Daimler-Benz News vom 31.01.1995

Forschungslandschaft Deutschland

Prof. Barth

Referat von Prof. Gerhard Barth, Leiter der Forschungsdirektion Informationstechnik der Daimler-Benz AG anläßlich des Fachpressetages Hannover-Messe 1995 am 31. Januar 1995 in Hannover

Der Industriestandort Deutschland kommt in der jüngsten Vergangenheit immer wieder ins Gerede. Bei den verschiedenen Klagen wird allzu häufig vergessen, daß die Diskussion über die Zukunftssicherung für Deutschland in erheblichem Maß auch eine Diskussion über den Forschungsstandort Deutschland ist. Beleuchten wir deshalb kurz die Forschungslandschaft in Deutschland.

Für Forschung und Entwicklung werden in Deutschland pro Jahr rund 73 Mrd. DM aufgewandt, wobei etwa 50 Mrd. DM von der Industrie getragen werden. Nach realistischen Einschätzungen fließen aber nur ungefähr 5 Mrd. DM in wirkliche Zukunftssicherung mittels Forschung, der Rest ist Entwicklungsaufwand zur Sicherung von Märkten und Produkten. Der öffentliche Sektor wendet rund 23 Mrd. DM für Forschung an Universitäten und Großforschungseinrichtungen (GFE) auf. Aber nur etwa 30% dieser Gelder fließen in Form von anwendungsgebundenen Projekten direkt in die Zukunftssicherung - der Löwenanteil der öffentlichen Forschung ist auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet.

Diese Zahlen können als gesichert angesehen werden, sie wurden unter anderem auch von einer hochrangig besetzten Kommission des Zentralverbandes der Elektroindustrie (ZVEI) bestätigt. Aus diesen Zahlen ergeben sich wichtige Konsequenzen. Die Reduzierung der Mittel und der resultierende Zwang zum Sparen hat eine Bewegung in Richtung auf eine stärkere Kundenorientierung in der Forschung ausgelöst. Die sogenannte Weule-Kommision hat in 1994 mit ihrem Abschlußbericht eine umfassende Neuorientierung der GFE eingeleitet. Wer in der Forschung tätig ist, weiß um die Abstimmungsprozesse in der Planung, mit denen GFE und Industrie gemeinsam industrielle Anwendungen und Ressourcen der GFE abgleichen. Von der gemeinsamen Besetzung der Programmausschüsse, welche den Vorständen der GFE zur Unterstützung zur Seite gestellt werden, bis zur Zusammenarbeit bei der Projektleitung und -durchführung geht eine breite Welle der Kooperation durch die Forschungslandschaft Deutschland.

Umsetzung ist das Kernproblem

Ist damit unsere Forschungswelt in Ordnung? Auf diese Frage gibt es nur ein klares "Nein" als Antwort. Der FuE Anteil am Bruttosozialprodukt ist in Deutschland durchaus mit anderen Industrienationen vergleichbar

Deutschland 2,7 %
USA 2,8 %
Japan 3,05 %

Erstaunlich ist jedoch der Unterschied bei den Anteilen von High-Tech-Produkten im Export dieser Länder. Diese betragen in

Deutschland 16 %
USA 47 %
Japan 27 %

Unser Forschungsaufwand in Deutschland verpufft also ohne allzu deutlich spürbare Wirkung auf Märkte und auf unsere Zukunft. Wir machen aus unseren Forschungsergebnissen zu wenig Produkte, welche auf dem Weltmarkt erfolgreich absetzbar sind.

Zur Lösung dieses Transferproblems brauchen wir ein geistig-innovatives Klima, in welchem Naturwissenschaft und Technik als Kulturgut und nicht in erster Linie als Bedrohung empfunden wird. Wir müssen die Innovationskraft und die Produktivität der Unternehmen steigern.

- Dies beginnt in Schulen und Hochschulen, in Forschungseinrichtungen, in Verwaltungen und Behörden mit dem Aufbrechen von Verkrustungen und der Einführung effizienter und innovationsfreundlicher Prozesse.

- Dies geht über auf die Förderung zur Findung von Ideen und deren Umset-zung in Behörden, Verwaltungen und Industrie.

- Und dies gipfelt schließlich in der Förderung von Unternehmensgründungen als der schnellsten und effektivsten Form von Technologietransfer. Hierzu benötigen wir vereinfachte Regelungen für die Gründung und Schließung von Unternehmen sowie für die Kapitalbeschaffung und -bereitstellung.

