Umweltpolitik braucht weltweite Partnerschaft

1. Umweltpolitik braucht weltweite Partnerschaft

Globale Probleme

Die Umweltprobleme der 90er Jahre haben zunehmend globale Dimensionen.
  1. Die Weltbevölkerung wächst. Heute leben 5,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Für das Jahr 2030 werden bis zu 11 Milliarden prognostiziert. Mehr Menschen auf der Welt, das bedeutet auch stärkere Inanspruchnahme von Rohstoffen und Energie, von Natur und Umwelt.

  2. Mit steigender Bevölkerung wächst in vielen Ländern die Armut. Wer Hunger leidet, kann nur wenig Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Immer mehr Menschen - vor allem in den Entwicklungsländern - sind dadurch oft zu dem gezwungen, was wir Raubbau an der Natur nennen.

  3. Die Freisetzung von Treibhausgasen steigt weltweit an, vor allem weil der Energieverbrauch zunimmt. Das gilt nicht nur für die Industrieländer. Gerade die Schwellenländer mit großen sozialen Problemen setzen auf Wachstum mit hohem Energieverbrauch. Das kann zu einer dauerhaften Erwärmung der Erdatmosphäre führen. Klimaforscher fürchten weltweit ein Abschmelzen von Gletschern, eine Erhöhung des Meeresspiegels und eine Ausdehnung von Trockenzonen.

  4. Im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb entwickeln sich zunehmend auch die Umweltstandards zu entscheidenden Standortfaktoren, neben den Lohnkosten und den sozialen Standards. Mit wachsender Tendenz wird dort produziert, wo die Kosten des Umweltschutzes am geringsten sind.

Umfang und Geschwindigkeit der Veränderungen und Belastungen des Öko-Systems Erde nehmen dramatisch zu. Wir brauchen eine weltweite Partnerschaft zur Lösung globaler Probleme. Wir müssen aber leider auch feststellen, daß die Umweltbewußtseinslage in der Welt sehr unterschiedlich ist.

Ökologische Bemühungen in Bayern und Deutschland sind von großer Bedeutung, auch wenn sie für sich allein genommen global nicht zu wesentlichen Verbesserungen führen.

Ich sehe allerdings in der deutschen Umweltdiskussion mehr und mehr die Tendenz zu grün-nationaler Überheblichkeit und Arroganz gegenüber anderen Völkern. Ich unterstreiche die Warnung des Münchner Soziologen Prof. Ulrich Beck vor einem "deutsch-grünen Nationalismus". Er stellt zu Recht fest: "Viele Deutsche wollen eine Art grüner Großschweiz. Sie träumen von einem Deutschland des ökologischen Weltgewissens". Er sieht darin eine Wiederbelebung deutscher Überheblichkeit - dieses Mal in Umweltfragen.

Und ich füge hinzu: Diese Art des grünen Rigorismus würde Deutschland in Europa isolieren. Fortschritt in Europa braucht den Konsens. Der Fundamentalismus der Grünen kann zum Spaltpilz für Europa werden. Das wollen wir nicht! Wir wollen anderen bei der Lösung ihrer Umweltprobleme helfen, ohne sie zu bevormunden.

Nicht Ausstieg, sondern Optimierung

Unser Wirtschaftssystem hat unbestritten auch Umwelt-Folgelasten. Aber unsere Wirtschaftsweise kommt, gemessen am Nutzen für den Menschen, mit der verhältnismäßig geringsten Beanspruchung von Ressourcen und Umwelt aus. Wir verbrauchen, gemessen am Ertrag, weniger Energie und weniger Rohstoffe als andere Länder und Völker. Nirgendwo arbeiten (im Verhältnis) mehr Menschen für den Umweltschutz als in Deutschland. Unser Wirtschaftssystem ist auch ökologisch dem sozialistischen und dem kapitalistischen weit überlegen.

Das bedeutet: Nicht der Ausstieg aus der Industriegesellschaft löst unsere Umweltprobleme und gar die globalen Umweltaufgaben, sondern nur ihre ständige ökologische Optimierung . Umweltschutz darf jedoch nicht ohne Rücksicht auf die Leistungskraft unserer Wirtschaft betrieben werden. Denn es wäre auch ökologisch unsinnig, Arbeitsplätze dorthin zu vertreiben, wo mit Sozial- und mit Umweltdumping produziert wird.

