Römisches
Kastell
Bad Cannstatt
Geschütztes
Denkmal
Das Alen-Kastell in Stuttgart-Bad Cannstatt
Stuttgart-Bad Cannstatt; Baden-Württemberg (Deutschland)
Das Erdkastell
Mit der Stationierung römischer Truppen
an der Neckar-Odenwald-Linie, wurde in den Jahren
vor 90 n.Chr. über dem linken Neckarufer auf
dem Altenburger Feld ein einfaches und schnell zu
erbauendes Kastell in Holz-Erde-Bauweise errichtet.
Ein Spitzgraben (Breite
6-7 m, Tiefe 2-3 m) umschließt ein rechteckiges Areal (185 x 160
m = 2,97 ha). Der Umfassungsgraben verläuft nachweislich vor zwei
Lagertoren durch, so daß zu mindest an diesen beiden Toren die
aus dem Lager herausführenden Straßen den Graben über
Brücken passiert haben müssen. Es konnten
Reste der Holztore festgestellt werden. Hinter dem
Graben folgt nach einer Berme (Breite 0,15 m), eine sog. Holz-Erde-Mauer
(Breite 3-3,50 m), eine durch Pfostenwände verschalte Erdaufschüttung
(Höhe ca. 3 m), auf der die Soldaten im Verteidigungsfalle hinter
einer Brustwehr Stellung bezogen. Von den Innenbauten
(Holzbaracken) konnten nur noch wenige Überreste
festgestellt werden, so daß über die Orientierung des
Holzerdlagers nichts gesagt werden kann.
Das
Steinkastell
Um 100 n. Chr. wurde das
Erdkastell durch ein Steinkastell ersetzt. Die Mauern des
Steinkastells gingen im Nordwesten und Westen einige Meter über
das Erdkastell hinaus, während die südöstliche
Lagermauer innerhalb des Erdkastells lag. Das nach Südosten
ausgerichtete Stabsgebäude (principia)
bestimmte die Orientierung des Lagers nach Südosten, zum Neckar
hin. Die Umfassungsmauer (Breite 0,90-1,20 m)
bestand aus Gußmauerwerk, auf beiden Seiten
mit kleinen Sandstein- und Tuffsteinquadern verkleidet. Sie hatte auf
der Innenseite in regelmäßigen Abständen von 5,5-6 m
Sporen (Breite 0,70 m, Länge 1,5 m). Die Sporen
trugen sehr wahrscheinlich den Wehrgang aus Holz. Im
rückwärtigen Lager teil (retentura) sind an der
Lagermauer Eck- und Zwischentürme nachgewiesen.
Das rückwärtige Lagertor (porta
decumana) (5) hatte nur eine Durchfahrt (Breite 1,50 m). Alle übrigen
Tore hatten Doppeldurchfahrten: Ausfallstor (porta praetoria)
(Breite 3,40 m, Durchfahrten: 1,10 und 1,50 m); rechtes Lagertor (porta
principalis dextra) (Breite 6 m, Durchfahrten: 2,20 m und 2 m);
linkes Lagertor (porta principalis sinistra) (Durchfahrten je
3,10 m). Kastellgraben östlich des rückwärtigen
Lagertores: Breite 4,50 m, Tiefe 1 m, Bermen B 2,50 m, nördlich
des linken Lagertores: Breite 8 m, Tiefe 1,50 m, Bermen Breite 1 m.
Die Lagerstraßen
bestanden aus einer Kiesschicht mit Steinen: Lagerhauptstraße
(via principalis) Breite 10-12 m, Ausfallsstraße (via
praetoria) Breite 8 m und rückwärtige Lagerstraße
(via decumana) Breite 10 m. In einem Abstande von 3,50 m verläuft
die Lagerringstraße (via sagularis), Breite 4 m, der
Lagermauer parallel.
Das etwas aus der Mitte des Lagers nach der
rechten Lagerseite hin verschobene Stabsgebäude
hatte zwei Höfe, von denen der vordere Hof beiderseits von je
einer Halle begleitet war. Die Mauern des durch eine Apsis
hervorgehobenen Fahnenheiligtums (sacellum) gehen
durch bis zur Trennmauer der Höfe. Beiderseits der Apsis
gruppierten sich je drei Räume und rechts und links des hinteren
Hofes je ein größerer und ein kleinerer Raum. Von den übrigen
Lagerinnenbauten konnten lediglich zwei Steingebäude
an der Lagerhauptstraße hinter dem rechten Lagertor festgestellt
werden.
