zu einem extra Zeitbedarf für die CD-ROM-Kunden beitragen, während die 'normalen' Kunden nicht abgefertigt werden können.
Ein weiterer Weg, um die Arbeitsbelastung zu verringern, wird von DEENEY (1990) beschrieben. Ausgehend von den Analysen von ALURI u. ST.CLAIR (1978), daß nur 20% aller Fragen einen ausgebildeten Bibliothekar zur Beantwortung benötigten, und der Untersuchungen von KOK u. PIERCE (1982), daß nur 0.7% der Fragen in die Tiefe gingen, entwickelte sie ein Programm, um die wertvolle Arbeitszeit der Bibliothekare durch billigere, 'ungelernte' Arbeitskräfte, sog. 'Paraprofessionelle' zu ersetzen. Diese Methode wird in US-amerikanischen Universitäts-Bibliotheken angewendet,obwohl die Schulung der Studenten sehr zeitintensiv ist. Um die kostbare Personalzeit zur Schulung dieser Paraprofessionellen einzusparen, können 'selfpaced tutorials' eingesetzt werden. Zur überprüfung des Fortschritts und zur Auswahl der geeigneten Studenten findet ein schriftliches Fragenpaket Verwendung (REESE 1990).
Um die Personalbelastung auf eine größere Zahl von Schultern zu verteilen, hat die Charing Cross u. Westminster Medical School folgende Möglichkeit gewählt:
Eine Abteilung der Schule läßt durch einen versierten CD-ROM-Researcher Mitglieder der Abteilung trainieren und in ihrer Suchstrategie beraten. Sie führen auch Recherchen für diejenigen durch, die nicht selber recherchieren wollen (WHITSED 1989a). COTTON (1986) bezeichnet diese Zwischenglieder als Türöffner und Wissensmultiplikatoren, die sich nach und nach zu 'de facto'- Informationsvermittler herauskristallisieren werden.
Die Demokratisierung der Zugänglichkeit der Information durch die CD-ROM hat zu vielfachen Anläufen geführt, das Verhalten der Benutzer zu analysieren. Dazu sind Untersuchungen mit zahlreichen Beobachtungen, Fragebögen und Interviews nötig, die einerseits in Plannung, Ausführung und Auswertung viel Arbeitszeit verschlingen, andererseits aber auch zu einem äußerst befriedigenden Verständnis der Benutzer und damit zu weniger frustrierenden Erfahrungen führen. Eine weitere, nicht zu unterschätzende Aufgabe des Bibliothekars ist, wie VAN BRAKEL (1991) betont, die "Auswahl der passenden Quelle, zur richtigen Zeit, für den richtigen Klienten, zu den richtigen Kosten". Er legt im weiteren Wert darauf, daß die Entscheidung, die richtige CD-ROM zu finden, mehr bedingt als bloßes Auswählen von Büchern oder sonstigen Informationsquellen. Wegen der komplexeren Dimension der CD-ROM müßten dafür die Fähigkeiten des Informationsfachmanns verbessert werden (47).
Wird ein CD-ROM-Netz installiert, nehmen die technischen Probleme eher zu als ab. Ganz abgesehen von der Frage der Auswahl zwischen den Systemen, die sehr schwierig zu entscheiden ist, überfordert die Komplexizität der CD-ROM-Technologie selbst viele EDV-Fachkräfte in den Bibliotheken, von den Bibliothekaren ganz zu schweigen. Von der Betreuung eines CD-ROM-Netzwerkes durch Bibliothekare der UB Regensburg weiß HüBNER (1992) ein "Klagelied" zu singen. Hauptprobleme waren für sie:
1) Das fehlende Knowhow auf Seiten der Bibliothekare,
2) die oft fehlende EDV-technische Unterstützung,
3) veraltete PCs mit zu geringem Arbeitsspeicher,
4) defekte Laufwerke, Verkabelungen, inkompatible
Hardware.
CANNELL (1989) faßt die Problematik der CD-ROM-Einführung für die Personalbelastung in folgenden Worten zusammen:
"In einer Zeit der abnehmenden Etats und Personalreserven, hat dies (der Benutzeransturm auf die CD-ROM) unzweifelhaft zu kurzfristigen Schwierigkeiten geführt, mit einem ansteigenden Bedarf, der dem Personal zusätzliche Belastungen aufbürdete, besonders denjenigen, die direkt mit dem Benutzer zu tun haben. Jedoch ist es für den langfristigen Nutzen der Bibliothek wichtig, solche erfolgreichen neuen Dienstleistungen einzuführen."
Die an der Umfrage beteiligten zehn Hochschulbibliotheken wurden danach gefragt, wieviele zusätzliche Stunden sie seit der Vernetzung der CD-ROM für diese aufwenden mußten. Während eine Bibliothek eine Arbeitserleichterung von 10 Stunden die Woche konstatierte, gaben fünf Bibliotheken eine Erhöhung des Arbeitsaufwandes um 1, 4, 5, 6-8 bzw. 60(!) Stunden/Woche an, zwei weitere antworteten mit "mehr" bzw. "+40%". Die verbleibende Bibliothek machte keine Angaben zu dieser Frage. Die Vernetzung einzelner CD-ROM-Plätze scheint den Arbeitsaufwand für das Personal nicht - wie von den Unterhaltsträgern erwartet - reduziert zu haben; es zeichnet sich im Gegenteil eine steigende Arbeitsbelastung in der Mehrzahl der befragten Bibliotheken ab. Dieser Trend scheint zunächst unverständlich, da arbeitsintensive Tätigkeiten wie die Verwaltung der einzelnen CD-ROM-Scheiben, die Installation neuer Software an jedem einzelnen Platz und weitere Wartungsarbeiten im CD-ROM-Netzwerk zusammengefaßt und nur noch an einer Stelle durchgeführt werden können. Die Fragen der Benutzer scheine auch weniger geworden zu sein(s.o.).
Die Beantwortung der Frage 24 des Bibliotheksfragebogens: "In welchen Bereichen hat der Arbeitsaufwand zugenommen?" kann vielleicht eine Erklärung dieses Phänomens liefern. Von acht bzw. sieben Bibliotheken wurde angegeben, daß die Schulung der Benutzer bzw. das Verfassen von Bedienungsanleitungen zusätzliche Arbeit verursacht. Die Wartung des CD-ROM-Systems und die Installation neuer CD-ROMs wurde dagegen nur von je sechs der zehn Bibliotheken als vermehrte Belastung empfunden. Jeweils vier Bibliotheken gaben an, daß sie für Personalschulung und Verwaltung seit Einführung der CD-ROM einen erhöhten Aufwand betreiben würden. Einer der Gründe für den stärkeren Aufwand in Form von Einführungen, Anleitungen und Beantwortung von Benutzerfragen scheint zu sein, daß das CD-ROM-Netzwerk in vielen Bibliotheken nicht nur die bereits vorhandenen CD-ROM-Einzelplätze vernetzt, sondern darüber hinaus zusätzliche CD-ROM-Stationen in der Bibliothek bereitgestellt hat.
Eine der Folgen ist, daß mit der Zahl der Arbeitsplätze auch die der Benutzer steigt. Der andere Grund liegt sicher in der zunehmenden technischen Kompliziertheit eines CD-ROM-Netzwerks, verglichen mit dem Betrieb eines Einzelplatzgeräts, wie oben erwähnt. Die Klagen der Bibliotheken und Benutzer über häufige Systemabstürze, vor allem bei hoher Beanspruchung, legen ein beredtes Zeugnis für die Unausgereiftheit dieser Technik ab.
Dagegen wird von der Hälfte der Bibliotheken eine verringerte Belastung durch Rückgang der vermittelten Online-Recherchen notiert. Die angegebene Entlastung der Informationsvermittlungsstelle reicht von 2 bis 12 Stunden/Woche. Zwei weitere Bibliotheken zeigten zwar gesunkene Recherchezahlen an, aber interessanterweise keine reduzierte Arbeitsbelastung der Informationsvermittlungstelle.
Die Betreuung des CD-ROM-Netzwerks mußte von drei der untersuchten Bibliotheken nicht selber übernommen werden. Entweder lag die Verantwortung für das Funktionieren des Betriebs in den Händen einer Wartungsfirma oder wurde vom EDV-Zentrum der Universität oder des Großklinikums übernommen. Zwei dieser Bibliotheken gaben denn auch keinen durch die CD-ROM-Einführung gewachsenen Arbeitsaufwand an.
4.4.2. Rolle und Selbstverständnis des Bibliothekars
"Das sind sehr interessante, turbulente, unklare und sehr beunruhigende Zeiten, um ein Bibliothekar zu sein. Ein Grund (dafür) ist, daß heute viel Information entinstitutionalisiert und entmaterialisiert wird. Viele der Quellen für aktuellste Information haben ihre statischen und beständigen Qualitäten verloren und sind interaktiv und veränderbar geworden." (MATHESON 1984)
Wie reagiert das Bibliothekspersonal auf die Einführung der CD-ROM? Einiges ist sicher schon in den vorhergehenden Kapiteln angeklungen. Eine der Fragen dieses Kapitels wird sein, ob die Bibliothekare wirklich mit Mißtrauen auf jede neue Technologie reagieren, wie KUSACK (1988) es berichtet. Das Ergebnis einer Umfrage unter US-amerikanischen Bibliothekaren scheint KUSACK recht zu geben. Sie förderte eine gewissen Angst (48) zutage, daß die CD-ROM die Arbeitsverantwortlichkeiten der Bibliothekare zu ihren Ungunsten verändern würde (SALOMON 1988).
"änderungen erzeugen Ungewissheit. Diese Ungewissheit und das Fehlen von Sicherheit verursachen bei den meisten Erwachsenen Widerstand gegen die änderung. Es ist ein Gefühl, als ob sich die Spielregeln während der Partie änderten."(HOFFMANN 1991, S.54,55)
Es wird nicht einfach für die Bibliothekare werden, diese neue Technologie in seine Arbeit zu integrieren, denn die CD-ROM scheint wie jede neue Informationsquelle
"... ein ungewohntes Bild und eine gesteigerte Komplexizität mit sich zu bringen, was der Bibliothekar oft erst dann erkennt, wenn die Benutzer ungeduldig darauf warten, wie er alleine an dem System herumfummelt (um es wieder hinzukriegen)." (BUNGE 1991)
Der Bibliothekar ist also aufgefordert, sich den neuen Technologien anzupassen, und die neuen Technologien an sich anzupassen. Er sollte sie soweit beherrschen, daß er ihren inhärenten Nutzen für den Benutzer optimal ausschöpfen kann. Für einige Mitarbeiter wird dies kein leichter Prozeß:
"Das ist schwierig für Leute, die trainiert wurden, Regeln zu lernen und zu befolgen. Das Personal muß heutzutage willens sein, diese erlernten Regeln wegzuwerfen und völlig neue Einstellungen probieren. Das ist erschreckend, (selbst) für die Stärksten unter uns. Nichtsdestotrotz ist es das, was die Zeit verlangt."