Leitbilder der Umweltpolitik

Angesichts dieser Perspektiven fordert der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen zu Recht "Ethische Entschiedenheit und Sensibilität in der Sache, Leidenschaft und Augenmaß zugleich." Dem wollen wir mit vier Leitbildern der Umweltpolitik gerecht werden:

    Nachhaltige Entwicklung

  1. Wir stehen für eine nachhaltige Entwicklung.

    Nachhaltige Entwicklung ist der weltweit anerkannte Leitbegriff moderner Umweltpolitik. Heute gehen alle davon aus, daß ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen untrennbar sind. Nachhaltige Entwicklung verknüpft wirtschaftliche Entwicklung und soziale Wohlfahrt mit dem dauerhaften Schutz unserer Lebensgrundlagen. Die Nutzung der Natur darf ihre Regenerationskraft nicht gefährden. Auch kommende Generationen haben einen Anspruch auf die natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb brauchen wir vermehrt integrierten Umweltschutz anstelle von Umweltreparaturen.

    Verantwortung für die Schöpfung

    Wir alle tragen Verantwortung für die Schöpfung. Wir sehen den Menschen als Teil der Schöpfung, der berufen ist, sie ebenso zu nutzen und zu gestalten wie zu bewahren und zu erhalten. Der Wert des Lebendigen bemißt sich nicht allein am Nutzen für den Menschen. Tier- und Pflanzenwelt haben einen Eigenwert. Besondere Verantwortung tragen wir Menschen für die Tiere als unsere Mitgeschöpfe. Tierschutz ist unser aller Aufgabe und Verpflichtung.

    Umweltethik

  2. Wir treten ein für eine Umweltethik, die Wohlstandsegoismus und Zivilisationsbequemlichkeit überwindet, wo dies zur Erhaltung unserer Natur und Umwelt notwendig ist.

    Ich sehe mit Respekt und Anerkennung, wieviele Menschen sich im Umweltschutz engagieren. Wer sich umhört, glaubt sogar, wir seien nur ein Volk von Umweltschützern. Unübersehbar sind aber die Widersprüche zwischen propagiertem Umweltbewußtsein und praktischem Verhalten, zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

    Widersprüche

    Tatsache ist, daß in keinem Land für Kurzurlaube so viel außer Landes gejettet wird wie bei uns. Variantenschifahrer scheuchen das Wild aus dem Unterholz, Mountainbiker stürmen die letzten Almen. Ja selbst Jugendliche, die oft sehr engagiert für mehr Umweltschutz eintreten, finden nichts dabei, am Wochenende hunderte Kilometer für einen Discobesuch zu fahren. Bei vielen zählen noch immer PS und Spoiler mehr als Emissionen und Benzinverbrauch. In unserem privaten Umfeld zieht Ökologie noch allzuoft den kürzeren: aus Gewinnsucht, Sorglosigkeit, Bequemlichkeit oder Unkenntnis.

    Umweltschutz beginnt in den Köpfen. Der Umwelt zuliebe brauchen wir nicht nur Diskussionen und Erklärungen, sondern vor allem mehr Taten.

    Querschnittsaufgabe

  3. Umweltschutz ist für uns eine Querschnittsaufgabe.
    Es ist vielfach unvermeidbar, die Umwelt im Alltag zu belasten; z. B. wenn wir mit dem Auto zur Arbeit fahren, unsere Wohnungen heizen oder Urlaub machen. Der Mensch ist nicht neutral zu seiner Umwelt - er ist Täter und Opfer. Umwelt ist überall. Deshalb setzt unsere Umweltpolitik in vielen Lebensfeldern an.

    Ob Wirtschafts-, Finanz- oder Energiepolitik, Land- und Forstwirtschaftspolitik, Verkehrs- oder Gesundheitspolitik, Bildungs- oder Kommunalpolitik, Baupolitik, Raumordnungs- und Landesentwicklungspolitik - überall geht es auch um die Umwelt.

    Soziale Marktwirtschaft

  4. Die Soziale Marktwirtschaft ist die ökologische Wirtschaftsform, weil sie anpassungsfähig und umfassend wertorientiert ist.

    Deshalb brauchen wir weder eine andere Wirtschaftsordnung noch eine Umetikettierung unserer Sozialen Marktwirtschaft in eine "ökologische Marktwirtschaft". Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft nur ernst nehmen. Sozial ist nur, was auch die ökologischen Grundlagen menschlicher Existenz schont.

    In der Sozialen Marktwirtschaft setzt sich Umweltbewußtsein so schnell wie in keiner anderen Wirtschaftsform in Nachfrage und Preise um. Weder Planwirtschaft noch Kapitalismus gehen so schonend mit unseren Ressourcen um wie unsere Soziale Marktwirtschaft.

