Daimler-Benz News vom 17.3.1995

STORM

Übersicht

Stuttgart, 17. März 1995
Der Wunsch nach Mobilität ist ungebrochen. Immer mehr Verkehrsteilnehmer wollen schnell und vor allem ohne Staus an ihr Ziel gelangen. Der Ausbau von zusätzlichen Verkehrswegen stößt an ökonomische, aber auch an ökologische Grenzen. Deshalb muß das, was an Verkehrssystemen und Straßen vorhanden ist, besser genutzt und optimal miteinander verknüpft werden. Das bedeutet aber auch, daß der öffentliche und der individuelle Verkehr stärker als bisher miteinander kooperieren müssen. Genau das soll mit STORM, dem Regionalen Verkehrsmanagement Stuttgart, erreicht werden. Auslöser für STORM war das europäische Forschungsprogramm PROMETHEUS, in dem sich 1986 auf Anregung von Daimler-Benz die Forschungsabteilungen der europäischen Automobilhersteller, der Elektronik- und Zulieferindustrie sowie zahlreiche Forschungsinstitute zu einer vorwettbewerblichen Zusammenarbeit entschlossen.

Das Land Baden-Württemberg, die Landeshauptstadt Stuttgart und die Daimler-Benz AG ergriffen schon 1990 die Initiative. Es wurden zunächst im Rahmen einer Machbarkeitsstudie praktikable Wege zu einem zukunftsweisenden Verkehrsmanagement aufgezeigt. Bereits ein halbes Jahr später fiel der Beschluß, ein öffentlich-privates Konsortium mit weiteren Partnern zu gründen. Im Januar 1993 war es dann soweit. STORM war Wirklichkeit geworden, getragen vom Verkehrs-ministerium Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Süddeutschen Rundfunk sowie den Unternehmen Daimler-Benz, Bosch, Siemens, Alcatel SEL, Deutsche Systemtechnik, Hewlett Packard, Raab Karcher Spedition und der Dekra. Die wissenschaftliche Betreuung der einzelnen Projekte und die Auswertung der Ergebnisse liegen bei mehreren Ingenieurbüros und wissenschaftlichen Instituten.

Die Projektkosten von STORM belaufen sich auf über 60 Mio. DM, die zu ca. 75 % von der Industrie getragen werden. Die restlichen Mittel erbringen das Land, die Stadt und die Europäische Gemeinschaft.

Der Datenverbund

Herzstück des gesamten Systems ist der Datenverbund. Bereits vorhandene, aber bisher für sich alleinstehende Informationen aus allen Verkehrsbereichen fließen nun zusammen und ergeben so ein jederzeit aktuelles Gesamtbild der Verkehrssituation im Raum Stuttgart. Aus der STORM-Zentrale, die im Verkehrsministerium an der Hauptstätter Straße eingerichtet ist, werden diese aktuellen Informationen in sechs Teilprojekten dem Verkehrsteilnehmer zur Verfügung gestellt. Die Hauptaufgabe des STORM-Servicerechners ist die Versorgung der an den Datenverbund angeschlossenen STORM-Teilprojekte mit allen für sie relevanten Daten. Die digitale Straßenkarte des STORM-Gebietes enthält neben dem geographischen Straßennetz weitere Verkehrsdaten, wie die maximal zulässige Geschwindigkeit auf einer bestimmten Straße oder Einbahnstraßen-Regelungen, aber auch die Verkehrsnetze des öffentlichen, schienengebundenen Verkehrs.

Der Servicerechner steuert zudem bei Aktualisierungen der digitalen Straßenkarte das zeitgleiche Umschalten auf neue Datenbestände zwischen allen angeschlossenen Rechnersystemen, womit jederzeit konsistente Daten gewährleistet sind.

Jenseits dieser Grundversorgung des STORM-Datenverbundes mit statischen Verkehrsdaten erfaßt der Servicerechner vor allem dynamische Daten vom Verkehrsgeschehen in der Region. So werden beispielsweise aktuelle Verkehrsdaten über Unfälle oder Staus, wie sie aus den Rundfunkmeldungen bekannt sind, von der Landesmeldestelle entgegengenommen und in das System eingebracht. Im Datenverbund können sie anschließend von allen angeschlossenen Verkehrssystemen automatisch verarbeitet werden. Diese Daten ergänzen insbesondere die im Verkehrsrechner ermittelte allgemeine STORM-Verkehrslage. Auch die aktuellen Ankunfts- oder Abflugzeiten vom Flughafen Stuttgart werden alle fünf Minuten erfaßt und dem angeschlossenen Verkehrsinformationssystem zur Verfügung gestellt.

