In den vergangenen Stunden haben Sie die Basisdienste des Internet kennengelernt. Folge der Entstehung des Internet als Experiment ist, daß die Bedienung dieser Dienste recht umständlich ist. Wo im PC-Bereich Fenster und Menüs den Umgang mit Programmen erleichtern, ist das Internet in seiner textorientierten Unix-Bedienung hängengeblieben. Umständliche Befehlsfolgen und Shellkommandos erschweren es, die vielfältigen Angebote des Netzwerks auszunutzen.
Ich möchte Ihnen heute Abend einen relativ jungen Dienst
im Internet vorstellen, der mit diesen Problemen aufräumt, indem
er die Vorteile einer grafischen Benutzeroberfläche auf das
Netz überträgt. Es handelt sich dabei um das Gespann aus
dem "World-Wide-Web", einem neuen Standard für Informationssysteme,
und seinem meistverbreitetem Abfrageprogramm "Mosaic". Die beiden Schlagworte
"WWW" und "Mosaic" sind in den letzten Monaten wiederholt von der
Fachpresse aufgegriffen worden, so daß sie einigen von Ihnen bestimmt
schon bekannt sind.
Ich möchte Ihnen im folgenden das Konzept des World-Wide-Webs
vorstellen. Anschließend werde ich kurz die Bedienung von Mosaic
erklären und mit Hilfe von Folien einige Beispiele für
"Datenreisen" im WWW vorstellen.
Was unterscheidet aber nun das WWW von den bekannten Netzdiensten?
Kern des World-Wide-Webs ist die Darstellung der Information als
Hypertext. Wie der Name andeutet, ist dies eine erweiterte Form von
Text, die es erlaubt, multimediale Elemente in Form von Grafiken, Audio
und sogar Video in die Information einzuflechten. Das entscheidende Merkmal
von Hypertext ist jedoch die Fähigkeit, Verweise auf andere Textstellen,
sogenannte Hyperlinks zu ermöchen. Durch diese Verbindungen
fügen sich die Einzelinformationen zu einem Gewebe zusammen - dem
World-Wide-Web.
Statt einer Insellösung, die den Informationsfluß nur innerhalb des Web
erlaubt hätte, ist das WWW so konzipiert worden, daß es den Zugriff auf
nahezu alle bekannten Netzdienste erlaubt. Diesem Umstand und der einfach zu
erlernenden Hypertextsprache HTML (HyperText Markup Language) ist
es verdanken, daß sich das WWW momentan zum meistgenutzten
Netzwerktool überhaupt entwickelt.
Zwar ist das WWW wie bei Gopher in Anbieter (Server) und Nutzer (Clients)
geteilt, aber prinzipiell kann jeder Rechner im Internet als Server fungieren,
egal, in welcher Form er seine Informationen anbietet. Auf diese Weise
konnte das WWW eine einheitliche Oberfläche über das
gesamte Internet bilden, ohne daß große Anpassungen vorgenommen
werden mußten.
Um die Vielfalt der Dienste im Internet über das Web
abfragen zu können, wurde eine einheitliche Schreibweise
für die Lokalisation von Dokumenten geschaffen, die
mit "Uniform Resource Locator" oder kurz URL bezeichnet wird.
Über seine URL kann jedes Dokument im Web eindeutig
bezeichnet werden. Dazu sind drei Elemente nötig, die dann
in einer speziellen Schreibweise zur URL zusammengesetzt werden.
Die Elemente sind im einzelnen Dienst, Rechner und Pfad.
Als Dienst können die bereits bekannten Basisdienste des Internet
angegeben werden, z.B. gopher, ftp, telnet
oder news
.
Das für das Web spezifische Übertragungsprotokoll heißt
HTTP
, was für HyperText
Transfer Protocol steht.