Die Zunft der Bibliothekare läßt sich jedoch nicht über einen Kamm scheren, genauso wie Bibliothekare existieren, die den neuen Technologien grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen (49), sind solche vorhanden, die sich schon früh eine gewisse Position auf diesem Gebiet erkämpft hatten. Letztere könnten nun ihr "abgestecktes Territorium durch die in Scharen einfallenden Endnutzer bedrängt sehen", meint OJALA (1985). Diese existenziellen Befürchtungen scheinen jedoch vor dem Hintergrund der von den Endnutzern zumindest bei Retrieval- Systemen respektierten Vorrangstellung des Bibliothekars ungerechtfertigt (CREA et. al. 1992).
4.4.2.1. Streß
Die Einführung neuer Technologien in das Bibliothekswesen reduziert nicht die Arbeit, sondern verbessert und erneuert die Dienstleistungen. Doch die auf solche Art verbesserten Dienstleistungen rufen eine erhöhte Nachfrage hervor und damit auch erhöhten Arbeitsstreß. Dieser Streß kann bei drei verschiedenen Dienstleistungen auftreten:
1) Streß für traditionelle Bibliotheksdienste wie
Fernleihe, Verwaltung, usw.,
2) Streß bei derjenigen Arbeit, die eine verbesserte
Dienstleistung zur Verfügung
stellt (techn. Wartung, Auskunftsdienst, CD-ROM-Auswahl und
Installation),
3) Bedarf an zusätzlichen innovativen Dienstleistungen,
um
das neue Programm besser
ausnutzen zu können.
Wie reagiert z.B. ein Auskunftsbibliothekar, der die Schlange an der Bedienungstheke immer länger werden sieht, während der CD-ROM-Benutzer immer und immer wieder die gleichen Fragen stellt, trotz weit sichtbar angebrachter Hinweise? Kann es dann noch verwundern, wenn die stressgeplagten Bibliothekare die CD-ROM-Benutzer als besonders bequem (um nicht zu sagen faul) und anspruchsvoll bezeichnen, wie BUNGE (1991, S.63) erfahren hat? Der Stressmanager BUNGE warnt uns davor, diese Klagen auf die leichte Schulter zu nehmen, denn seiner Meinung nach gehen diese Bewertungen einem drohenden "burnout" voraus. Dieser inzwischen auch in die deutsche Sprache eingebürgerte Begriff bezeichnet den Zustand eines inneren Ausgebrannt-Sein und die Unfähigkeit auf Stress positiv zu reagieren. Dieses Syndrom scheint immer gleichzeitig mit der Einführung neuer Technologien, nicht nur in das Bibliothekswesen, aufzutreten, denn:
"... technologische Fortschritte haben leicht einen für die erfolgreiche Einführung notwendigen Faktor übersehen, nämlich die menschliche Komponente." (MORRIS u. BARNACLE 1989, S.84)
Die Informationstechnologie bringt eine sich schnell ändernde Vielfalt von automatisierten Resourcen in das bisher relativ statische Leben eines Bibliothekars. Diese änderungen rufen eine gewaltige Nachfrage hervor, die die Bibliothek und den Bibliothekar zu überschwemmen drohen. Was kann der Bibliotheksmanager, der für die Einführung neuer Technologien verantwortlich ist, tun, um den zu erwartenden Streß für die Mitarbeiter zu minimieren? Er sollte nicht nur reaktiv auf Veränderungen antworten, sondern sich und die Bibliotheksmitarbeiter auf sie vorbereiten. Dies geschieht am leichtesten, wenn die Mitarbeiter den bevorstehenden Wechsel als Chance zum Lernen begreifen, neue Fähigkeiten entwickeln und positive Veränderungen in der Bibliothek vollbringen können.
Dies kann am besten dadurch bewirkt werden, daß jeder Mitarbeiter in irgendeiner Form - und sei sein Beitrag noch so klein - an der Planung und Integrierung der neuen Technologie beteiligt wird. In der Einführungsphase der CD- ROM können sie an dem Prozeß der Projekt Definition, des Koalitionen-Schmiedens und des aktiven Planens tatkräftig vom Bibliotheksmanager mit einbezogen werden (ZINK 1991). Denn, wie BUNGE (1991) auf seinen Anti-Streß-Seminaren predigt, die Bibliothekare sollen sich nicht in der Opferrolle verlieren, sondern positiv und aktiv auf die scheinbare Bedrohung durch die CD-ROM reagieren.
Daß dadurch die Zufriedenheit der Mitarbeiter verstärkt und die neuen Medien eher akzeptiert werden, ist sicherlich mehr als nur ein angenehmer Nebeneffekt.
Einige Bibliothekare nehmen sogar 'etwas' Streß gerne in Kauf, wie von TENOPIR u. NEUFANG (1992, S.56) berichtet wird:
"Jetzt gibt es mehr Arbeit an der Auskunftstheke: aber das ist von untergeordeter Bedeutung verglichen mit der unglaublichen Zufriedenstellung der Benutzer."
Sollte trotzdem der Streß zu groß werden, empfiehlt ZINK (1991) eine fundierte Personalschulung, ein sanftes Hinführen zum Medium CD-ROM in Ruhe und Privatheit, denn "was man kennt, macht keinen Streß."
4.4.2.2. Chancen
4.4.2.2.1. Der Informationsvermittler
Die meisten Bibliotheksmanager und/oder -leiter sind in einer Zeit steigender Verpflichtungen und sinkender Personaletats dankbar für jede freiwerdene Arbeitskapazität. Wegen der sinkenden Zahl der Online-Recherchen wird in vielen Informationsvermittlungsstellen weniger gearbeitet. Deswegen und wegen ihrer hervorragenden Retrieval- und Datenbankkenntnisse finden sich die Informationsvermittler häufig in der Beratung der CD-ROM-Benutzer wieder.
EKENGREN (1987) unterstützt diese Tendenz, wenn er sagt, daß die Online-Bibliothekare ihre intellektuellen Fähigkeiten in den Dienst anderer Bibliotheksaufgaben stellen könnten. Im weiteren schlägt er vor, die Informationsvermittler könnten aufgrund ihrer großen Geschicklichkeit für spezielle Suchtechniken wertvolle Mitglieder wissenschaftlicher Teams werden. Diese Idee ist nicht neu, sie stammt aus den USA und wurde dort Anfang der 70er Jahre von LAMB (1982) für das medizinische Bibliothekswesen entwickelt. In einer Zeit der zunehmenden Endnutzerrecherchen und sinkenden Personaletats hat sich aber das ursprüngliche Konzept überholt (HALSTED 1989). Ein Wechsel des Clinical Medical Librarian (CML) vom Informationsvermittler zum Informationslehrer und -Berater kündigt sich an(DALRYMPLE 1990).
Dieser Wechsel steht nicht nur für die CMLs an, sondern für alle Informationsvermittler. CREA et. al. (1992) empfehlen allen Informationsvermittlern, den Rollensprung zum Informationslehrer und -berater zu wagen, denn für die Bibliothekare, die mit Informationen umzugehen wissen, gibt es immer genug zu tun:
"Wer ist denn so qualifiziert dafür, den Endnutzern beizubringen, mehr als nur blosse Informationskonsumenten zu sein, als die Bibliothekare?" (RICE 1986)
BARBUTO u. CEVALLOS (1991) verweisen ebenfalls auf die überaus wichtige Rolle des Bibliothekars, da nun seine pädagogischen Fähigkeiten, sein Suchgeschick und nicht zuletzt die Verbindlichkeit seiner Dienstleistung wichtige Marksteine in einer sich stetig verändernden Umgebung seien.
"Der Bibliothekar hat heute erstmals die Möglichkeit vom bloßen Lieferanten des Wissens zum Anbieter und Vermittler dieses immensen Potentials für den Benutzer zu werden. Der Bibliothekar wird so zu einem wichtigen Manager und bedeutsamen Multiplikator des Zugangs zum Wissen." (HOLMES et. al. 1992)
Der Bibliothekar wandelt sich vom Vermittler der Dienstleistungen zum Vermittler des richtigen Gebrauchs der Dienstleistungen. Er nimmt dem Benutzer nicht mehr die Arbeit aus der Hand, sondern erzieht ihn zur Eigenständigkeit und gibt ihm Kenntnisse zur Orientierung an die Hand.
Zusammenfassend ist es nach CORNICK (1989) keine Frage, daß der Informationsvermittler überleben wird, denn selbst angesichts wachsender Benutzerscharen, die ihre eigene Recherche durchführen, wird
"der Informationsvermittler ... fortfahren, eine wichtige und nützliche Dienstleistung einem mannigfaltigen (Klienten-)Kreis, der den Wert seiner eigenen Zeit kennt und die Wichtigkeit der Fachkenntnisse des Researchers, anzubieten ..."
4.4.2.2.2. Der CD-ROM-Netzwerk-Administrator
Eine der Hauptvoraussetzungen, die geklärt werden müssen, bevor eine Bibliothek in ein CD-ROM-Netzwerk investiert, ist die Frage: Wer ist für dieses Netzwerk verantwortlich? Jemandem diese Verantwortung nur dem Namen nach zu übertragen, reicht nicht aus. Er muß die Möglichkeit haben, sich dieser Arbeit auch mit einem großen Zeitaufwand zuwenden zu können, er muß selbständig Entscheidungen treffen können und in wichtigen Punkten weisungsbefugt sein. CRAWFORD (1988) hält zum Management der meisten Netzwerke, außer den allerkleinsten, einen Teil- oder Vollzeit-Administrator erforderlich. Die Kerr Library in Oregon weist in ihrem Stellenplan für die Supervision des CD-ROM-Referenz-Centers eine halbe Stelle aus. Für das Training der Benutzer, Auswahl neuer CD-ROMs und Kontakt mit den Herstellern wird eine weitere halbe Stelle als erforderlich angesehen (STARR 1990). Dies wird auch von DUGGAN (1990, S.23) unterstützt. Eine Halbtagsstelle sei das mindeste, was für das Netz-Management notwendig sei. Nur, woher nimmt eine von Personalnot geplagte Bibliothek eine zusätzliche Stelle?
