Daimler-Benz News vom 13.3.1995

Eindrucksvolle Bestätigung des
Projektes POEMA

Technische und soziale Komponente
überstieg alle Erwartungen

Matthias Kleinert

Referat von Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter der Daimler-Benz AG und Direktor für Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftspolitik, anläßlich der Abschlußpräsentation des Projektes "POEMA" am 13. März 1995 im Daimler-Benz- Forschungszentrum Ulm


Meine Damen und Herren,

vor drei Jahren begannen die Universität in Belém, UNICEF und Daimler-Benz das Projekt "Armut und Umwelt in Amazonien" - die portugiesische Abkürzung dafür ist "POEMA" - das auch als das "Pará-Projekt" bekanntgeworden ist. Belém liegt im Nordosten Brasi-liens im Amazonas-Delta und ist die Hauptstadt des Bundesstaates Pará. Viele Umweltschützer hatten damals unser Engagement mit Skepsis betrachtet. Aber unsere Berichte und Workshops über die Fortschritte haben mittlerweile auch dem letzten klargemacht, daß uns, dem Daimler-Benz-Konzern, dieses Projekt ein wirkliches Anliegen war und ist. Und ich bin sicher, daß auf der Weltklimakonferenz nachwachsende Rohstoffe nicht zuletzt dank unserer Forschungsarbeit besondere Aufmerksamkeit finden werden, denn sie sind CO2-neutral und erzeugen selbst bei der Verbrennung nicht mehr Kohlendioxid als sie als Pflanze während des Wachstums aufgenommen haben.

Damals - im Vorfeld der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 - wurde die Bedeutung des brasilianischen Regenwaldes für das globale Klima weiten Kreisen in Deutschland bewußt. Bekannt war auch, daß die Menschen dort zum Überleben den Regenwald roden müssen. Entweder wird darauf für einige Jahre ärmlicher Ackerbau betrieben bis der Boden ausgelaugt und ein neues Stück Urwald gerodet werden muß, oder die Bäume werden im Sägewerk zu Tropenholz verarbeitet und exportiert.

Als wir uns mit dem Problem des Regenwaldes, seiner Erhaltung und den dort unter kaum vorstellbaren Bedingungen lebenden Menschen das erste Mal beschäftigten, war eine der wichtigsten Fragen, wie man diesen Raubbau verhindern und den Menschen helfen könnte. Das Projekt POEMA bot uns eine überzeugende Antwort auf unsere Fragen - bis heute die einzige überzeugende Antwort für uns. In aller Kürze: Der Regenwald ist nur zu retten, wenn er den Menschen eine Lebensbasis bietet ohne dazu selbst zerstört zu werden. Dann werden sie den Wald erhalten statt ihn zu roden. Das ist der zentrale Ansatz des Projektes.

Die Universität von Belém hatte ein intelligentes Agrarkonzept entwickelt. Es ersetzt die Monokultur z.B. einer Kokospalmenplantage wieder durch Mischwald. Daimler-Benz hatte es übernommen, gemeinsam mit der Universität Pflanzen auf ihre Verwendungsfähigkeit in der industriellen Produktion zu untersuchen. Dazu gehörten auch Fragen, wie solche Rohstoffe - wir dachten damals schon in erster Linie an Fasern aus Pflanzen und an Farbstoffe - vor dem Verrotten im feuchtheißen Klima am Amazonas sozusagen mit "Bordmitteln" geschützt werden können und wieweit die Menschen dort mit ihren Mitteln an der Veredelung beteiligt werden können.

POEMA hat die ursprünglichen Erwartungen weit übertroffen

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen heute voller Stolz sagen, daß dieses Projekt über die Maßen erfolgreich war und wohl die Erwartungen von uns, aber auch der Menschen im Amazonas-Delta, weit übertroffen hat:

Zum einen haben wir den Nachweis erbracht, daß nachwachsende Rohstoffe aus dem Amazonas-Delta industriell verwendbar sind. In ersten Ansätzen gibt es schon jetzt Produkte, die Mercedes-Benz do Brasil in der Serienproduktion von Bussen und Lkw einsetzt. Und es ist uns klar, daß solche nachwachsenden Rohstoffe bei uns im Konzern eine große Zukunft haben.