An die Stelle des Rechners wird in die URL der Hostname des
Informationsanbieters, also des Servers, eingetragen. Die Schreibweise ist
die Ihnen bekannte "Hostname"-Schreibweise mit durch Punkten
getrennten Bezeichnungen für Rechnername, Einrichtung und Land
(z.B. medsun06.uni-muenster.de
).
Als Pfad wird die Position des Dokumentes innerhalb des Servers angegeben,
wobei wie bei Ihrem heimischen PC Verzeichnisse und Unterverzeichnisse
möglich sind.
Natürlich können auch Teile der URL weggelassen werden.
Wenn beispielsweise der Pfad nicht angegeben wird, erreicht man automatisch
die Leitseite (in der Websprache Homepage) des Servers. Wenn man sich
auf Server innerhalb der eigenen Einrichtung bezieht, können Teile des
Hostnames entfallen (z.B. einfach medsun06
für einen
Rechner in unserem Institut).
Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, fehlen einige Dienste. Dies liegt zum einen daran, daß ich hier nur die meistgenutzten Dienste aufgeführt habe. Zum anderen sind über die URL auch nicht alle Internet-Dienste darstellbar - beispielsweise solche, die nicht eine Dokumentenadresse, sondern ein Suchwort oder Benutzereingaben erfordern. Hier kommen Gateways ins Spiel - es handelt sich dabei um Kombinationen aus Bildschirmformularen und kurzen Programmen, die eine Schnittstelle zwischen dem Web und anderen Diensten herstellen. Auf diese Weise können Sie unter anderem elektronische Post über das Web verschicken, die "Archie"-Datenbank nach Programmen durchsuchen oder auch auf die professionelle Datenbank "Oracle" zugreifen. Die Gateways bringen dabei meist eine vereinfachte Benutzung der Dienste mit sich. Ganz generell ist es über Gateways möglich, ganz neue Dienste zu programmieren, die im ursprünglichen Konzept des WWW gar nicht vorgesehen waren.
Trotz der derzeitigen Verwirrung ist abzusehen, daß sich ein
Standard aus den experimentellen Katalogen durchsetzen wird. Es wird
sich dabei vermutlich um ein halbautomatisches System handeln - zu
finden wäre dann nur noch die Organisation, die freiwillig die
Rechenleistung und Plattenkapazität bereitstellt, um diese
Datenmengen zu speichern.
Bis dahin muß man wohl oder übel mit dem jetzigen
Flickwerk leben.
Die Ausbreitung des World-Wide-Webs ist auch an unserer Fakultät nicht
vorübergegangen: Seit Mai 1994 wird hier im Institut an einem
WWW-Server gearbeitet, der seit der Fachbereichsratssitzung im Oktober
nun auch offizielles Informationssystem des Fachbereichs ist.
Das Informationsangebot erstreckt sich momentan auf etwa 50 Dokumente,
erweitert sich aber nahezu täglich. Der Schwerpunkt liegt derzeit
mit einer Vielzahl von Fachschaftsinformationen und Stundenplänen
im studentischen Bereich, aber der Server richtet sich gleichermaßen
an die Institute und wissenschaftlichen Mitarbeiter. Bereits geplant oder in
der Umsetzung sind unter anderem
Der Server wird zur Zeit von einer studentischen Hilfskraft betreut, die beim Einspielen von Informationen weiterhelfen kann. Für interessierte Mitarbeiter richten wir gerne einen Zugang auf unsere Servermaschine ein, so daß Sie eigenständig über ihre Dokumente verfügen können. Für die Einspeisung von Texten stehen diverse Konverter zur Verfügung, die die Dateien der gängigen Textprogramme in das HTML-Format umsetzen; für das Einlesen von Grafiken können wir einen Scanner bereitstellen. Derzeit in Arbeit ist ein Programmpaket, daß es erlaubt, die WWW-Oberfläche für die einfache Eingabe von Informationen auszunutzen.
Wenn Sie für Ihre Institute Informationen einbringen möchten, wenden Sie sich bitte an mich.