Das Lagerdorf
Das Lagerdorf (vicus) erstreckte
sich beiderseits der aus dem rechten und rückwärtigen
Lagertor führenden Straßen. Die in Fachwerkbauweise
errichteten Häuser (canabae) waren unterkellert
und hatten bis zu 15,80 m tiefe Brunnen, die neben
den Häusern lagen. Es wurden auch Häuser mit Fußbodenheizung
(hypocaustum) festgestellt. Von einem großen
Töpfereibetrieb zwischen Steigfriedhof und Löwentorstrasse,
entlang des Sparrhämlingwegs, sind bis jetzt 40 Töpferöfen
gefunden worden. Inschriften lassen vermuten, daß es im
Lagerdorf einen Tempel der Großen Göttermutter
(Magna Mater) und der Diana Abnoba gab. Das Bruchstück
eines Gigantenreiters weist auf eine Jupitergigantensäule.
Als die ala I Scubulorum um 150 n.
Chr. Cannstatt verließ, wurde auch das Kastellgelände, wie
andernorts, in die bürgerliche Nachfolgesiedlung einbezogen. In
diese Zeit gehören zwei Einbauten in der westlichen Lagerecke, wo
u.a. ein Epona- und ein Nymphenrelief gefunden wurden.
Die Strassenstation
Die inschriftlich bezeugte Straßenstation
(statio) (14) lag sehr wahrscheinlich vor der Westecke des
Kastells, wo die von Straßburg, Mainz, Benningen und Köngen
kommenden römische Straßen zusammentrafen. An dieser Stelle
hatte Serenus Atticus, Kommandant der Straßenstation
(statio), den Vierwegegöttinnen (deae Quadriviae),
im Jahre 230 n. Chr. einen Weihealtar
aufstellen lassen,
Der Friedhof
Der Friedhof (15) der Kastellbesatzung (ala
I Scubulorum) und der Bewohner des Lagerdorfes liegt 600 m
nordwestlich des Kastells beiderseits der nach Walheim führenden
römischen Straße auf dem Gelände der Ziegelei
Höfer. Die Nordwestseite und zumindest eine Strecke der Südwestseite
des Gräberfeldes war von einer Mauer umgeben.
Den Friedhof entdeckte Johann Memminger 1817.
Seitdem wurde immer wieder in dem Friedhof gegraben und u.a. ein
Grabgebäude mit Weihungen an Herecura (1898), Skulpturen
von Grabbauten, meist Löwenplastiken (1901), Grabreliefs und
Skulpturenreste von Grabdenkmälern (1906) gefunden. 1955 hat das
Landesdenkmalamt südwestlich der Straße 83 Gräber
ausgegraben.
Die Belegung des Gräberfeldes
begann bald nach Gründung des Kastells um 90 n. Chr. und dauerte
bis in die 60er Jahre des 2. Jh. n. Chr. Seitdem verminderte sich die
Belegung, und noch vor der Wende zum 3. Jh. n. Chr. scheint der
Friedhof im großen und ganzen aufgegeben worden zu sein. Es gibt
einige wenige Gräber aus dem frühen 3. Jh. n. Chr. Die
Gesamtzahl der Bestattungen (Brandgräber und etwa 5% Körpergräber)
beträgt etwa 3000.
Die Strassen
Das an der römischen Neckarstraße
gelegene Kastell Cannstatt hatte Straßenverbindungen nach den
Provinzhauptstädten Mainz/Mogontiacum und Augsburg/Augusta
Vindelicum, zu dem Legionslager Straßburg/Argentorate
und ins Neckar und Remstal.
- Funde befinden sich im Württembergischen Landesmuseum
Stuttgart - Die Forschung
Texte: Philipp Filtzinger; nach: Die Römer
in Baden-Württemberg,HTML-Redaktion: W.M.Werner
10. August 1997 - Für Anregungen oder Fragen:
Wolfgang M. Werner
wmwerner@compuserve.com
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