Als Besonderheit wird im Rahmen des STORM-Pilotversuchs mit dem Amt für öffentliche Ordnung ein kostengünstiges Datenerfassungsverfahren erprobt, das ohne Systemoperator auf der Servicerechnerseite und mit minimaler Infrastruktur auf der Datenlieferantenseite auskommt. Hierzu werden aktuelle verkehrsrelevante Meldungen, wie Meldungen über Baustellen, per Fax oder Telefon gemeldet und mit Hilfe der in den Servicerechner integrierten text- und sprachverstehenden Systeme vorverarbeitet. Die von diesen Systemen erkannten Rohdaten stehen dann im Servicerechner für den Datenverbund zur Verfügung.

Bei der Verarbeitung von dynamischen Verkehrsinformationen kommuniziert der Servicerechner eng mit dem Verkehrsrechner, der für die Erstellung des STORM-Verkehrslageberichtes zuständig ist. Die hierfür notwendigen Daten kommen zum Beispiel aus der Verkehrsleitzentrale Ludwigsburg, der Verkehrsrechenzentrale Stuttgart oder dem individuellen Verkehrsleitsystem, in dem jedes STORM-Testfahrzeug gleichzeitig als "Sensor" für den momentanen Verkehrsfluß dient.

Verkehrstechnische Steuerungsparameter aus bestehenden Verkehrsnetzen sowie mit Hilfe der STORM-Testfahrzeuge gemessene Reisezeiten ergänzen die Basis für die Verkehrslageberechnung. Die im Verkehrsrechner berechnete Verkehrslage wird vom Servicerechner laufend abgefragt und für die Datenversorgung der Servicerechner-Dienste, wie die Bereitstellung von Verkehrsinformationen, verwendet.

Neben dem bereits erwähnten Daten- und Kommunikations-Service stellt der Servicerechner einen Bildschirmtextdienst über DATEX-J bereit, bei dem der Anwender - wie heute bereits an den Infotheken - zu Hause oder im Büro Fahrtrouten zu gewünschten Zielen im Raum Stuttgart ermitteln kann und zusätzlich allgemeine STORM-Informationen erhält. Die Fahrtroutenermittlung erfolgt über ein spezielles Routensuchverfahren, bei dem der Verkehrsteilnehmer abhängig von seinem Fahrzeug eine Wegempfehlung oder auch einen Vorschlag zum Umstieg auf den ÖPNV erhält. Das Verfahren wurde dabei so konzipiert, daß zu einem späteren Zeitpunkt die Verknüpfung zu weiteren Verkehrsträgern, zum Beispiel der Deutschen Bahn, möglich sein wird.

Reise-Informationssystem

Es ist hilfreich, wenn sich der Verkehrsteilnehmer vor Antritt einer Reise schon zu Hause über die beste Möglichkeit informieren kann, wie er am schnellsten oder am bequemsten ans Ziel kommt. Ist der Verkehrsteilnehmer unterwegs, besteht für ihn die Möglichkeit, seine Informationen aus Infotheken zu beziehen, die seit 1993 an mehreren Verkehrsknotenpunkten im Raum Stuttgart in Betrieb sind:
- Flughafen
- Hauptbahnhof
- Königstraße
- Rotebühl-Passage
- Messe am Killesberg, Haupteingang
- Calwer Straße
- Raststätten an der A8 (Denkendorf und Stuttgart Degerloch)
- Raststätten an der A81 (Schönbuch-Ost und Wunnenstein-West)
- Bahnhof Bad Cannstatt

Bereits seit April 1993 können an den Infotheken über die Fahrpläne des Öffentlichen Personennahverkehrs Empfehlungen von Reiserouten im Netz des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart abgerufen werden. Im Jahr 1994 wurde das Informationsangebot deutlich erweitert: Neben Routenempfehlungen für den Autoverkehr in Stuttgart und den aktuellen Ankunft- und Abflugzeiten am Flughafen Stuttgart steht dem Nutzer der Infotheken ein umfangreicher Überblick über kulturelle und sportliche Veranstaltungen zur Verfügung.

Individuelles Leitsystem

Wer das individuelle Leitsystem nutzt, fährt besser, ist schneller am Ziel und vermeidet unnötiges Suchen. Denn Fahrzeuge, die mit dem Navigationsgerät DMRG (Dual Mode Route Guidance) ausgerüstet sind, können sich innerhalb und außerhalb der Stadt auf der momentan für sie günstigsten Strecke zum Ziel leiten lassen. Als bimodales System arbeitet das Leitsystem in zwei Betriebsarten.

