Insolvenzschutz

Gefährliches Schlummern

Wenig Reisebüro-Kunden interessieren sich im Moment dafür, ob ihre Urlaubsgroschen abgesichert sind. Auch die Veranstalter werben kaum mit dem neuen lnsolvenzschutz. Kürzlich blätterte ein Kunde in einem rheinischen Reisebüro 8000 Mark für seine Fernreise im Februar auf den Counter. Der Mann wollte seinen Urlaub sofort bezahlt wissen und drängte das Geld dem Verkäufer regelrecht auf.

"Selbst dieser Kunde hat sich nicht einmal erkundigt, ob seine Zahlung jetzt bei einem Konkurs des Veranstalters abgesichert ist", wunderte sich der Reisebüro-Inhaber. Der hat sich rein rechtlich betrachtet strafbar gemacht. Denn der Reiseverkäufer verstieß mit diesem Inkasso gegen die EG-Pauschalreiserichtlinie. Das im Mai verabschiedete Gesetz erlaubt ohne die Aushändigung eines Reisepreis-Sicherungsscheines nur eine Anzahlung von zehn Prozent des Reisepreises bis maximal 500 Mark.

"Die meisten Reisebüros haben sich mit den Auswirkungen des neuen Gesetzes noch viel zu wenig beschäftigt", bestätigt ASR-Vorstand Klaus Laepple. Zumal die Kundengeldabsicherung in der Branche derzeit kein Thema mehr ist. Auch in Laepples Düsseldorfer Reisebüro erkundigen sich kaum Verbraucher nach dem im Frühjahr noch so oft diskutierten Insolvenzschutz. "ln unserer Medienwelt bleibt nichts lange im Gedächtnis", nennt der Touristiker als Grund.

Auch die bisher erschienenen Winterkataloge der Veranstalter gehen nach Meinung des Frankfurter Reisebüro-Inhabers Klaus Weidlich viel zuwenig auf die neue Kundengeldabsicherung ein. TUI und NUR haben den Passus der Richtlinielediglich ins Kleingedruckte übernommen. ITS erwähnt die Kundengeldabsicherung überhaupt nicht. "Für uns ist das ein alter Hut, weil wir das schon seit Jahren hatten", begründet Geschäftsführer Klaus Scheyer.

LTU-Tochter Meiers hat den Passus im Kleingedruckten immerhin fett hervorgehoben. Halbschwester Tjaereborg wirbt sogar mit dem DSR-Logo auf dem Katalog. Mittelständler Alltours ist die neue Versicherung ein Hinweis auf dem Titel des Preisteils wert. Die Mitbewerber Hetzel und Kreutzer widmen dem Thema einen kurzen Text in ihren Katalogen.

"lch hatte mir schon vorgestellt, daß die Veranstalter mit dieser Neuerung viel stärker an die Öffentlichkeit gehen würden", zeigt sich Klaus Weidlich enttäuscht, wie die Branche damit eine große Chance in Sachen Vertrauenswerbung für die Pauschalreise vertut.

Daß das Thema Insolvenzschutz für die Branche nicht ein für allemal vom Tisch ist, darüber sind sich erfahrene Touristiker wie Weidlich und Laepple einig. "Spätestens beim nächsten größeren Konkurs kocht das wieder hoch", meint Klaus Laepple. Außerdem wird seiner Meinung nach die praktische Umsetzung der EU-Richtlinie die Urlaubsverkäufer in ihrer Arbeit noch eine Weile beschäftigen.

Jüngst kam dem Düsseldorfer Reisebüro-Inhaber ein Chefrundschreiben eines mitielständischen Veranstalters auf den Schreibtisch. Darin ordnete dieser seine Agenturen an, den Reisepreis frühestens zehn Tage vor Abreise zu kassieren. Für Laepple ist klar, daß der Veranstalter damit das Risiko bei seiner Versicherung minimiert, um möglichst günstige Konditionen zu erhalten. Für den Reisebüro-Besitzer ist das aber ein Schritt zurück in die Steinzeit des Zahlungsverkehres. Denn so kurz vor Toresschluß kann er weder Schecks noch Kreditkarten akzeptieren, sondern muß Cash verlangen. Last but not least bringt der Verkauf von Reiseteilleistungen die befürchteten Unsicherheiten in die Reisebüros. In der Frage, wann ein Reisebüro dadurch zum Veranstalter wird, sind sich selbst die Juristen nicht ganz einig. "Also lasse ich jetzt lieber die Finger davon", meint ein Reisebüro-Inhaber. Damit, so Laepple, verliere der Urlaubsverkäufer aber Kunden und Geschäft, es sei also besser, sich zu informieren, und das tue offensichtlich kaum jemand.


Quelle: Touristik Report Nr. 18 vom 09.09.94, Seite 14