Bei der Einführung des CD-ROM-System wurde von der Huntington Memorial Library in Hampton,Virginia eine Arbeitsplatzbeschreibung für die neu zu schaffende Stelle eines CD-ROM-Kordinators/Auskuntfsbibliothekars zusammengestellt (SIMMONS BROWN 1991, S.10). Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die er übernehmen sollte, waren die folgenden:
- Verantwortlichkeit für die Geräteausstattung, die
Software-Installation undWartung,
- die Schulung der Mitarbeiter und der Benutzer,
- das Sammeln von statistisch relevanten Daten, Auswertung
dieser
Daten,
- die Informationsvermittlung durch Online-Recherchen,
- dem allgemeinen Auskunftsdienst assistieren.
Seine minimalen Qualifikationen sollten folgende sein (DEMMIT
u.
HILL 1991, S.51):
- Kenntnisse der Computer-Hardware und-Software,
- entweder Praxiserfahrung mit der LAN-Software oder aber die
Fähigkeit, diese schnell zu erlernen,
- technische Fähigkeiten (für Installationen,
Troubleshooting),
- Fähigkeit mit Herstellern und technischen Mitarbeitern
zusammenarbeiten,
- Planungsfähigkeiten,
- Verbindlichkeit und Enthusiasmus für neue
Technologien.
KANTER (1988) charakterisiert den Bibliotheks-Manager mit folgenden Worten:
"Eine solche Führungspersönlichkeit würde einen Managementstil der Mitbeteiligung pflegen, wohl ausgeführt, mit einer exzellenten zwischen menschlichen Kommunikation und einem gruppenfördernden Geschick, wozu überzeugungskraft, Beharrlichkeit, Diskretion und Geduld gehören."
Diese Qualitäten treffen eher auf den Manager einer mittelgroßen Firma zu, als auf einen Bibliothekar. Folgerichtig wird bei der Besetzung verantwortlicher Leitungsposten zunehmend mehr auf die Managementfähigkeiten des Bewerbers geachtet. Wenn er zudem noch Bibliothekar sein sollte, umso besser, sagt SCHOOTS (1991), aber es ist nicht mehr unbedingt nötig.
Wichtig für einen Systemmanager ist es, die Einführung von Automationsprojekten wie z.B. des CD-ROM-Netzwerks nicht nur zu initialisieren und zu implementieren, sondern auch, wenn das Projekt stabil genug ist, es sich selbst zu überlassen oder einem Mitarbeiter anzuvertrauen, für den es dann wiederum eine Herausforderung bedeuten kann.
Seine Arbeitskapazität ist nicht unbegrenzt, deshalb gilt es effektiv mit ihr umzugehen:
"Der Administrator sollte niemals etwas tun, was er nicht tun muß, weil die Sachen, die er tun muß, so zahlreich sind, daß er unmöglich die Zeit haben kann, sie zu tun. (...) Er sollte niemals irgendetwas tun, was jemand anderes für ihn tun kann. Er sollte die höchste Zahl guter Mitarbeiter haben, die er finden kann." (HUTCHINS 1947, S.138)
Und WRIGHT (1990, S.31) fügt hinzu:
"Die Schaffung von 'guten Mitarbeitern' auf allen Ebenen der Bibliothek ist die grundlegende Aufgabe der Bibliotheksdirektion."
4.4.2.2.3. Aufwertung der Arbeit
Der anstehende Technologiewechsel wird nicht nur von RICE (1986) oder CREA et. al.(1992), sondern auch von vielen anderen als Chance für eine neue berufliche Ausrichtung und Perspektive angesehen. So schreibt MIKSA (1990) über den Auskunftsdienst, daß aus dem Technologie- ein Paradigmenwechsel werden könnte, wenn die CD-ROM den Anstoß dazu geben würde, Dienstleistungen weniger 'Sammlungs-orientiert' als vielmehr 'Benutzer-orientiert' zu erbringen.
Die Bibliothekare brauchen sich nicht hinter der CD-ROM zu verstecken oder sich durch die neuen Arbeitsinhalte aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, bestärkt ZINK (1991) die Bibliothekare. So wird nach Herther (1988) die Rolle des Bibliothekars durch die CD-ROM deutlich aufgewertet, die Benutzer schätzen die Fähigkeiten des Personals höher ein. Bisher hatte man die Bibliotheken eher als große Kaufhäuser angesehen, nun tritt ein Bild von der Bibliothek als Eingangspforte zu einem Netzwerk von Informationsquellen in den Vordergrund. So glauben einer Studie zufolge 70% der Bibliothekare an die Imagesteigerung der Bibliothek durch die Einführung der CD-ROM, und BRINDLEY (1988) bemerkt ironisch:
"... eine Bibliothek, die nach einer Imageaufwertung Ausschau hält, kann sehr viel Schlechteres tuen, als in ein oder zwei CD-ROMs zu investieren."
Im Netzwerkbetrieb erhöhen sich die Anforderungen eher, als daß sie sich verringern, so daß AU u. BORISOVETS (1990, S.232) z.B. fordern, daß ein gewisser Grad an Computerkenntnissen eine minimale professionelle Voraussetzung für einen Auskunftsbibliothekar bilden sollte.
In den Computernetzen werden Informationen mannigfacher Art verfügbar, was umwälzende Auswirkungen auf die Zukunft der bibliothekarischen Zunft haben Die eine Quelle dieses 'Informationsdschungels' werden die Computer sein, die andere, wenn auch ungleich wichtigere, diejenigen Personen, die die Wege durch dieses "Dickicht" kennen. Diese Menschen haben sich aufgrund ihrer besonderen Arbeit fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Erwerbung, Organisation, Speicherung, Bewertung und Wiederfindung der Information erworben. Unter ihnen werden viele Bibliothekare zu finden sein, die nach PETERS (1992, S.49) die einzigartige Chance und Fähigkeit haben, eine wichtige Mittlerrolle zwischen Informationsproduzenten und -Konsumenten wahrnehmen zu können (50).
Durch die CD-ROM-Technologie ergeben sich also nicht nur eher negativ erlebte Veränderungen für die Bibliothekare in Form eines erhöhten Fragenvolumens, vermehrter technischer Wartungsarbeiten und Verwaltungsdienstleistungen, sondern auch eine Chance zu stärkerer Professionalisierung (51). Die einfachen Fragen werden von den Endnutzersystemen (ob CD-ROM oder OPAC) beantwortet, so daß sich der Auskunftsbibliothekar auf die wirklich wichtigen und interessanten Fragen konzentrieren kann.
Es ist zwar eine Chance, aber in ihr liegt keine Freiwilligkeit. Der Job der Bibliothekare muß gezwungenermaßen professioneller werden, da die Benutzer professioneller werden, denn die Endnutzer werden durch die Interaktion mit der Suchsoftware der Systeme zu einem tieferen Verständnis ihrer Fragen vorstoßen. Mit detaillierteren Informationsbedürfnissen und ausgefeilteren Fragen werden sie dann eine Herausforderung für das Wissen und das Können der Bibliothekare darstellen.
Im nachhinein überrascht, wie präzise Kenneth E. DOWLIN 1984 in seinem Buch "The electronic library" die Entwicklung vorausgesehen hat:
"Die Bibliothekare nähern sich einer Weggabelung. Sie müssen sich entscheiden, ob sie änderungen in der Bibliothek schaffen wollen, die mit den wechselnden Bedürfnissen nach Information in der Geselschaft Hand in Hand gehen, und so in dem kommenden elektronischen Zeitalter wachsen und gedeihen, oder ob sie damit fortfahren, ihrer raditionellen Rolle als Hüter des Buches zu dienen. (...) Unsere aktuelle Philosophie zu modernisieren und eine Achtsamkeit unseres Potentials für die Zukunft kann uns leiten, Strategien zu entwickeln, die es den Bibliothekaren nicht nur erlauben würde zu überleben, sondern Erfolg zu haben. (...) Die Entscheidung (vom Buch hin zu anderen Medien) wird (...) von Nicht-Bibliothekaren getroffen, deren Philosophie nicht so festumrissen und festgebunden ist wie die der Bibliothekare."
In der an zehn Universitätsbibliotheken durchgeführten Umfragestudie wurde danach gefragt, wer für die Betreuung des Netzwerks und Installation der CD- ROMs verantwortlich ist. Die fortgeschrittene Integration dieser Technologie in den bibliothekarischen Arbeitsalltag wurde daran sichtbar, daß in sieben der zehn Bibliotheken Mitarbeiter ohne spezielle Netzwerk- oder CD-ROM-Ausbildung (mit-)verantwortlich für diesen Bereich waren. Es handelte sich in fünf der sieben Fälle um Personal des höheren Dienstes, die dabei in zwei Bibliotheken von Mitarbeitern des gehobenen Dienstes und in weiteren zwei von EDV-Fachkräften unterstützt wurden. Nur in einer Bibliothek betreute ein Mitarbeiter des höheren Dienstes in Eigenregie das CD-ROM-Netzwerk. Diese Person war zugleich Leiter dieser Bibliothek. Es kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, daß sich das verantwortliche Personal in diesen sieben Bibliotheken in intensiven Fort- und Weiterbildungskursen für diese Aufgabe qualifizieren mußte und noch weiter qualifizieren wird. Die Betreuung der CD-ROM-Netzwerke der übrigen drei Bibliotheken lag in der Verantwortung externer Stellen.
4.4.3. Das Personaltraining
Aus dem vorherigen Kapitel wird deutlich, daß die Schulung des Personals eine zentrale Rolle bei Erfolg oder Mißerfolg einer CD-ROM-Einführung einnimmt. Die kostbare Zeit intensiv ausgebildeter Bibliothekare wird im Zuge steigender Arbeitsbelastung noch wertvoller, so daß es gilt, die wenige vorhandene Zeit möglichst effektiv zu nutzen. Dies kann nach BUNGE (1991) durch geeignete Trainigsmaßnahmen erreicht werden.