Im infrastrukturgestützten Betrieb bekommt es seine Informationen über Infrarot-Baken, die sich an ausgewählten Ampeln im Stadtgebiet und an verkehrstechnisch wichtigen Radialstraßen und Autobahnabschnitten befinden. Diese Baken sind die Verbindung zwischen dem Leitrechner und dem DMRG-Gerät im Fahrzeug. Immer wenn das Auto eine solche Bake passiert, werden ihm Routenempfehlungen übermittelt, aus denen das DMRG-Gerät diejenigen auswählt, die für das Fahrzeug und den jeweiligen Zielwunsch geeignet sind. So kann ein LKW auf einer anderen Route zum Ziel gelangen als ein PKW. Gleichzeitig sendet das Bordgerät Informationen anonym über die benötigte Fahrtzeit zwischen den letzten zwei Baken an den Zentralrechner zurück. So werden Staus schon in ihrer Entstehungsphase erkannt und bei den weiteren Empfehlungen berücksichtigt.

In Gebieten ohne Infrarot-Baken arbeitet das DMRG-Gerät im autonomen Betrieb. Hierzu stützt es sich bei der Berechnung der idealen Strecke auf eine digitalisierte Straßenkarte, die als CD-ROM im Fahrzeug mitgeführt wird.

Seit Februar 1994 werden im STORM-Gebiet ständig die Meldungen des neuen digitalen Verkehrsfunks RDS/TMC (Radio Data System/Traffic Message Channel) unhörbar im Hörfunkprogramm ausgestrahlt. Noch in diesem Halbjahr wird die Aktualität der Meldungen so erhöht sein, daß sie zur Anpassung der Empfehlungen an das jeweilige Verkehrsgeschehen vom Bordcomputer berücksichtigt werden können.

Seit Ende 1994 sind knapp 100 Testfahrzeuge mit dem individuellen Leitsystem im autonomen Betrieb unterwegs. Derzeit werden beide Betriebsarten, autonom und infrastrukturgestützt, integriert. Hierzu sind 130 Kreuzungen im STORM-Gebiet mit ca. 1.100 Infrarot-Baken ausgerüstet worden.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß ein individuelles Leitsystem vom Autofahrer akzeptiert wird, wenn es keine Vorschriften macht und jeder Fahrer seine individuelle Entscheidungsfreiheit und absolute Anonymität behält. Dann bietet es dem Nutzer praktische Hilfe, sein Fahrziel schneller und kostengünstiger, dabei noch streßfreier und auch umweltgerechter zu erreichen.

Dynamische P+R-Information

Individualverkehr und der öffentliche Personennahverkehr sollen zukünftig keine konkurrierenden Systeme mehr sein. Beide Systeme müssen sich gegenseitig stärken. Eine solche Akzeptanz ist aber nur dann zu erreichen, wenn dem Verkehrsteilnehmer klare Informationen und zuverlässige Empfehlungen gegeben werden. Für den Autofahrer übernimmt dies die dynamische P + R -Information. Und zwar schon dann, bevor er in einen Stau gerät oder in der überlasteten City erfolglos auf Parkplatzsuche ist.

An wichtigen Haupteinfallstraßen nach Stuttgart, wie der B27 in Degerloch bzw. der B14 in Vaihingen oder der A81/B10/B295 in Weilimdorf, zeigen großflächige und gut lesbare Anzeigetafeln dem Autofahrer an, was ihn erwartet. So herrscht schon am Stadtrand Klarheit über die Verkehrssituation in der City. Die Anzeigen werden laufend aktualisiert. Sie informieren darüber, ob die innerstädtischen Parkplätze frei oder belegt sind, warnen vor Staus auf der weiteren Strecke, weisen auf die nächstgelegene P + R -Anlage hin sowie auf die dort verfügbaren Parkplätze. Außerdem werden die Taktzeiten der von dort in die Stadt fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel angezeigt.

Anschlußinformations-System

Auch das Umsteigen im Öffentlichen Nahverkehr wird den Fahrgästen künftig wesentlich erleichtert. Das Anschlußinformationssystem berücksichtigt Verspätungen oder kurzfristige Fahrplanänderungen, es empfiehlt alternative Linien oder macht Vorschläge, wie etwa eine geplante Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten. Im Prinzip ist das Anschlußinformationssystem auch die logische Fortsetzung der dynamischen P + R -Information. Denn das System stellt sicher, daß sich die umsteigewilligen Autofahrer schnell und problemlos mit Bahn und Bus zurechtfinden.

