Institut für Informatik und Biomathematik
Wenn alles stimmt, muß etwas nicht stimmen (S. Lec)

1. Klinisches Beispiel


1.1. Merkmalstypen

In einer klinischen Studie über akute myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen wurden u. a. die in Tabelle 1.1 aufgelisteten Merkmale erfaßt.

Die Anwendbarkeit einer statistischen Auswertungsmethode hängt vom Typ des betrachteten Merkmals ab. Man unterscheidet die Merkmalstypen

Geben Sie für die Merkmale in Tabelle 1.1 an, zu welchem Typ sie gehören!

Tabelle 1.1: Erfaßte Merkmale (Auswahl)

(Erläuterungen s. u.)
MerkmalAusprägungTyp
Alterin Jahren
Allgemeinzustand 0 = normale Leistungsfähigkeit
1 = ambulante Betreuung
2 = weniger als 50 % am Tag bettlägerig
3 = mehr als 50 % am Tag bettlägerig,
aber begrenzte Selbstversorgung
4 = ständig bettlägerig
Ergebnis*1= CR 2=PR 3=NR 4=ED
Zelltyp nach FAB-M*0=M0 1=M1 2=M2 3=M3
4=M4 5=M5 6=M6 7=M7
Körpergewichtin kg
Körpergrößein cm
Rezidiv/Tod1=ja 2=nein
ErhaltungskurseAnzahl
Leukozytenpro mm3
Anzahl gemeldeter NWAnzahl
Identifikationlaufende Nummer
Rezidivfreies Überlebenin Tagen
Geschlechtm/w
Therapie*1=TAD-TAD 2=TAD-HAM
GeschwisterAnzahl

* Erläuterung zu den in Tabelle 1.1 verwandten Abkürzungen:
Die Therapie der AML beginnt mit einer massiven Chemotherapie, der sogenannten Induktionstherapie, deren Zweck es ist, die entgleiste Blutbildung wieder zu normalisieren. Durch die Therapie wird das blutbildende Knochenmark vernichtet. Man hofft, daß sich nach der Regeneration des Knochenmarks die Blutbildung wieder normalisiert. Wenn das eintritt und bestimmte Kriterien im Blutbild wieder erfüllt sind, spricht man von einer vollständigen Remission, wenn sie nur teilweise erfüllt sind, von einer Teilremission. Hieraus ergeben sich die angeführten Ergebniskategorien:

Unter dem Mikroskop erkennt man, daß die leukämischen Zellen unterschiedliche Form haben. Diese sind von einer Gruppe französischer, amerikanischer und britischer (FAB) Hämatologen in die Kategorien M0, M1, M2, . . . M7 eingeteilt. M steht hier für myeloisch.

Die Therapie ist eine kombinierte Chemotherapie. Die Buchstabenkombinationen TAD bzw. HAM sind jeweils aus den Anfangsbuchstaben der eingesetzten Präparate gebildet.


1.2. Identifikationsgröße, Zielgröße, Einflußgröße

Die erfaßten Merkmale haben im Versuchsplan einer Studie unterschiedliche Aufgaben. Sie treten als Zielgröße, als Einflußgröße oder als Identifikationsgröße auf.

Ziel der in Aufgabe 1.1 erwähnten Klinischen Studie war es, durch Intensivierung der Therapie, die Überlebenschancen der Patienten zu verbessern.

Von der Menge der Ausprägungen eines Merkmals verlangt man, daß sie vollständig ist und daß sich je zwei Ausprägungen gegenseitig ausschließen.


1.3. Grundgesamtheit, Stichprobe, Beobachtungseinheit

Bei einer statistischen Untersuchung schließt man aus den Daten einer Stichprobe zurück auf die zugehörige Grundgesamtheit.
Die Grundgesamtheit ist die Menge der Objekte oder Individuen, über die man etwas aussagen möchte.
Die Stichprobe ist die Teilmenge der Grundgesamtheit, die man tatsächlich untersucht hat.
Die einzelnen Elemente der Stichprobe heißen Beobachtungs oder Versuchseinheit.

Erläutern Sie die Begriffe Grundgesamtheit, Stichprobe und Beobachtungseinheit am Beispiel der Aufgabe 1.1 :

Da die Stichprobe meist nur ein verschwindend kleiner Teil der Grundgesamtheit ist, ist der Rückschluß von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit nicht unproblematisch. Damit er überhaupt sinnvoll ist, muß die Ziehung der Stichprobe so organisiert sein, daß sich in ihr die Verhältnisse der Grundgesamtheit widerspiegeln. In einer klinischen Studie über eine bestimmte Erkrankung werden alle Patienten aufgenommen, die mit dieser Erkrankung in einem bestimmten Zeitraum in eine bestimmte Klinik kommen.


1.4. Einflußgröße, Faktor, Störgröße

Einflußgrößen sind die Merkmale, von denen die betrachtete Zielgröße abhängt. Natürlich kann man in einer Untersuchung i. allg. nicht alle Einflußgrößen erfassen. Man nennt die erfaßten Einflußgrößen Faktoren, die nicht erfaßten Störgrößen. Die Faktoren unterscheidet man weiter in zuteilbare und nicht zuteilbare Faktoren. Die zuteilbaren Faktoren werden den Beobachtungseinheiten zugeteilt, die nicht zuteilbaren sind fest mit den Beobachtungseinheiten verbunden. In der klinischen Studie aus Aufgabe 1.1 möchte man die Therapie so den Patienten zuteilen, daß sich die Therapiegruppen bezüglich aller anderen Einflußgrößen nicht unterscheiden.


1.5. Erhebung, Experiment

Bei statistischen Untersuchungen unterscheidet man die Typen "retrospektive Erhebung", "prospektive Erhebung" und "Experiment".

In einer retrospektiven Erhebung wird eine Fragestellung anhand von Daten bearbeitet, die nicht im Hinblick auf diese Fragestellung erhoben wurden. Musterbeispiel für eine retrospektive Erhebung ist die Untersuchung einer Fragestellung anhand von routinemäßig erhobenen Daten.

Bei einer prospektiven Erhebung werden die Daten erst nach Vorliegen der Fragestellung an einer zufälligen Stichprobe aus einer definierten Grundgesamtheit im Hinblick auf die Fragestellung erhoben.

Das Experiment erfüllt alle Voraussetzungen der prospektiven Erhebung. Zusätzlich wird mindestens eine zuteilbare Einflußgröße den Beobachtungseinheiten vom Versuchsleiter unter statistischen Gesichtspunkten frei zugeteilt.

In einer klinischen Studie soll die Abhängigkeit der Geburtsdauer von der angewandten Narkoseform untersucht werden.


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Redaktion: Institut für Informatik und Biomathematik
Maintainer: Carsten Fischer (fischca@uni-muenster.de) 30.05.95