Dabei weckt diese Zusammenschau der Entwicklung von Kosmos, Erde, Leben und Bewußtsein nicht nur ein Gefühl von Staunen und Bewunderung gegenüber den ebenso komplexen wie grandiosen Erscheinungen und Abläufen der Natur, sondern führt uns auch vor Augen, eine wie unbedeutende Randerscheinung letztlich wir selbst sind.
Wiederholt hat die Wissenschaft den Menschen von den selbsterrichteten Podesten seiner Eitelkeit gestürzt, und diese Desillusionierung, die sich wie ein Leitmotiv auch durch die Seiten dieses Heftes zieht, ist noch keineswegs am Ende angelangt. So sieht sich der Mensch, auch nachdem er seine Abkunft aus dem Tierreich anerkannt hat, weiterhin gerne als Gipfel und Schlußpunkt der Evolution. Dem hält Stephen Jay Gould in seinem Beitrag entgegen, daß die Entwicklung des Lebens keineswegs zielgerichtet zum Menschen hin verlief und daß unsere Gattung nur ein zufälliges Nebenprodukt dieses Prozesses ist. Desgleichen muß es unsere Eigenliebe verletzen, wenn Marvin Minsky prophezeit, daß eines Tages Roboter unser intellektuelles Erbe antreten werden (oder ist diese Prophezeiung selbst nur wieder ein Beispiel typisch menschlicher Vermessenheit?).
Schließlich tut es unserer Selbstherrlichkeit gewaltig Abbruch, wenn wir erkennen müssen, daß wir mit unserer Welt keineswegs nach Belieben zu unserem eigenen Vorteil schalten und walten können, wenn wir nicht riskieren wollen, mit ihr auch uns selbst zu vernichten. Wie Robert W. Kates in seiner Schlußbetrachtung feststellt, kann es nicht mehr darum gehen, uns die Welt untertan zu machen, sondern in Harmonie mit der Natur einen Platz in ihr zu finden.
Mit diesem Heft vollzieht Spektrum der Wissenschaft auch den Schritt zu einem neuen Medium. Die beigefügte CD-ROM, die in Zusammenarbeit mit Rowohlt-Systhema produziert wurde, ermöglicht unter anderem eine multimediale Stippvisite in der faszinierenden Gedankenwelt von Minsky, der sich als Visionär der Künstlichen Intelligenz einen Namen gemacht hat.
Dieses Heft enthält Originalartikel, die in keiner der regulären monatlichen Ausgaben von Spektrum der Wissenschaft bisher erschienen sind oder erscheinen werden.
Von Steven Weinberg
Wir vermögen das All und unseren Platz darin allmählich immer besser zu begreifen. Wird die Forschung an den Grenzen und Rändern der Naturwissenschaft eine Sonderrolle für intelligentes Leben entdecken? Seite 6
Die Entwicklung des Universums
Von P. James E. Peebles, David N. Schramm, Edwin L. Turner und Richard G. Kron
Das gesamte beobachtbare Weltall entstammt einer gewaltigen Explosion, bei welcher Raum und Zeit, Materie und Energie aus einem winzigen, extrem heißen Punkt entstanden. Während sich der Kosmos ausdehnte und abkühlte, bildeten sich nach und nach Atome, Galaxien, Sterne und Planeten - so dauerte es Jahrmilliarden, bis das Leben geeignete Bedingungen vorfand. Seite 20
Die Entstehung der Elemente
Von Robert P. Kirshner
Die chemischen Elemente, aus denen die Erde und ihre Bewohner bestehen, sind in früheren Sterngenerationen entstanden und wurden bei der Explosion dieser Sterne ins All geschleudert. Seite 28
Die Entwicklung der Erde
Von Claude J. AllŠgre und Stephen H. Schneider
Als die Erde, aufgeheizt von einschlagenden kosmischen Körpern und gebadet in ultraviolettem Sonnenlicht, vor ungefähr 4,5 Milliarden Jahren entstand, war wohl kaum zu ahnen, daß sie einmal zur einzigartigen Oase des Lebens in einem unwirtlichen Kosmos würde. Seite 36
Der Ursprung des Lebens
Von Leslie E. Orgel
Die Hinweise mehren sich, daß ein entscheidender Schritt am Beginn des Lebens das Entstehen katalytisch aktiver Ribonucleinsäure (RNA) war. Noch ließ sich allerdings nicht lückenlos nachvollziehen, wie sich solche komplexen organischen Verbindungen gebildet und vermehrt haben. Seite 44
Die Evolution des Lebens
Von Stephen Jay Gould
Die Geschichte der Organismen ist nicht durch stetige Höherentwicklung geprägt und verlief auch nicht auf eine vorgegebene, vorhersehbare Weise, die etwa aus den bekannten Evolutionsgesetzen ableitbar wäre. Maßgeblich für die Richtung der Evolution - gerade was die die großen Linien der Tierwelt angeht - waren oft zufällige Umwälzungen bis hin zu schicksalhaften Katastrophen. Seite 52
Gibt es außerirdisches Leben?
Von Carl Sagan
Noch immer kennen wir außer der Erde keinen Ort im All, an dem nachweislich Leben existiert. Doch überall im Universum entdecken die Wissenschaftler die chemischen Bausteine möglicher Organismen. Seite 62
Die Entstehung von Intelligenz
Von William H. Calvin
Was Sprache, Voraussicht, musikalische Fähigkeiten und andere Merkmale von Intelligenz im Kern verbindet, ist eine Grundfertigkeit, die rasche, präzise vorgeplante Bewegungen erlaubt, wie sie etwa beim Werfen eines Speers erforderlich sind. Sie wäre evolutiv begünstigt und könnte als Nebeneffekt höhere geistige Leistungen ermöglicht haben. Seite 70
Werden Roboter die Erde beherrschen?
Von Marvin Minsky
Ja, aber wir müssen diese Vision nicht fürchten; denn wir selbst werden diese Roboter sein. Wenn wir mit Hilfe der Nanotechnologie Ersatz für Körper und Gehirne entwickeln, werden wir länger leben, größere Weisheit besitzen und uns ungeahnter Fähigkeiten erfreuen. Seite 80
Die Zukunft des Lebens
Von Robert W. Kates
Die Hoffnungen auf eine umweltverträgliche Zukunft ruhen auf der Entwicklung geeigneter Technologien und Institutionen sowie des globalen Bewußtseins, daß wir unsere Lebensgrundlagen nicht selbst zerstören dürfen. Seite 88