Dynamische Fahrgastinformationen an Stadtbahnhaltestellen, hier den Endhaltestellen der U7, geben direkt auf dem Bahnsteig Auskunft über die aktuellen Abfahrtzeiten der Stadtbahn und die wichtigsten Umsteigehaltestellen.

Spezielle Zug-Anzeiger an bahnhofsnahen Bushaltestellen informieren die Fahrer wartender Busse über verspätet ankommende Züge. So wird für die "Nachzügler" sichergestellt, daß der Bus nicht mehr vor Ankunft der verspäteten Fahrgäste abfährt.

Zusätzlich erhalten die Fahrgäste vor Antritt ihrer Fahrt Auskünfte über Abfahrts- und Ankunftszeiten, über eventuelle Verspätungen und über Anschlußalternativen im gesamten Netzbereich des Verkehrsverbundes. Dies geschieht ganz einfach - auch für den mit elektronischen Auskunftsystemen ungeübten Fahrgast - auf Knopfdruck an den Infoterminals, die an den Haltestellen stehen. Ein Beispiel, wie so etwas in der Praxis funktioniert, zeigt die Anlage am S-Bahnhof in Fellbach, die seit Mai 1994 in Betrieb ist.

Flottenmanagement

In der Vergangenheit war es für den Disponenten einer Spedition oft schwierig, einen Überblick über die momentanen Standorte oder den Ladezustand der einzelnen Fahrzeuge der Speditionsflotte zu bekommen. Hier hilft nun das "Flottenmanagement". Ziel dieses Teilprojektes ist es, neue Techniken wie Bordcomputer, die Mobilkommunikation und die satellitengestützte Fahrzeugortung einzusetzen und zu erproben. Es ist nun dem Disponenten möglich, immer die aktuellen Verkehrsinformationen aus der STORM-Zentrale für die tägliche Routenplanung zu berücksichtigen. Staus oder überlastete Strecken werden einfach umfahren. Dieses Verfahren ist nicht nur wirtschaftlich für den Spediteur, sondern es hat auch direkte Auswirkungen auf den Umweltschutz. Denn durch eine bessere Routenplanung, kurzfristig mögliche Änderungen oder zusätzliche Aufträge an den Fahrer können die Fahrzeuge besser ausgelastet und so unnötige Fahrten vermieden werden. Erprobt wird das System "Flottenmanagement" zusammen mit einer Spedition, die "gefährliche Güter" (Mineralöl) unter Berücksichtigung der Gefahrgutwegeverordnung an ein Tankstellennetz vertreibt. Dieser in der Öffentlichkeit besonders beachtete Bereich der Transportwirtschaft dokumentiert so seine Innovationskraft und seine gesellschaftliche Verantwortung.

Notrufsystem

Wenn es bei Unfällen um Menschenleben geht oder wenn Gefahrguttransporter darin verwickelt sind, zählt jede Minute. Die Verkürzung der Rettungszeiten bei Verkehrsunfällen ist das Ziel des STORM-Teilprojektes "Automatischer Notruf". Im Fahrzeug installierte Aufprallsensoren lösen bei einem Unfall automatisch einen Notruf aus. Dabei wird sofort über das Mobilfunk-Netz D1 ein Datenprotokoll an die Notrufzentrale ausgesendet. Das Protokoll enthält alle wichtigen Informationen über das verunglückte Fahrzeug und den Unfallort. Bei Unfällen mit Gefahrguttransportern werden auch Informationen über die Ladung übermittelt, so daß sofort Maßnahmen zur Abwehr von Umweltschäden eingeleitet werden können.

Inzwischen wurden mit fünf Testfahrzeugen weit über 3000 Notrufe simuliert und wissenschaftlich ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, daß die Rettungszeiten erheblich verkürzt werden können. Dauert es bislang innerorts durchschnittlich rund 14 Minuten, bis Hilfe bei den Unfallopfern eintrifft, so kann diese Zeit auf acht Minuten reduziert werden. Dies ergibt nach Berechnungen der Verkehrswissenschaftler eine Steigerung der Überlebenswahrscheinlichkeit von schwer verletzten Unfallbeteiligten um sieben Prozent. Außerorts stellt sich das Zwischenergebnis noch besser dar. Dauert es hier durchschnittlich 21 Minuten bis Hilfe am Unfallort eintrifft, so wird sich mit dem automatischen Notruf die Rettungszeit auf zwölf Minuten verkürzen lassen. Daraus leiten die Wissenschaftler eine um zwölf Prozent erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit ab.

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