http://www.bayern.de/Politik/Regierungserklaerungen/1994-12-08/kap6.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)
6. Mut zu mehr Verantwortung
Wenn wir in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat
Mut zu Neuem brauchen, müssen wir vor allem Mut
zu mehr Verantwortung aufbringen.
Kernelement sozialer Gerechtigkeit ist der
Vorrang
der Eigenverantwortung vor der
Inanspruchnahme
solidarischer Mitverantwortung. Die
Einforderung
von Solidarität ohne
Eigenverantwortung
führt zu Mißbrauch, zu Ausbeutung der
Bescheidenen
durch die Anspruchsvollen, der
Schwachen
durch die Bequemen und Rücksichtslosen.
Uns geht es gerade um die Erhaltung von
Solidarität
und wirkungsvoller Hilfe überall dort, wo
Menschen in Not sie brauchen. Wer dies als
Sozialabbau diffamiert, hat noch nicht
begriffen,
daß unsere Ressourcen begrenzt sind.
Sozialstaat umbauen
Neue Gestaltungsspielräume gewinnt der
Sozialstaat
auf seinem heute hohen Leistungsniveau
daher
in erster Linie durch den Umbau des
Sozialsystems.
Das erfordert klare Prioritäten und die
Konzentration auf das Notwendige vor dem
Wünschenswerten.
Daher haben wir in den Koalitionsverhandlungen
durchgesetzt, für Empfänger von Sozialhilfe die
Anreize zu verstärken, ihren Lebensunterhalt
selbst zu bestreiten. Wer für sich selbst sorgen
kann, darf nicht auf Kosten der
Solidargemeinschaft
leben. Ablehnung zumutbarer Arbeit muß
auch wirklich zu einer Minderung der Sozialhilfe
führen. Wer arbeiten kann, aber nicht will,
mißbraucht
unsere Solidargemeinschaft. Das dämmert
jetzt anscheinend auch einer Minderheit in der
SPD. Kaum gibt es geringen Gegenwind, rudert sie
schon wieder zurück.
Gerechte Bildungschancen für alle
Mut zu mehr Verantwortung ist auch in der
Bildungspolitik
gefragt. Bildung ist bei uns
Bürgerrecht.
- Der Staat hat deshalb die ständige Aufgabe,
gerechte Bildungschancen für alle
anzubieten.
Darauf sind wir als Industrienation besonders angewiesen;
- Andererseits brauchen wir aber auch verstärkte
Eigenverantwortung, denn Bildung ist
vor allem auch Bildungsanstrengung.
Daraus ergeben sich für die neue
Legislaturperiode folgende Schwerpunkte:
- Die Staatsregierung will das
vielgliedrige Schulwesen , das auf Verantwortung und
Leistungsbereitschaft
setzt und der Vielfalt
der Begabungen am besten entspricht,
stärken.
Die schwierigste der vor uns liegenden
Aufgaben
heißt "Schülerberg".
Bis zum Jahr 2000 ist ein Zuwachs von jährlich ca. 34 000
Schülern zu erwarten. Um dennoch den hohen
Ausbildungsstandard an unseren Schulen
halten zu können, brauchen wir Sparmaßnahmen,
Umorganisationen und auch zusätzliche
Planstellen.
Ziele und Maßnahmen sind:
- eine effizientere Schulorganisation,
- vorübergehende Einschnitte im Unterrichtsangebot,
- bezahlte Mehrarbeit,
- die Gewinnung von Teilzeitkräften für Volleinsatz,
- ein befristeter Einsatz von Angestellten und
- eine geringfügige Erhöhung der Klassenstärken.
Wer angesichts dieses Schülerbergs keine
einzige Klasse über 30 fordert, lebt in
Utopia!
- Die Staatsregierung will Haupt- und Realschule
weiter stärken. Damit werten wir die
berufliche Bildung auf.