"Um die durch die CD-ROM verstärkten Dienstleistungen und erhöhten Nachfragen zu begegnen, sind entweder zusätzliche Stellen oder eine kreativere Personalschulung notwendig."(MOORE 1990)
Um die CD-ROM rund um die Uhr zur Verfügung stellen zu können, reicht es nach den Erfahrungen von WHITSED (1989b) nicht aus, die Informationsvermittler als alleinige Berater und Diensthabende einzusetzen. Er erarbeitete ein spezielles Trainingsprogramm (WHITSED 1989a), um alle Mitglieder des Bibliothekspersonals zu befähigen - zumindest auf einer grundlegenden Basis - das System handhaben zu können.
VASI u. LAGUARDIA (1992) präzisieren die nötigen Maßnahmen weiter:
"... eine ausreichende Anzahl der Mitarbeiter in grundlegendem trouble-shooting trainieren, so daß die allerhäufigsten Probleme schnell behoben werden können."
Doch bei diesem Ziel ist nach REESE u. STEFFEY (1988) zu beachten, daß es durchaus Mitarbeiter geben kann, die alles andere als 'Online-Researcher' werden wollen.
Die Mitarbeiter müßen sich teilweise das nötige Wissen und die erforderlichen Kenntnisse in ihrer Freizeit aneignen, denn Geld für eine Schulung außer Haus oder Zeit für eine interne Trainingsitzung ist in den seltesten Fällen vorhanden(REESE 1990). In der Universitätsbibliothek Würzburg steht dem Personal dafür ein PC-Pool zur Verfügung (MäLZER 1991, S.270-272).
Die ähnlichkeit der Informationsgewinnung durch Online- und CD-ROM-Recherchen wird von einigen Bibliotheken zum Anlaß genommen, Informationsvermittlern großzügig zu konstatieren, daß sie kein Training an der CD-ROM nötig hätten (MOORE 1990), andere wiederum sehen aus einem anderen Blickwinkel heraus ein CD-ROM-Training als billige Ausbildungsmöglichkeit zum Online-Profi an (BARTENBACH 1987).
Keiner bringt in einem solchen Maße die benötigte Qualifikation mit, um Endnutzern das System der CD-ROM zu lehren, wie der Bibliothekar, schreibt RICE (1986) optimistisch. Doch auch dieser muß erst selbst die Schulbank drücken, denn in der Regel kennt er die CD-ROM-Technologie nicht exakt genug. VASI u. LAGUARDIA (1992) befürworten ein Personaltraining, das je nach Bedarf, individuell auf den Bibliothekar und den zu erwartenden Benutzerproblemen zugeschnitten ist. Diese Schulung hört nie auf, da zum einen immer neue Benutzergruppen die Bibliothek betreten, zum anderen die Bibliothekare Zeit brauchen, um mit der sich ständig ändernden Software und den neu hinzukommenden Datenbanken Schritt zu halten (ZINK 1991).
Die Universitätsbibliothek Ulm hat einen Weg gefunden, mit einem möglichst geringen Aufwand an Personaltraining, die technische Seite des CD-ROM-Systems zu beherrschen (GROBE 1992). Die zum Systemstart notwendigen Arbeitsabläufe wurden halbautomatisiert und in einer Checkliste festgehalten. Diese kann dem diensthabenden Bibliothekspersonal anvertraut werden, ansonsten wird die Stabilität des Systems aber als ausreichend groß angesehen, so daß auf eine eingehendere Schulung des Personals verzichtet werden kann.
Demgegenüber fordert VAN BRAKEL(1991) extensive CD-ROM-Trainingskurse. Er begründet dies mit einer ähnlichen Situation der Personalkenntnisse, wie sie sich nach der Einführung der Online-Datenbanken darstellten. Er schlägt folgenden Lehrplan vor:
1) CD-ROM-Datenbanken als interaktive Referenzquellen,
2) die Interaktion der drei Medien Print, CD-ROM, Online,
3) technische Aufgaben der Wartung, Software und Installation
der
CD-ROM,
4) die fachliche Abdeckung zu erwerbender CD-ROMs,
5) Kenntnisse von Nachschlagewerken und Zeitschriften, die auf
die CD-ROM spezialisiert sind,
6) Techniken der Nutzerschulung.
Die Bibliothekare müssen sich den neuen Technologien stellen, denn wie HOFFMANN (1991) zu bedenken gibt, reicht es nicht länger, ein einmal gelerntes Wissen 10 Jahre lang anzuwenden, ansonsten sich aber jeder Neuerung zu verschließen. Schließlich ist die Geschwindigkeit der ständig wechselnden Technologie so rapide, daß man mit dem Erlernen neuer Methoden und Arbeitsabläufe nicht warten kann, bis man mal gerade Zeit dafür hat. Dazu ist die Notwendigkeit, die neuen Technologien effektiv zu handhaben und zu beherrschen, anstatt sich von ihnen beherrschen zu lassen, zu dringend und zu wichtig.
Im weiteren beantwortet HOFFMANN (1991) verschiedene Fragen zum Personaltraining:
Warum ist ein Personaltraining erforderlich?
Es gibt folgende Argumente für eine intensive
Personalschulung:
- Um effektiver komplexe automatisierte Systeme nützen zu
können,
- um Bibliothekaren zu helfen, den anstehenden Wechsel zu mehr
Automatisierung in den Bibliotheken besser managen zu
können,
- um eine Dienstleistungsstrategie "an der Front"
einzuführen, damit sich in dem "Moment der
Wahrheit" erweist, ob das angelernte Wissen auch wirklich
vollständig ist und ausreicht, um
auf Probleme und Fragen adäquat zu reagieren,
- um motivierte Mitarbeiter zu gewinnen und durch attraktiv
gestaltete Arbeitsbedingungen langfristig für die
Bibliothek
verpflichten zu können.
Eine große Gefahr ist ihrer Meinung nach, "daß professionelle Bibliothekare überbezahlte Datentypisten" werden. Die Bibliothekare müßen lernen, ihre "mentalen Landkarten" (52) so den neuen Verhältnissen anzupassen, daß sie in dieser neuen Situation ihre Orientierung nicht verlieren. Ein Problem ist jedoch, einen geeigneten Trainer zu finden, der das nötige Wissen über LANs, Telekommunikation und CD-ROM, sowie pädagogische Fähigkeiten mitbringt, diese Kenntnisse zu vermitteln. Diese sind dünn gesät, wie HOFFMANN weiß.
Wie sollte das Personaltraining strukturiert sein?
Lernen ist am effektivsten, wenn es eine Relevanz zum Schulenden hat und auf seiner Erfahrung aufbaut. Neu erlernte Fähigkeiten verfestigen sich dann am schnellsten, wenn den Mitarbeitern genügend Zeit zum Ausprobieren gelassen wird.
Wieviel Personaltraining ist nötig?
Gewöhnlich fehlt Zeit und Geld für ein gutes Training. Jedoch sollten 1-2% des Personaletats oder eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Jahr für diesen Zweck reserviert werden.
Wird ein Personaltraining geplant, sollte bedacht werden, daß die Kenntnisse und die Fähigkeiten des Informationsvermittler von ihrem - benötigten - hohen Level absinken, wenn die Pausen zwischen den einzelnen Recherchen zu groß werden (TAYLOR 1989). WHITSEDs (1988) machte daraufhin den Vorschlag, den Informationsvermittler in der Zwischenzeit in den anderen 120 biomedizinischen Datenbanken üben zu lassen. GADIKIAN u. STIEVATER (1992, S.44) plädieren ebenfalls für ein übungstraining, dieses sollte jedoch aus finanziellen Erwägungen in billigen übungs- oder in CD-ROM-Datenbanken abgeleistet werden (53). Die Hauszeitschrift der Informationsvermittler, "Online", hat entsprechend rea giert und beabsichtigt mit einer Serie von Artikeln, das Wissen ihrer Klientel aufzufrischen, um, wie es wörtlich heißt: "... den Lesern zu helfen, ihre Suchgeschicklichkeiten zu bewahren." (Online Sept. 1992, S.44).
Vier der zehn befragten Bibliotheken, die MEDLINE im CD-ROM-Netzwerk anbieten, geben an, daß der Arbeitsaufwand für die Schulung des Personals seit Einführung der CD-ROM zugenommen habe. Da nicht nach dem Umfang der erhöhten Belastung gefragt wurde, kann der Stellenwert der Personalschulung für die gesamte Arbeitsaufwand nicht quantifiziert werden. Ein Hinweis auf eine vielleicht nicht so wesentliche Belastung durch das Personaltraining mag der Umstand sein, daß dieser Bereich mit nur vier positiven Angaben zu den am seltensten angekreuzten der sieben wählbaren Arbeitsfelder gehörte.
4.5. Der Einfluß der CD-ROM auf die Benutzerschulung
Obwohl die Oberflächen der Suchsoftware der CD-ROM-Systeme betont einfach und benutzerfreundlich konzipiert wurden, ist eine Einführung, d.h. eine grundlegende Schulung des Benutzers im Sinne einer Hinführung an das System für eine optimale Nutzung erforderlich (vgl. OBERHAUSER 1989).
