INTERN Nr. 7 /1995
§ 218
INTERN Nr. 7 /1995
Inge Wettig-Danielmeier: Tragfähiger Kompromiß beim § 218
Wir haben es geschafft!
Der Deutsche Bundestag hat am 29.6.1995 über die Parteigrenzen
hinweg mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP das Gesetz zur
Änderung des § 218 StGB verabschiedet; ein Gesetz, das nach
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1993 über das
Schwangeren- und Familienhilfegesetz, endlich Rechtssicherheit
für die betroffenen Frauen, Ärztinnen und Ärzte,
Beraterinnen und Berater schafft. Der Ausgleich ist getragen von der
Überzeugung, daß es wenig Sinn macht, bei bestehenden
Meinungsverschiedenheiten immer wieder das Bundes- verfassungsgericht
zum Schiedsrichter zu machen. Es mußten praktische Fragen
gelöst und die sich aus dem Karlsruher Urteil ergebenden
Spielräume genutzt werden. Dies ist uns in wichtigen Punkten, wie
z. B. der Finanzierung gelungen. Das Gesetz übernimmt hier das
SPD- Modell eines Leistungsgesetzes: Die Krankenkassen wickeln die
Finanzierung ab, die Anonymität der Frauen wird gewahrt. Sie
müssen nicht zum Sozialamt, wie es der Entwurf von CDU/CSU
vorsah. Die Bedarfsgrenze wird auf ein persönliches
Nettoeinkommen von 1.700 DM festgelegt, zusätzlich 400 DM
für jedes Kind. Das Einkommen von Ehepartner, Eltern oder
sonstigen Unterhaltsverpflichteten wird nicht berücksichtigt. Der
Einkommensnachweis wird im vereinfachten Verfahren von den Kassen
vorgenommen. Die Länder regeln die Erstattung an die
Krankenkassen. Es gibt auch keine zweite Konfliktberatung bei dem
Arzt, der abbricht. Die Frau muß ihre Gründe nicht
offenlegen, genauso wenig wie bei der Beratung. Auch dies ist ein
Fortschritt. Der Arzt, die Ärztin gewinnen Klarheit und
Rechtssicherheit. Bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten
Bestrafung des familiären Umfeldes hat die CDU/CSU auf ein
Sonderstrafrecht verzichtet, allerdings wird im Kompromiß
deutlich gemacht, daß das bisherige Strafrecht im
Nötigungstatbestand immer auch die Nötigung zum
Schwangerschaftsabbruch erfaßt. CDU/CSU und FDP sind unserem
Vorschlag gefolgt, die embryopathische oder eugenische Indikation
entfallen zu lassen. Es kann nur auf die Frau ankommen, ihre
Belastbarkeit, ihre Lebensperspektive, und nicht auf die mögliche
Behinderung des Kindes. Die Vorwürfe gegen die neue medizinische
Indikation zeigen aber, wie irrational dieses Thema immer noch
behandelt wird. Schließlich handelt es sich um die
"alte" Indikation, die jahrzehntelang nicht zu
Mißbrauch geführt hat. Zäh war das Ringen um die
Beratungsregelungen. Die Beratung wird ergebnisoffen erfolgen, die
Frau darf nicht bevormundet werden, auch wenn das Beratungsziel -
definiert im § 219 - Schutz des ungeborenen Lebens
heißt. Die Verantwortung trägt die Frau. Sie trifft die
Entscheidung.
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