Ganz nebenbei wurde Daimler-Benz das Unternehmen in Deutschland, wenn nicht in Europa, mit einem Spitzen-Know-how auf dem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe. Dieses Know-how nutzen wir natürlich, um die Umsetzung dieser Konzepte zu beschleunigen, aber auch andere Unternehmen können davon profitieren, wenn sie mit uns kooperieren wollen. Und dazu lade ich sie auch im Namen von Herrn Pollmann herzlich ein.

Unser Engagement hat übrigens schon Nachahmer gefunden. Immer mehr Unternehmen haben nach unseren Berichten aus Belém nachwachsende Rohstoffe als Werkstoff entdeckt und arbeiten mit uns oder neben uns an der Erschließung dieses gewaltigen Werkstoffpotentials für die industrielle Nutzung. Denn nachwachsende Rohstoffe haben neben allen anderen guten Eigenschaften den schlagenden Vorteil, daß sie selbst bei der unökonomischsten Verwertung, also der Verbrennung, nur so viel Kohlendioxid in die Luft abgeben, wie sie beim Wachsen als Pflanze vorher aufgenommen haben.

Die sozialen Effekte von POEMA

Aber für mich sind die sozialen Aspekten von POEMA viel wichtiger als diese technischen Ergebnisse: Denn schon jetzt steht fest, daß die neue Art der Bodenbewirtschaftung den Ertrag auf gleicher Fläche auf das doppelte oder gar dreifache steigert. Schon deswegen finden viele Menschen dort heute ein Auskommen, was bisher unvorstellbar war. Dazu kommen die vielen Menschen, die mit der "Ernte" der Rohstoffe beschäftigt sind und damit Geld verdienen.

Die Aufbereitung der Fasern gibt weiteren Menschen Arbeit. Wir haben einfache Maschinen entwickelt, um z.B. die Fasern aufzubereiten. Das sind Maschinen, die wenig kosten und von den Menschen selbst instandgehalten und repariert werden können.

Weitere Arbeitsplätze entstanden und entstehen im Transportbereich, denn das Material muß aus dem Urwald zu Mercedes-Benz do Brasil gebracht werden, und wir garantieren auch die Abnahme der Produkte.

Trotz der riesigen Entfernungen rechnet sich der Einsatz der Naturstoffe im Vergleich zu den konkurrierenden Kunststoffen. Dies war von Anfang an unser Ziel, denn wir wollten keinesfalls eine "karitative Veranstaltung" im Regenwald zelebrieren. Die wäre ja dem nächsten Einsparprogramm zum Opfer gefallen.

Alle diese positiven Aspekte haben die Menschen in und um die Insel Marajó im Amazonas-Delta sehr schnell erkannt: POEMA begann 1992 mit vier Siedlungen. Heute machen schon 37 Siedlungen mit. Das belegt ganz eindeutig: Die Idee von POEMA ist richtig, und sie breitet sich aus. Die Menschen erkennen die Chance, ihre Verhältnisse zu verbessern und sie nutzen sie.

Ich möchte nur am Rande erwähnen, daß wir die "Lebensqualität" vor Ort zusätzlich verbessert haben, und zwar mit einfach konstruier-ten Wasser-Entkeimungsanlagen. Das Amazonas-Wasser ist wegen der Keime und Bakterien nicht trinkbar. Hier in Deutschland, wo selbst der Rasensprenger Trinkwasser versprüht, kann man sich kaum vorstellen, was es für die Menschen dort bedeutet, keimfreies Wasser zum Trinken zu haben.

Meine Damen und Herren, mit unserem Engagement in Belém haben wir vor drei Jahren eine Entwicklung angestoßen. Deren Folgen sind heute noch nicht abschätzbar. Wir ziehen heute trotzdem Bilanz, weil die drei Jahre, die als Projektdauer vereinbart waren, nahezu vorüber sind. Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich heute ankündige, daß wir unser Engagement auch in Zukunft weiterführen werden.

Herr Pollmann wird Sie jetzt über unseren heutigen Workshop, also über "die industrielle Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen als Chance für Landwirtschaft und Umwelt" informieren. Er wird Ihnen erklären, wo wir bei Daimler-Benz Einsatzmöglichkeiten dafür sehen und wo wir die Naturstoffe sogar schon einsetzen.

Ohne die Erfolge und Projekte, von denen Sie jetzt hören werden, in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, lassen Sie mich noch die-sen Satz sagen: Für mich ist es am schönsten, daß Daimler-Benz gemeinsam mit der Universität in Belém und gemeinsam mit UNICEF den Menschen in dieser Region einen existentiellen Dienst erweisen konnte.

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