4.5.1. Gründe der Benutzerschulung
Folgende Gründe werden für eine Benutzerschulung genannt:
- die Suchsoftware ändert sich von CD-ROM zu CD-ROM, es
gibt
einfache, wie schwer verständliche öberflächen,
das verwirrt nach SALOMON (1988) die Benutzer,
- es gibt immer Benutzer, die sich schwer damit tun, sich an
einen Computer zu setzen und auf die Tasten zu
drücken,
- Die Bibliothek will den überblick über die
Benutzung
der CD-ROM behalten und veranstaltet deswegen obligatorische
Einführungskurse,
- die Bibliothek weiß, daß Fragen ans
Bibliothekspersonal oft aus Unkenntnis des Systems gestellt
werden. Teilnehmer an Einführungskursen fragen
später
weniger, wie in einigen Studien bewiesen werden konnte,
- die Bibliothek hält es für ihre Pflicht, den
Benutzern eine Suchstrategie beizubringen (54),
die nicht nur ihren Bedürfnissen entgegenkommt, sondern
obendrein vollständige und reproduzierbare Ergebnisse
aufweist,
- die Bibliothek fühlt sich dafür verantwortlich,
daß der Benutzer nicht denkt, er hätte mit einer
schnellen CD-ROM-Recherche alle für seine Fragestellung
wichtigen Quellen abgehandelt (55),
Weitere
Informationsquellen, in denen relevante oder aktuellere
Literatur
enthalten ist, sollen dem Benutzer bekannt gemacht werden,
- die Bibliothek will die Möglichkeit der
CD-ROM-Recherche
auch denjenigen bekanntmachen, die üblicherweise nicht
oder
nur selten in die Bibliothek kommen,
- Grundkenntnisse der Struktur, Umfang und Abdeckung der
zugrundeliegenden Datenbanken soll vermittelt werden. Dazu
sollen
die Hilfen aufgezeigt werden: Thesauri, Handbücher, das
Vorwort gedruckter Dienste,
- Studenten sollen auf die "Welt der Informationstechnologie"
vorbereitet werden, - weil die Umsetzung z.B. einer
medizinischen
Frage in eine Suchstrategie komplizierter ist, als vom
Benutzer
vorauszusehen(KALTENBORN 1991, S.179), müssen die aus
dieser
Schwierigkeit resultierenden Fehler und
Unzulänglichkeiten
dem Benutzer 'zur Abschreckung' vor Augen geführt
werden,
- wenn es keine Schulung geben würde, könnten die
Benutzer dies als ein Zeichen für eine Simplizität
des
Systems mißverstehen,
- Benutzer sind oft
unfähig,
die richtige Treffermenge zu erzielen, entweder finden sie zu
viele oder gar keine Zitate (MOORE 1990),
- eine Einführung kann dem Benutzer die Schwellenangst
vor
dem Gebrauch eines Computers nehmen(KALTENBORN 1988,
S.308,309)
Die Wichtigkeit einer Benutzerschulung kann vor dem oben gesagten gar nicht überschätzt werden. Trotzdem sollte daraus nicht abgeleitet werden, das Erscheinen der Benutzer etwa zu erzwingen, vielmehr gilt es die Kurse interessant zu gestalten, um so möglichst viele Benutzer anzuziehen.
4.5.2. Ziele der Benutzerschulung
Die Erfahrungen, die die Bibliotheken mit den Endnutzern gemacht haben, beweisen, daß die Technik der Suche, das Drücken der richtigen Tasten usw. weniger ein Problem darstellt als die Konzeption der Suche (siehe dazu auch SLINGLUFF et. al. 1985).
Will der Benutzer überhaupt geschult werden?
Nach einigen Untersuchungen in US-amerikanischen Bibliotheken (MILLER 1987; GLITZ 1988; SALISBURY et. al. 1990) ist es höchst zweifelhaft, ob die Benutzer den Gedanken angenehm finden, daß ihnen ein Bibliothekar über die Schulter schaut, wissen wir doch von ihnen, daß sie sich oft scheuen, eine Frage an einen Bibliothekar zu richten, und daß sie am liebsten alleine arbeiten. In einer Umfrage der Dana Medical Library der University of Vermont wünschten nur 19% der Benutzer einen Schulungskurs und 6% einen Bibliothekar in der Nähe. 47% waren schon mit der Bedienungsanleitung zufrieden (LEE 1988, S.201). MILLER (1987) berichtet von zwei Umfragen, bei denen 80% bzw. 98% der Interviewten angaben, keine Einführung zu benötigen.
Auch kann bezweifelt werden, ob sie daran interessiert sind, von den Bibliothekaren zu Online-Profi's ausgebildet zu werden. Sie 'opfern' nicht ihre Zeit, um die der Bibliothekare zu sparen. Trotzdem will BROWN (1991) aus allen Benutzern selbständige Researcher machen, die in jeder Bibliothek das, was sie benötigen, auch zu suchen und zu finden wissen. REESE u. STEFFEY (1988) sowie CREA et. al. (1992) wollen gar aus dem Benutzer einen Informationsvermittler "in eigener Regie" machen. Sie empfinden wie BROUGHTON et. al. (1991, S.16):
"Viele Bibliothekare werden frustiert, wenn sie sehen, wie glücklich die Benutzer mit unangemessenen und fehlerhaften Suchergebnissen sind, wenn ein bißchen Einführung sie mit nützlicheren und erfolgreicheren Suchergebnissen versorgt hätte."
Ob es ihnen der Benutzer danken wird, ist höchst fraglich, denn nach MILLER (1987) sind die Bibliothekare in diesem Punkt "überbehütend". Sie sorgen sich um die Qualität der recherchierten Information, ohne auf die Bedürfnisse des Benutzers Rücksicht zu nehmen, und deshalb erst auf seine Nachfrage eine Schulung anzubieten. Doch der übereifer des Bibliothekars findet oft ein rasches Ende, wie WHITSED (1990, S.224) erfahren hat:
"Wir fühlten zuerst, daß es wichtig wäre den Gebrauch von MeSH und Online-Prinzipien zu lehren. Jetzt, so denke ich, haben wir aus einer Reihe von Gründen eine gelassenere Sichtweise, besonders weil es so aussieht, als ob viele unserer Benutzer keine erschöpfende Suche wollten, sondern vielmehr (nur) einige Referenzen, vorhanden am liebsten in der Bibliothek."
Ganz abgesehen davon, daß eine intensivere Schulung, die die Suchstrategie des Benutzers entscheidend verbessern könnte, aus personellen Gründen nicht angeboten werden könnte.
Was soll den Benutzern vermittelt werden, welche Ziele der Benutzer sind in den Augen der Bibliothek legitim, bei welchen Zielen sollte eingegriffen werden? Gibt es überhaupt Ziele, von denen man die Benutzer abbringen sollte?
Nach PIELE (1991, Anm.6, nach SüHL-STROHMENGER 1992b) und WHITSED (1990, S.215) existieren folgende Ziele der Benutzerschulung:
- Eine Einführung in die Technologie,
- Kenntnis und Bedienung der PC-Tastatur,
- Durchführung der Ein- und Ausstiegsprozeduren,
- ein überblick, wie Eingangsmenüs arbeiten,
- Laden und Wechseln der CD-ROMs (dies wird im CD-ROM-Netzwerk
überflüssig),
- Anwendung von Dokumentationen, einschließlich der
Thesauri und der sonstigen Hilfsmittel,
- Wartung des Druckers, einschließlich
Papiernachschub,
- Kenntnis, warum zwischen Papierausgabe, Online und CD-ROM
gewählt wurde.
Weitergehende Suchfertigkeiten können z.B. umfassen:
- Kenntnis der verfügbaren Datenbanktypen und der
jeweiligen
Retrievalsprachen,
- Verwendung eines kontrolierten Vokabulars wie auch von
Freitextoptionen,
- Verknüpfungen, Trunkierungen, Eingrenzungen vornehmen,
feldbezogen suchen können,
- Zitate anzeigen, ausdrucken, auf Diskette kopieren,
- eine Einführung in das Konzept der Suchstrategie.
Es sind Stimmen zu hören, die die Bibliothekare vor überzogenen Erwartungen an die Qualität der Benutzer-Recherche warnen. Sie bemerken, daß sich die Bibliothekare erst mit Auftreten von Endnutzersystemen wie z.B. der CD-ROM intensiv für die Recherchen der Benutzer zu interessieren begannen. Schnell wurde von ihnen bemerkt, daß es gute und schlechte Suchstrategien gab (wie man schon vorher wußte). Es fiel erst später auf, daß die Bewertung der Bibliothekare, was 'gut' und was 'schlecht' ist, überdacht werden müßte. Diese Fragen stellten sich die Bibliothekare bei der Einführung des Index Medicus nicht, sie werden aber angesichts immenser Benutzermassen, die mit 'quick und dirty'-Recherchen sehr zufrieden sind, immer wichtiger.
4.5.3. Arten der Benutzerschulung
4.5.3.1. Die Gruppeneinführung
Die Vermittlung bibliothekarischen Wissens in Form einer Vorlesung vor einer Gruppe - mit oder ohne Demonstration - kann auf Nachfrage, obligat oder fakultativ angeboten werden und sollte mindestens eine halbe Stunde dauern. Ein oft geäußerter Anspruch ist es, den Benutzern in einer Zeitspanne von 0.5 - 1 Stunde alles, was mit dem CD-ROM-System machbar ist, zu zeigen (GROBE 1992). In dieser doch relativ kurzen Zeitspanne lassen sich nicht alle Möglichkeiten des CD-ROM-Systems im Detail erklären, aber die begrenzte Aufnahmefähigkeit des Benutzers verhindert eine ausführlichere Einführung. So finden in den Bibliotheken immer mehr pragmatisch orientierte Schulungskurse statt. bei denen nicht alle Möglichkeiten der Suchsoftware bis ins Detail erklärt werden, sondern nur das Allernötigste: Find, Show, Print. Wenn der Benutzer mehr wissen möchte, wird es ihm bei Bedarf erklärt (TENOPIR u. NEUFANG 1992, S.58). Am geeignetsten erscheinen Live-Demonstrationen, wobei dem Benutzer Schritt für Schritt die Grundlagen der Suchsoftware vorgeführt werden(AMATO u. JACKSON 1990). Die Personalbelastung durch die Schulungsmaßnahmen steigen mit den Teilnehmerzahlen, die seit Einführung der CD-ROM deutlich in die Höhe geschnellt sind (MOORE 1990). Darum gilt es, eine Methode zu entwickeln, um die große Schar der Benutzer wirtschaftlich und effektiv in die Technik der Informationssuche mittels des CD-ROM-Systems einzuweisen (MOORE 1990). Daß eine Gruppeneinführung wirtschaftlicher ist als eine individuelle Einführung, konstatiert DYER nüchtern(1990). BARBUTO u. CEVALLOS (1991) fordern angesichts der 'quick und dirty'-Suchen der Benutzer eine 'quick und dirty'- Lehrmethode, um großen Benutzermassen angemessenen Suchstrategien zu vermitteln. Die Gruppeneinführung sollte in ruhigen Räumen, abseits von Hektik und Streß und bibliothekarischen rush-hours durchgeführt werden.