    Im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung verwirklichen wir die Maximen der Umweltpolitik:

Ökologische Wohlstandsgesellschaft

Eckpunkte

Aus alledem ergeben sich folgende Eckpunkte für die bayerische Umweltpolitik:
  1. Wir haben als hochentwickelte Industrienation die Verantwortung und Aufgabe, unsere Industriegesellschaft zu einer ökologischen Wohlstandsgesellschaft weiterzuentwickeln.

    Dabei geht es nicht um satten, selbstgefälligen Wohlstand, es geht aber auch nicht um grüne Zwangsaskese durch Ökodiktatur. Verordnete Askese, und sei sie auch nur durch den erhobenen politischen Zeigefinger verordnet, hat in einer Demokratie keine Akzeptanz. Angenehm und immer besser zu leben, ist ein Urtrieb des Menschen. Wer anderes behauptet, hat entweder keine Menschenkenntnis oder lügt sich in die Tasche.

    Wir wollen einen Wohlstand, der stets auf einem tragfähigen ökologischen Fundament basiert. Das schließt auch Verzicht und das Zurückschrauben von Ansprüchen ein. Intakte Natur ist ja gerade ein Stück ökologischen Reichtums. Wir setzen auf einen ökologischen Wohlstand, weil nur er unserem Menschenbild und unserer freiheitlichen Demokratie entspricht.

    Kosten

  2. Wir wollen einen optimalen Umweltschutz. Mehr Umweltschutz ist nicht kostenlos. Nachhaltiges Wirtschaften wird auf Dauer auch Kosten sparen. Aber wir verdrängen nicht, daß Umweltschutz konkurriert um knappe Mittel, z. B . für Soziales oder Kultur.

    Deutschland hat 1994 rund 50 Milliarden DM für den Umweltschutz aufgewendet. Das sind 55 % mehr als in Frankreich, 31 % mehr als in Japan und Österreich, 21 % mehr als in Großbritannien, 6 % mehr als in den USA.

    Der Freistaat Bayern setzt pro Jahr ohne Personalausgaben über 1,7 Milliarden DM für Umwelt- und Naturschutz ein. Aber wir wollen mehr. Trotz knapper Kassen schaffen wir neue Handlungsmöglichkeiten. Im zweiten Teil der "Offensive Zukunft Bayern" werden wir die Privatisierungserlöse aus dem Verkauf der Versicherungskammer gleichwertig für Kultur, Soziales und Ökologie verwenden. Wir werden diesem Haus einen Umweltfonds für Umweltschutz und klassischen Naturschutz vorschlagen.

    Internationale Einbindung

  3. Bayerische und deutsche Umweltpolitik muß auch in einem europäischen Rahmen gestaltet werden und globale Abkommen einschließen.

    Hohe Umweltkosten verschärfen den internationalen Wettbewerb für deutsche Unternehmen. Dennoch wollen wir Vorreiter im Umweltschutz bleiben. Das kann aber nur gelingen, solange die mit uns konkurrierenden Länder im Geleitzug mitziehen. Wir brauchen einen breiten ökologischen Konsens in Europa.

    Langfristig drängen wir weltweit auf Umweltmindeststandards. Das erfordert geduldige Überzeugungsarbeit auf allen internationalen Ebenen. Wir sind dazu bereit. Wer allerdings glaubt: Am neugrünen deutschen Wesen muß die Welt genesen, leidet an grün-nationalem Größenwahn!

  4. Umweltpolitik bedarf des klugen Abwägens und des Setzens von Prioritäten.

    Mit Vorurteilen, Moralpredigten und irrationalen Ängsten ist der Umwelt nicht gedient!

    Irrationalität ist ein Markenzeichen grüner Umweltpolitik:

    Umweltschutz ist nicht nur Last, sondern immer auch Gewinn.

Zielkonflikte

Umweltschutz ist nicht frei von Zielkonflikten. Der Bürger soll nicht nur die Ziele, sondern auch die Zielkonflikte erkennen. Der Bürger soll nicht nur ökologische Forderungen hören, sondern auch ihren Preis erfahren.

So wichtig Umweltschutz auch ist: Der absolute, generelle Vorrang des Umweltschutzes vor allen anderen menschlichen Interessen und Zielen wäre verhängnisvoll und inhuman. Wer z.B. sozialen Wohnungsbau wegen Flächenverbrauch kürzt - wie jetzt Grün-Rot in Nordrhein-Westfalen - opfert elementare Bedürfnisse der Menschen grüner Ideologie.

Umweltschutz darf nicht nur als wirtschaftliche Last angesehen werden, sondern immer auch als Gewinn:


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