Wir werden den Schulversuch, nach einem
zusätzlichen
freiwilligen 10. Hauptschuljahr
die mittlere Reife unmittelbar an der
Hauptschule
zu erwerben, ausweiten. Die
Hauptschule
wird eine neue Stundentafel und einen
neuen Lehrplan erhalten, Englisch und
Arbeitslehre
werden fächerübergreifende
Schwerpunkte.
Bei erfolgreichem Verlauf des Schulversuchs
"sechsstufige Realschule", der
vielversprechend
anlief, werden wir die sechsstufige
Realschule dauerhaft einrichten.
- Die Staatsregierung wird bundesweit Motor
sein für eine weitere Profilierung der
Oberstufe des Gymnasiums. Die Abiturprüfung muß
auf die wesentlichen Fächer konzentriert
werden.
An die Adresse der Opposition sage ich:
- Über die beendeten Schulversuche hinaus wird
es in Bayern keine Gesamtschulen geben. Die
Vergötzung der Gesamtschule ist ein
ideologischer
Holzweg der SPD.
- Wir setzen auf eine fundierte berufliche
Bildung. Die SPD-Politik des "Abitur um
jeden
Preis" verstopft die Hochschulen und
provoziert Akademikerarbeitslosigkeit. Das
ist ein Frustprogramm - keine Perspektive!
- Die Schule ist für uns Lebensraum, aber auch
Ort der Leistung und Bewährung.
Discount-Bildungsabschlüsse,
wie sie die SPD immer
wieder ansteuert, gibt es mit uns nicht.
Neue Akzente in der Kulturpolitik setzen
Meine Damen und Herren!
Gerade die Kultur lebt vom persönlichen Einsatz
und von der Begeisterung. In einer Zeit knapper
Finanzmittel kommt dem privaten, freiwilligen
Engagement eine besondere Bedeutung zu.
Deshalb unterstützen wir auch in der Kulturpolitik die
Übernahme von mehr Verantwortung für das
Gemeinwesen.
- Wir werden Mäzene in einer besonderen Weise
würdigen. Das wird der Kulturförderung in
Bayern neue Impulse verleihen.
- Privates Engagement und Verantwortung wollen
wir auch bei den beiden großen
Kulturprojekten
der neuen Legislaturperiode in Bayern
mit einbeziehen: Wir wollen die
Staatsgalerie für Moderne Kunst
in München und das
Museum des 20. Jahrhunderts
in Nürnberg
spätestens
1996 beginnen und nicht nur mit
Privatisierungsmitteln,
sondern auch mit privaten
Spenden finanzieren.
Unsere Kulturpolitik werden wir mit neuen Akzenten
fortsetzen:
- Von Bayern gingen immer wieder in der
Kunstgeschichte
Impulse für die europäische
Kultur
aus. Diese Tradition verpflichtet uns.
Wir werden mit einer Stiftung eine
bayerische
"Villa Massimo"
schaffen. Damit bieten
wir bildenden Künstlern, Autoren und später
auch Musikern aus aller Welt zusammen mit
bayerischen Künstlern einen gemeinsamen Ort
der Arbeit und Inspiration an.
- Bayern hat sich kulturpolitisch immer auch
einem bundesweiten Wettbewerb gestellt. Dazu
loben wir einen
Bayerischen Theaterpreis für
alle deutschsprachigen Bühnen aus. Mit der
Preisverleihung soll ein
Tag des offenen Theaters in ganz Bayern
verbunden sein.
- Genauso wichtig ist uns die Breite des
kulturellen
Angebots. Daher halten wir fest an
der Förderung der Theater in allen
Landesteilen,
an der Pflege der unvergleichlich
reichen Museumslandschaft in Bayern, an der
Förderung der Volksmusik, der Gesangs-,
Trachten- und Schützenvereine sowie aller
Einrichtungen, die sich um das Brauchtum
verdient machen. Das gilt ebenso für den
Sport, dem die Staatsregierung eine
besonders
hohe Bedeutung beimißt.