4.5.2. Die Einzelunterrichtung (Eins-zu-eins-Schulung)
"Die übliche Trainingsmethode ist die Vorlesung vor Gruppen von Nutzern mit einer kurzen Demonstration, gefolgt von eigenen Experimenten durch die (zukünftigen) Nutzer. Aber: die Nutzer wünschen immer mehr und immer öfter die Einzelunterrichtung (one-on-one individual instruction)." (SCHMIDMAIER 1991, S.54)
Für eine Eins-zu-Eins-Instruktion, die auf den einmaligen und sofortigen Bedürfnissen des Benutzers basiert, gibt es keinen Ersatz, meinen AMATA u. JACKSON (1990). REESE u. STEFFEY (1988) bezeichnen diese Art der Schulung als beste Einführungsmethode bei der CD-ROM und behaupten zugleich, daß sie die einzige sei, die die Suchstrategie der Benutzer entscheidend verbessern würde.
BARTENBACH prophezeite 1987, daß die individuelle Instruktion des Benutzers Teil des Informationsdienstes werden würde. Er schlug die Methode des Pre-search-counseling vor, bei dem die Suchstrategie des Benutzers vor der Recherche mit dem Bibliothekar abgesprochen und optimiert wird (JANKE 1985). Diese komfortable Betreuung ist von der dramatischen Entwicklung im Endnutzerbereich überholt worden. Keine Bibliothek kann es sich mehr leisten, so viel Zeit und Personal in eine an und für sich gute Idee zu investieren. Selbst die 'normale' Einzelunterrichtung scheitert nach vielen Autoren ganz einfach an finanziellen und personellen Engpässen (vgl. Mälzer 1991). BARBUTO u. CEVALLOS (1991) berechneten den Personalaufwand für eine, mit 1-2 Stunden ungewöhnlich lange Einzelinstruktion an der University Library in Hofstra, Hempstead(NY). Sie kamen zu dem Ergebnis, daß sie für diese Art der Benutzereinführung eine 36-Stunden-Stelle bräuchten.
So lange dauern die durchschnittlichen Einweisungszeiten anderer Bibliotheken jedoch nicht. Viele Bibliothekare glauben fälschlicherweise, daß sie nur wenig mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Einführung in den - gedruckten - Index Medicus. POTTER (1992) gibt die Dauer der Instruktionen mit 1-45 Minuten an, der Durchschnitt beläuft sich auf ca. sechs Minuten. Dieser Wert erscheint niedrig und ist trotzdem noch zu hoch, denn, wie POTTER selbst kritisch bemerkt, bildeten sich während dieser Einführungen Schlangen an der Bedienungstheke.
DYER (1990) ermittelt einen Wert von 15 Minuten für Einführungshinweise und konstatiert, daß dies Methode eine unwirtschaftliche Verschwendung der Personalreserven ist.
Aber kann das wirklich schon der Weisheit letzter Schluß sein? Die Benutzer bevorzugen jedenfalls eindeutig diese Art der individuellen und persönlichen Einführungen.
"Sie wollen die Geheimnisse der CD-ROM ohne große Prozeduren von einer anderen Person erläutert bekommen."(SCHMIDMAIER 1991)
Eine Lösung könnte in der Hilfestellung durch sogenannte "Paraprofessionelle" liegen. Mit diesem Begriff werden Studenten bezeichnet, denen in gründlichen Schulungssitzungen die Kenntnisse über die CD-ROM abprüfbar vermittelt wurden, so daß sie nun selber andere Studenten anleiten können(DEENEY 1990). Damit professionalisieren die Bibliothekare die wohlbekannte Verhaltensweise mancher Studenten, dem 'CD-ROM-Nachbarn' kluge Ratschläge zu erteilen. Ein Vorteil dieser Methode besteht darin, daß die Studenten am besten wissen, was andere Studenten brauchen. Ein Nachteil könnte in der "Stillen Post" liegen, in der ungeprüften Weitergabe von immer weniger richtigen Informationen.
4.5.3.3. Bedienungsanleitungen
Die Bedienungsanleitungen und Handbücher der CD-ROM-Hersteller sind unübersichtlich, unbrauchbar, zu umfangreich oder zu knapp und reichen auf gar keinen Fall aus, um den Benutzern die Bedienung der CD-ROM zu erklären (ANDERS 1990; WIECZOREK 1990, S.260). CRANE schreibt 1991, daß sich die Bibliothek bloß nicht auf die Bedienungsanleitungen des Herstellers verlassen sollte in der Hoffnung, der software-erfahrene Benutzer würde schon mit dem System zurechtkommen.
Viele Bibliotheken haben damit angefangen, ihre eigenen Bedienungsanleitungen zu schreiben (Bericht der UB Regensburg ... 1988),die aber oft nicht gelesen werden, da sie zu umfangreich oder zu wenig ansprechend gestaltet sind. WHITSED (1990) empfiehlt, ohne den professionellen Rat von Layoutern, Werbefachleuten, Designern, Graphikern, Journalisten gar nicht erst an die Erstellung von Bedienungsanleitung zu denken (56).
4.5.3.4. Versuch und Irrtum
"Der (zum Trainer ausgebildete) Student bemerkte, daß die medizinischen Endnutzer meinten, sie hätten keine Zeit, eine Bedienungsanleitung zu lesen, sondern es vorzögen, irgendetwas auszuprobieren, um zu sehen, wie es arbeitet." (EARL 1991)
Versuch und Irrtum scheinen viele Benutzer als Einstieg in die 'benutzerfreundliche' Welt der CD-ROM und anderer Endnutzerrecherchesysteme zu favorisieren. Zwei Drittel der Bibliothekare glauben, daß die Benutzer sich die Bedienung der CD-ROM schon gegenseitig beibringen würden (SALOMON 1988). Die oft gewählte Clusterbildung bei der Aufstellung der CD-ROM-Stationen fördert die Interaktion der Benutzer über die Einzelplätze hinweg. Nicht wenige Bibliothekare wissen dieses Bild der bei ihren Kommilitonen Hilfe suchenden Benutzer zu schätzen, erleichert es ihnen die Arbeit doch erheblich. Einfachere Fragen klären die Benutzer unter sich ab, nur bei den schwereren Fragestellungen nehmen sie das Auskunftspersonal in Anspruch (57).
4.5.3.5. "Tutorials"
Studenten sind mit Tutorials und der Möglichkeit des interaktiven Lernens meist zufrieden, berichten BARBUTO u. CEVALLOS (1991). Der Datenbankanbieter SilverPlatter hat ein Tutorial entwickelt, das sich der Geschwindigkeit des Benutzers anpaßt und so leichter akzeptiert werden kann (WHITTAKER 1990).
Videotape- und Hypercard-Instruktionen sind erst im Entstehen begriffen und noch nicht von Bedeutung (STARR 1990). Demgegenüber ist die Computer-Aided Instruction (CAI) üblicher, benötigt aber eine gewisse Geduld beim Benutzer (REESE u. STEFFEY 1991). Sie sind infolgedessen nicht so beliebt und sollten nur zusätzlich zu anderen Formen der Einführung angeboten werden (SCHMIDMAIER 1991, S.54). Zu den verschiedenen Möglichkeiten der automatisierten Einführung schreibt ANDERS (1990) sinngemäß: Alle diese Einführungsmethoden bewähren sich gleich gut (oder gleich schlecht) in der Praxis, doch wegen der geringen Zeit der Bibliothekare sei es nötig, die einfachste Methode zu wählen. Als Grund gibt sie an, daß die laufenden Veränderungen der CD-ROM-Software die ständige Neuformulierung einer Bedienungsanleitung erforderlich machen.
4.5.4. Zusammenfassung
Welche Schulungsmaßnahme auch immer gewählt wird, das A und O scheint zu sein, daß dem Benutzer die Möglichkeit einer praktischen Erfahrung gegeben wird. So sollte ihm ausreichend Gelegenheit gegeben werden, die 'Arbeit selber zu tun', d.h. an der Tastatur zu sitzen und das CD-ROM-System einfach auszuprobieren. Diese spielerische 'hands on'-Praxis kommt den Bedürfnissen der Benutzer am ehesten entgegen und hinterläßt die kräftigsten Spuren in seinem Gedächtnis.
Das Auftreten der CD-ROM in der Bibliothek hinterläßt ebenso tiefe Spuren in den bibliographischen Einführungen. Die CD-ROM wird dort nicht mehr als ein Punkt unter vielen abgehandelt (falls das überhaupt je der Fall war), sondern wird von den Bibliothekaren klugerweise als integraler Dreh- und Angelpunkt der Einführungskurse benutzt. Das Interesse und die Aufmerksamkeit auf sich ziehend, wird sie so als Mittel eingesetzt, frischen Wind und Praxisnähe in das oft trockene Metier zu bringen.
Das Ziehen eines Resümee's möchte ich Dieter SCHMIDMAIER (1991a, S.54) überlassen, der in exzellenter Weise die wichtigsten Faktoren, derer man sich bei der Schulung des Benutzer stets vergewissern sollte, vor Augen führt:
"... zwischen ihrer (der Informationsysteme) Nutzung und ihrer optimalen Ausnutzung (bestehen) immer große Unterschiede (...) Die Konsequenzen daraus für Bibliothekare sind einfach abzuleiten. Sie müssen den neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen sein, sie beherrschen und aus diesen Positionen heraus über richtige Mittel und Methoden der Nutzerschulung dieses Wissen anwendungsbereit vermitteln. Das Kriterium für die Qualität der Nutzerschulung kann nur darin bestehen, die Fähigkeit des Nutzers so zu entwickeln, daß er weitgehend allein mit den neuen Techniken umgehen und sie eigenständig nutzen kann. Bibliothekare stehen auch nur noch für den 'Hintergrunddienst' zur Verfügung. Andere Lösungen sind weder inhaltlich vernünftig, noch organisatorisch und personell abzusichern."
In der durchgeführten Umfragestudie wurde nach Art und Dauer der von den Bibliotheken angebotenen Schulungsveranstaltungen gefragt. Es stellte sich heraus, daß von allen Bibliotheken Schulungen für wichtig erachtet wurden. Gruppeneinführungskurse wurden von sieben, eine individuelle Einführung von vier Bibliotheken angeboten. Die Kurse dauerten bei sechs der sieben Bibliotheken länger als eine Stunde, bei der siebten zwischen 20 und 60 Minuten. Nur eine dieser Bibliotheken führte den Kurs nur auf Nachfrage durch, d.h. man kann vermuten, daß alle anderen ihn regelmäßig anboten.
