Pressemitteilungen der Bayerischen Staatsregierung
10. August 1995
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Kruzifixen in
bayerischen Volksschulen völlig unverständlich
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber äußerte
in einer ersten Reaktion seine tiefe Betroffenheit
über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
Kruzifixen in bayerischen Volksschulen. Stoiber: "Diese
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird von der
großen Mehrheit der Bevölkerung ebenso wenig
verstanden wie das sogenannte Soldatenurteil, nach dem
Soldaten als Mörder bezeichnet werden dürfen oder
die Entscheidung zur Straflosigkeit von Sitzblockaden."
Stoiber bezeichnete die Entscheidung als einen Bruch
mit der Verfassungstradition. Der Ministerpräsident
kritisierte, daß in der Rechtsprechung die Interessen
von Minderheiten zunehmend zu Lasten der überwiegenden
Mehrheit der Bevölkerung in den Vordergrund
gestellt werden. Das Toleranzgebot berechtige nicht nur
die Minderheit, sondern müsse auch die Mehrheit
noch wirksam schützen. Stoiber: "Das bloße
Vorhandensein des Kreuzes zwingt niemandem den christlichen
Glauben und die Religionsausübung auf. Es ist über
seinen religiösen Inhalt hinaus ein Symbol für
die abendländische Kultur und Wertvorstellungen."
Der Ministerpräsident bezeichnete es deshalb als
völlig verfehlt, das Kreuz als "Zwangselement"
aufzufassen, wie es das Bundesverfassungsgericht jetzt getan
hat.
Stoiber kündigte an, daß die Staatsregierung
auf ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause über
Auswirkungen und Konsequenzen aus der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu den Volksschulen beraten
wird. In den Klassenzimmern der Volksschulen werde es
auch zukünftig die Möglichkeit geben, Kreuze
anzubringen, wenn dies dem Willen der Eltern entspricht. In
den anderen öffentlichen Gebäuden des Freistaats
werde das Kreuz als Symbol abendländischer Kultur auf
jeden Fall bleiben.