Was wird die Hannover-Messe 1995 zeigen?

Die Hannover-Messe 1995 wird mich in Teilen meiner Ausführungen sicherlich widerlegen. Es wird viele Ausstellungsstände geben, auf welchen gemeinsame Projekte zwischen wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und der Industrie sowie daraus resultierende Produkte gezeigt werden. Es wird viele Stände von Unternehmen zeigen, welche mit neuen Produkten und innovativen Ideen zur Eroberung des Marktes angetreten sind. Mut gibt die große Zahl von jungen Menschen, die vor und hinter den Messeständen vorurteilsfrei Forschung und Technik betrachten und als eine wichtige Chance für ihre Zukunft begreifen. Aber machen wir uns nichts vor. Jede gute Idee, die in einer Hochschule geboren und verfolgt, jedoch nicht zu einem Produkt gemacht wird, bedeutet letztlich vertanes Geld. Es ist eine vorrangige Aufgabe von Forschungsmanagern, Unterneh-mern und nicht zuletzt auch von Politikern, solche Geldverschwendung zu minimieren.

Betrachten wir abschließend noch einige spezifische Bereiche, die zur Zeit aus meiner Sicht besonders wichtige Schwerpunkte von Forschung und Technik sind.

Es ist allgemein anerkannt, daß Informationstechnik eine der bestimmenden Techniken unserer Zeit ist. Die Verfügbarkeit von Information - immer, überall und bedarfsgerecht - wird Kernfähigkeiten in allen wirtschaftlich relevanten Bereichen entscheidend beeinflussen. Entsprechend wird Informationstechnik auch bei der Hannover-Messe in der Präsentation von Forschungsergebnissen und innovativen Produkten einen breiten Raum einnehmen. Und dies im direkten Anschluß an die CeBIT, welche die Informationstechnik als einzigen Schwerpunkt hat. Gerade diese Tatsache wird zeigen, daß keine Branche - sei es der Schwermaschinenbau oder die Verpackungsindustrie - heute und in der Zukunft ohne Informationstechnik auskommt. Als eingebettete Systeme zusammengesetzt aus Hardware und Software bestimmen Computer und ihre Programme die Leistungsfähigkeit von Produkten. Und gerade in Deutschland, wo wir uns gerne als Systemlieferanten sehen, müssen wir aus diesem Grund die Informationstechnik zur Verwendung in unseren Produkten beherrschen.

Ein wesentlicher Aspekt der Verfügbarkeit von Information ist in aller Welt unter dem Schlagwort Datenautobahn bekannt geworden. Die CeBIT wird deutlich machen, wie eine Datenautobahn aussehen und wie man sie bauen kann. Die Hannover-Messe wird zeigen, wie man diese Autobahn befahren kann und wie sie uns - der Industrie und den Bürgern - bei der Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert nutzen kann.

Um sich von der Richtigkeit dieser Aussagen zu überzeugen, sollte jeder Besucher der Hannover-Messe die Halle18 betreten. Dort werden Hochschulen und Industrie gemeinsam ihre Innovationsanstrengungen sowie Beispiele gelungenen Technologietransfers zeigen. In diesem Zusammenhang ist die Weitsicht der Messeleitung zu loben, seit Jahren diesem Innovationsmarkt eine große Bedeutung und ein angemessenes Forum einzuräumen. Es ist allerdings bedauerlich, daß die Tendenz der Industrie, sich dort zu präsentieren, rückläufig ist. Dies wirft ein bezeichnendes Bild auf den heutigen Stellenwert von Forschung in einer Vielzahl von Industrieunternehmen.

Daimler-Benz schließt sich diesem Trend aus guten Gründen nicht an. Unser Haus präsentiert sich in Halle 18 der Hannover-Messe mit einer Darstellung, wie bereits heute die verschiedenen Konzernbereiche in Forschung und Entwicklung auf internationaler Basis zusammenarbeiten. Wir laden Sie herzlich zu einem Besuch unseres Standes ein. Dort wird am 2. April eine Pressekonferenz stattfinden, auf welcher weitere Überlegungen des Daimler-Benz-Konzerns zur Ausgestaltung seiner Zukunftssicherung durch Forschung auf höchstem Niveau erörtert werden.

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