Die individuelle Einführung dauerte mit 20 bis 60 (zweimal) bzw. 5 bis 30 Minuten nicht so lange wie die Gruppenkurse. Eine Bibliothek machte keine Angaben über die Länge der Eins-zu-eins-Einführung. Wenn sich Benutzer eine Einführung wünschen könnten, dann würde - nach der Beantwortung im Fragebogen zu schließen - die individuelle Einführungdurch einen versierten Bibliothekar mit Abstand den ersten Platz einnehmen. Diese, in der Literatur oft beschriebene Vorliebe des Benutzers, wird auch in dieser Umfrage deutlich.
Andere als die oben genannten Einführungsarten wurden von den Bibliotheken nicht vermeldet; eine Bibliothek plant, demnächst ihren Schulungsvortrag auf Video anzubieten. 90% der Bibliotheken hatten eigene Bedienungsanleitungen verfaßt. Von den Benutzern wurde des öfteren der Wunsch nach einem Blatt, auf dem die wichtigsten Befehle kurz erklärt werden, geäußert. Wie die untenstehende Abbildung zeigt, decken sich die Angaben der Benutzer über die Art der Einführungen, an denen sie teilgenohmen haben, mit den Angaben der Bibliotheken recht gut. Nur 34% der Benutzer wurden durch Vermittlung der Bibliothek mit der CD-ROM vertraut gemacht, davon 21% in Gruppenkursen und 13% durch eine individuelle Einführung. Die mit 53% weitaus größte Gruppe stellten diejenigen Benutzer, die angegeben hatten, sich das Recherchieren selber beigebracht zu haben. 13% der Befragten wurden durch Freunde an das System herangeführt, so daß insgesamt fast 2/3 der Benutzer ohne Einflußmöglichkeit der Bibliothek das Recherchieren mit dem CD-ROM-System erlernt haben.
4.6. Der Einfluß der CD-ROM auf den Bibliotheksetat
Als Grund für die Einführung der CD-ROM wird von den Unterhaltsträgern der Bibliotheken immer wieder auf finanzielle und personelle Einsparungen hingewiesen (vgl. JAMMERS 1992). Doch die Veränderungen, die durch die CD-ROM in die Bibliotheken hineingebracht werden, zeigen eine entgegengesetzte Tendenz. Werden in der Informationsvermittlungsstelle Kapazitäten frei, ist die Bibliothek froh, sie für die Schulung der Benutzer und Wartung des CD-ROM-Systems umschichten zu können. Auch im Sachetat scheinen keine Einspareffekte wie etwa abbestellte Printversionen und nicht verausgabte Recherchemittel wirksam zu werden (58). Die Gesamtausgaben der Bibliothek scheinen im Gegenteil eher zuzunehmen, und das nicht nur deshalb, weil die Einführung der CD-ROM große Anfangsinvestitionen erfordert, sondern weil zusätzliche Kosten, wie Lizenzgebühren, anfallen.
Will die Bibliothek den Service durch Ausdruck (CD-ROM) - oder Kopiermöglichkeiten (Bücher, Zeitschriften, Mikrofiche) verbessern, stehen Kosten für Drucker und Kopiergeräte an. Die Zurverfügungstellung einer kostenlosen Möglichkeit des Ausdrucks der gesuchten Zitate wird weitgehend von den Bibliotheken angeboten. Sie empfinden die zusätzlichen Kosten, die durch den Drucker, das Papier, das Druckerband oder die Druckertinte anfallen, als notwendigen Teil der CD-ROM-Dienstleistung (GRANT 1990). Während die Kopierer meistens von Fremdfirmen bezahlt, aufgestellt und gewartet werden, aber auch ein gewisser Profit besonders in US-amerikanischen Bibliotheken für diese abfällt, werden die Verdienstmöglichkeiten, die in der CD-ROM stecken, noch von wenigen in vollem Umfang ausgenutzt (LEHMLER 1990; STARR 1990). DYER (1990) schlägt vor, so wie das Kopierproblem durch Münzkopierer gelöst wurde, könnte auch das Druckerproblem einen Profit für die Bibliothek bedeuten. Sollte die Möglichkeit des kostenlosen Ausdrucks mißbraucht werden, kann dieser software-mäßig auf eine bestimmte Zahl von Zitaten limitiert werden (typischerweise zwischen 25 und 50, aber auch bis 200: Public access... 1990). Die Möglichkeit, aus finanziellen und personellen Gründen auf einen Drucker zu verzichten und nur noch einen Download zuzulassen, kommt zwar der Mehrzahl der Benutzer nicht entgegen (59), wird aber von einigen Bibliotheken als Ausweg aus dem Printdilemma praktiziert (Public access... 1990; KALTENBORN 1991).
Wenn der Drucker als zu laut empfunden wird (60), können die Studenten auf die Möglichkeit des Downloads verwiesen werden. Wollen sie trotzdem einen Papierausdruck, müssen sie sich der Drucker im Computerzentrum der Hochschule bedienen (vgl. WHITSED 1989b).
Fallen für die Anschaffung der CD-ROM zusätzliche Kosten an, müssen diese Mittel im Etat an anderer Stelle eingespart werden. Bibliothekare traditioneller Prägung tuen sich schwer, die Kürzungen im Buchetat vorzunehmen (SALOMON 1988). Die Kündigung der von der CD-ROM 'ersetzten' Papierausgabe ist auch nicht immer angeraten. Nach GRANT (1990) wurden zwei der CD-ROMs der Boston College's O'Neill Library vom Buchetat, der Rest vom Etat der Informationsvermittlungsstelle bezahlt. STARR (1990) berichtet über die Praxis in der Kerr Library Corvalis, Oregon. Dort werden alle CD-ROMs vom Buchetat bezahlt, "obwohl kein finanzieller Spielraum vorhanden ist". Die Bibliothek der South Bank Polytechnic, London bezahlt ihre CD-ROM teilweise aus dem Zeitschriftenetat (FAIRMAN 1991). So geht eine CD-ROM-Anschaffung oft auf Kosten der Buch- und Zeitschriftenvielfalt des betreffenden Sachgebiets oder aber beeinträchtigt den Auskunftsetat.
SüHL-STROHMENGER (1992b) prognostiziert, daß aus Kostengründen nie die volle Palette der CD-ROM-Produkte angeboten werden könnte, und daß eine Abdeckung sämtlicher Fachgebiete und Informationsbedürfnisse aus prinzipiellen Erwägungen unmöglich sei. FAIRMAN (1991, S.362) ist dagegen optimistischer, denn er schreibt, daß es natürlich viele Gebiete ohne CD-ROM-Abdeckung gäbe, diese aber ständig weniger würden (61).
ANDERS (in O'LEARY 1990, S.30) wirft ein Licht auf die Zwänge, die hinter einer solchen Erwerbungspolitik stehen:
"Wann immer eine Datenbank auf Compact Disk herauskommt, die die Fachgebiete betrifft, die wir hier bei A&M lehren, gehen wir raus und kaufen sie. Es gibt gerade jetzt keine Möglichkeit, es nicht zu tun. Wir können nicht mehr zurück."
Eine Anschaffung der CD-ROM aus der Absicht heraus, die Online-Kosten zu minimieren, kann bei einer nur geringfügig sinkenden Recherchezahl schnell ein Rückschlag werden und es erzwingen, daß auch die vermittelten Online- Recherchen nur noch auf der CD-ROM durchgeführt werden, wie von BERNAL u. RENNER geschildert wird (1990). Die CD-ROM scheint kein Weg zu sein, um Geld zu sparen, sondern stellt eher eine Einbahnstraße zu Mehrausgaben dar, da immer wieder neue CD-ROMs angeschafft werden:
"Nichtsdestotrotz wird das Geld gefunden, weil die Vorteile der lokalen Datenbanken (auf CD-ROM) zu großartig sind, als daß man anders handeln könnte."(O'LEARY 1990, S.30)
Wie schon angedeutet, wird von einigen Bibliotheken versucht, durch Einführung von Gebühren für die CD-ROM-Benutzung, die Anschaffungskosten wieder hereinzuholen (STARR 1989). Dies kann problematisch werden, z.B. dann, wenn die Benutzer nicht wissen, daß es nur vorübergehender Natur ist. Einen kurzen 'dornigen' Weg, bis die Kosten 'eingespielt' sind, nehmen sie gern in Kauf, wenn ansonsten die CD-ROM überhaupt nicht zur Verfügung stände. Eine durchgehende Bezahlung, selbst des kleinsten Betrages, hält sie dagegen von der Recherche ab, unter anderen auch deshalb, weil für sie das Medium CD-ROM eine 'verbesserte Papierausgabe' ist, dessen Bezahlung sie nicht einsehen (vgl. LEHMLER 1990).
Ein CD-ROM-Netzwerk erfordert größere Anfangsinvestitionen als die entsprechende Anzahl von Einzelplätzen. Es werden zwar die CD-ROM-Spieler und Drucker geteilt, aber meistens wird anstelle dieser ein 7- oder 14-facher Laufwerkturm mit eingebautem Mikrocomputer (der sogenannte 'CD-Server') eingekauft, um die Möglichkeiten des Netzwerks auch voll ausnutzen zu können. Im Meridian Data-Netzwerk, das von der Firma Dr.Holthaus + Heinsch(Göttingen) über 70 mal in Deutschland installiert wurde, ist zudem noch ein sog. 'File-Server' notwendig. Insgesamt - mit Sicherungshardware und Software belaufen sich die Kosten auf ca. 120.000 DM für nur 5 Arbeitsplätze (verglichen mit ca. 6.000 DM für einen Einzelplatz mit einem CD-ROM-Spieler). Diese Konfiguration erlaubt über zwei zusätzliche Geräte (den Access-Server und die Bridge) die potentiell hochschulweite Recherche. Außerdem sind für jeden zusätzlichen Arbeitsplatz nur noch die Kosten für den PC und die Verkabelung zu tragen.
Die an der Umfrage beteiligten Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen mußten die großen Anfangsinvestitionen für ihre CD-ROM-Netzwerke nicht aus laufenden Etat bezahlen, da diese durch ein Sonderprogramm des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung getragen wurden. Bei den übrigen Bibliotheken liegen hierzu keine Angaben vor, da nicht nach der Finanzierung der CD-ROM-Netzwerke gefragt wurde.
Teilt man das durch das Sonderprogramm freigewordene Geld durch die Anzahl der davon profitierten Bibliotheken, ergibt sich für jede Bibliothek eine Summe von rund 112.000 DM. Davon kann ein CD-ROM-Netz mit mindestens vier Arbeitsplätzen eingerichtet werden(s.o.).
Für 17 Bibliotheken Nordrhein-Westfalens wurden CD-ROM-Netzwerke finanziert, so daß sie nur noch für die laufenden Kosten aufkommen müssen. Dazu werden Sachmittel im Etat benötigt, die offensichtlich bei vier der zehn befragten Bibliotheken in genügendem Maße vorhanden sind, denn sie geben an, daß sie für den Erwerb der CD-ROMs nicht an anderer Stelle sparen müssen. Unter diesen Bibliotheken befindet sich keine aus den neuen Bundesländern. Weitere sechs Bibliotheken geben an, daß sie sparen müssen. Zwei haben eineAusgabe des Index Medicus abbestellt, vier weitere sparen entweder bei den Zeitschriften oder bei den Monographien oder bei beiden. Eine Gebühr für den Ausdruck des Suchergebnisses wird von einer Bibliothek erhoben, zwei weitere spielen mit dem Gedanken, Gebühren einzuführen. Interessanterweise sind von diesen drei Bibliotheken zwei aus den neuen Bundesländern. Die Möglichkeit eines kostenlosen Downloads wird unbegrenzt angeboten und von den Benutzern auch gerne benutzt.
4.7. Sicherheit und CD-ROM
Die große Angst aller PC-Besitzer ist ein Computervirus, der Dateien und Festplatten zerstört. Seit in den Bibliotheken öffentlich zugängliche PCs stehen, sind auch bei ihnen Vorkehrungen gegen diese Gefahr notwendig geworden, denn wie der Virusexperte LATEULERE (1992, S.105) schreibt:
"Es ist nicht länger die Frage ob man (mit einem Computervirus) infiziert wird oder nicht, sondern nur noch von wem und wie oft."
Die wichtigste Eintrittspforte für einen Virus ist eine virulente Diskette im Laufwerk (ZINK 1988). Da beim Download von Datenbanken stets eine Diskette in den Laufwerksschacht eingeführt werden muß, ist hier die Gefahr am ehesten gegeben, daß ein Virus den CD-ROM-PC infiziert. Von dort ist ein Befall aller Benutzerdisketten möglich. Einige Virusarten schleichen sich in stromunabhängige Bootdateien oder Systemfiles. Sie kopieren sich selber auf jede Diskette, die in das Floppy-Laufwerk gesteckt und auf die vom System zugegriffen wird, sei es nur durch einen simplen "DIR"-Befehl. Um diese Gefahr zu minimieren, untersagen viele Bibliotheken entweder einen Download oder stellen vorformatierte Disketten gegen eine geringe Gebühr oder im Tausch gegen eine Benutzerdiskette zur Verfügung (VASI u. LAGUARDIA 1992). Manche vertrauen auf die Unwahrscheinlichkeit einer heimtückischen Attacke, andere säubern tagtäglich mit Hilfe von Virenerkennungsprogrammen die Festplatten von den potentiellen übeltätern (ZINK 1991; so auch die UB Bielefeld, UB Dortmund, UB München: PC-Arbeitsplätze ... 1991, S.13).
Gegen Viren aufgrund ihres 'Nurlese'-Charakters geschützt, unterliegt die CD-ROM-Scheibe ihrer geringen Größe wegen einer gewissen Diebstahlsgefahr (REESE u. STEFFEY 1988), so daß mancherorts Schlösser vor den CD-ROM-Spielern angebracht wurden (STARR 1990; VAN BRAKEL 1991). Aber auch PCs, Drucker, CD-ROM-Spieler, selbst Tastaturen können entwendet werden (AU u. BORISOVETS 1990) und sollten deswegen durch Sicherheitskabel untrennbar mit dem Arbeitstisch verbunden werden.
Ebenfalls wegen ihrer "passenden" Größe, kann die CD-ROM-Scheibe in ein 5.25-Zoll-Diskettenlaufwerksschacht gesteckt werden (oder die Disketten in den CD-ROM-Spieler). Ein Entfernen der CD-ROM ist dann nicht mehr so ohne weiteres möglich, es ist ratsam das Laufwerk zu zerlegen, bevor die CD-ROM beim Stochern mit dem Schraubenzieher zerkratzt wird. Einfacher ist es natürlich, den Laufwerksschacht zu verschließen, doch das würde den Download unterbinden. Nichts befriedigt einen böswilligen Computerfreak mehr und nährt sein Selbstbewußtsein stärker, als auf einem gesicherten PC zur DOS-Betriebsebene durchzubrechen. Ob er dann die AUTOEXEC.BAT - oder die CONFIG.SYS - Datei löscht und damit viel Installationsarbeit verloren geht, hängt von seinen Absichten ab (VASI u. LAGUARDIA 1992). Kaum ein Tag vergeht, ohne das Bibliothekare Benutzer dabei ertappen, wie sie auf Betriebssystemebene 'arbeiten'. Kann den meisten von ihnen auch keine böse Absicht unterstellt werden, und ist es allenfalls Neugierde oder ein Systemabsturz, was sie an diese Stelle geführt hat, so kann doch eine Veränderung wichtiger Dateien auch durch diese harmlosen Benutzer nicht ausgeschlossen werden.
STARR (1990) hat deshalb in seiner Bibliothek alle DOS-Kommandos, die mißbraucht werden könnten, von der Festplatte entfernt. Der Zugang zur DOS-Ebene kann auch durch Sicherheitsprogramme verhindert und durch Passwörter versperrt werden. Der Nachteil all dieser und noch weiterer Mittel ist, daß der Installationsaufwand mit jeder errichteten Schranke automatisch mitwächst. Passwörter müssen verwaltet werden, Sicherheitssoftware will aktualisiert werden. ZINK (1991) empfiehlt eng zusammengestellte CD-ROM-Stationen in der Nähe der Bedienungstheke. Die dann mögliche gegenseitige überwachung der Benutzer und die Einsichtsmöglichkeiten des Personals können zerstörerische Aktionen schon im Keim ersticken.
Welche Maßnahmen haben die untersuchten zehn Bibliotheken gegen die Bedrohung durch Computerviren unternommen? Trotz der geschilderten Gefahr, die den öffentlich aufgestellten PCs der CD-ROM-Netzwerke droht, vertrauen die meisten Bibliotheken anscheinend darauf, daß 'schon nichts passiert', denn nur vier der zehn befragten Universitätsbibliotheken benutzen spezielle Software, um Viren erkennen und unschädlich machen zu können. Weitere zwei Bibliotheken verhindern eine Vireninfiltration schon im Keim. Dazu wird von einer Bibliothek eine spezielle Sicherheitssoftware benutzt, die es unmöglich macht, daß ein Virus von der Floppy-Diskette des Benutzers auf die Festplatte des CD-ROM-PCs kopiert werden kann. Die andere Bibliothek stellt dem Benutzer eine formatierte Diskette zum Download zur Verfügung. Zwei der Bibliotheken geben an, den Zugang zum PC-Betriebssystem mit Passwörtern zu schützen. Eine Bibliothek sichert ihr Netz dreifach ab, indem sie sowohl den Benutzern formatierte Disketten im Tausch gegen Benutzerdisketten anbietet, als auch Virensuchprogramme anwendet und einen Download nur vom eigenen Personal durchführen läßt. Hier muß - wie von allen anderen Bibliotheken - ein gangbarer Weg zwischen den Sicherheitsbedürfnissen der Bibliothek und den Informationsbedürfnissen der Benutzer gefunden werden.
4.8. Public Relations und CD-ROM
Übereinstimmend wird von allen Bibliotheken mitgeteilt, daß die überwiegende Anzahl ihrer CD-ROM-Benutzer durch Mundpropaganda von der Existenz dieser Informationsquelle gehört haben (z.B. MILLER 1987). Wie LEHMLER (1990, S.78) konstatiert, spielt die Werbung der Bibliothek dabei kaum eine Rolle - im Gegenteil: Die CD-ROM ist Werbung für die Bibliothek.
Wieso werden dann überhaupt noch von Bibliotheken Werbekampagnen veranstaltet, da es doch offensichtlich paradox ist, eine Dienstleistung bekannt zu machen, die schon sehr populär ist, wie TAYLOR (1989) konstatiert. Er begründet seine Propagierung eines wohldosierten Marketings wie folgt: Diejenigen Benutzer, die durch Mundpropaganda oder Serendipity zufällig von der Existenz eines CD-ROM-Systems gehört haben, bilden keinen homogenen Querschnitt durch die Gesamtheit alle potentiellen Benutzer, die von diesem Angebot profitieren könnten. Viele benutzen die Bibliothek nur einmal im Jahr oder noch seltener, wenn überhaupt, und nehmen so von der CD-ROM keine Notiz. Dabei sei es gerade für die Bibliothek selber enorm wichtig, daß bestimmte Personen aus der Universitäts- oder Bibliotheksverwaltung dieses Angebot zu schätzen lernen, denn schließlich müssen die Bibliothekare gute Argumente bei der Verteidigung ihres Etats in der Hand haben. Darum ist der Bekanntheitsgrad bei den richtigen Leuten so bedeutungsvoll.
Die verschiedenen Arten, mit denen eine Bibliothek Werbung betreiben kann, werden in dem Buch "Public Access CD-ROMs in libraries" (1990) aufgelistet:
- Videofilm über die Bibliothek mit CD-ROM-Recherche,
kann
in der Universität gezeigt werden,
- Aushängeschilder,
- Ausstellungen, die bei Semesterrundgängen besucht
werden,
- Empfänge, Workshops,
- Briefe, Faltblätter für jeweils spezielle
Benutzergruppen,
- Notizen und Poster am Schwarzen Brett,
- Berichte in der Lokal-Presse lancieren,
- sich während Konferenzen präsentieren,
- Werbeplakate im Campus aufhängen (62).