Arbeitslosigkeit und Angst vor Arbeitsplatzverlust spalten die Gesellschaft und bedrohen den sozialen Frieden. Massenarbeitslosigkeit ist auch ein gefährlicher Nährboden für Kriminalität und Radikalismus. Wer arbeiten will, muß die Chance bekommen, arbeiten zu können. Arbeit ist in einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft ein Recht für alle. Die Bundesregierung hat das Ziel, einen hohen Beschäftigungsstand zu sichern, aufgegeben. Sie findet sich mit Massenarbeitslosigkeit ab oder will sie sogar mißbrauchen, um den sozialen Fortschritt aufzuhalten.
Wir werden die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze zur Hauptaufgabe unserer Politik machen. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um die Arbeitslosigkeit so schnell und so weitgehend wie möglich zurückzudrängen. Dazu werden wir unverzüglich nach Übernahme der Regierungsverantwortung das folgende konkrete Konzept in die Tat umsetzen:
Wir werden einen Beschäftigungspakt gegen Massenarbeitslosigkeit organisieren. Dabei muß der Staat Gewerkschaften, Arbeitgeber und Bundesbank für ein aufeinander abgestimmtes Verhalten gewinnen, um mehr qualitatives, sozial- und umweltverträgliches Wachstum und mehr Beschäftigung bei Stabilität des Geldwerts zu erreichen. Dieses gesellschaftliche Bündnis muß bei der bestehenden Verflechtung unserer Wirtschaft mit einer europäischen Wachstums- und Beschäftigungsinitiative verbunden werden.
Wir begrüßen deshalb die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überwindung von Rezession und Massenarbeitslosigkeit in Europa. Wir werden uns dafür einsetzen, daß ein europäischer Gesamtplan zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und zur dauerhaften Wiederherstellung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitiger Absicherung der sozialen Dimension umgehend verwirklicht wird.
Wir werden die steuerlichen Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern.
Forschung, Bildung und Wissenschaft werden wir stärken. Mit einem gesamtdeutschen Zukunftsinvestitionsprogramm werden wir öffentliche Infrastrukturinvestitionen verstärken und zeitlich vorziehen. Wir werden mit einer ökologischen Modernisierung unserer Wirtschaft Zukunftsmärkte eröffnen und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen. Durch Abbau überflüssiger Staatsbürokratie und durch Straffung der Genehmigungsverfahren werden wir Investitionen in neue Arbeitsplätze erleichtern.
Wir werden den wirtschaftlichen Mittelstand stärken.
Durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten werden wir die Investitionskraft der Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeit verbessern. Wir werden durch eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen die Nachfrage der privaten Haushalte stabilisieren. Wir werden den Wohnungsbau s tärken und damit die Bekämpfung der Wohnungsnot mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit verbinden.
Mit einem Aufbauprogramm Ost werden wir die Modernisierung der Wirtschaft in den neuen Ländern und den Absatz ostdeutscher Produkte unterstützen. Wir werden dafür sorgen, daß bei allen Maßnahmen unseres Regierungsprogramms für umweltgerechtes Wachstum und Beschäftigung ein besonderer Schwerpunkt in die neuen Länder gelegt wird.
Wir werden mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik dafür sorgen, daß nicht vor allem Arbeitslosigkeit, sondern sinnvolle Arbeit finanziert wird. Mit einer effizienten und gerechteren Verteilung der Arbeit sollen mehr Arbeitsplätze geschaffen und die Produktivität der Unternehmen erhöht werden. Auch durch eine ökologische Steuerreform soll dazu ein Beitrag geleistet werden, indem die Belastungen der Arbeit gesenkt und Materialverschwendung verteuert werden.
Mit einem mittelfristig angelegten Konsolidierungskonzept wollen wir den dramatischen Anstieg der Staatsverschuldung bremsen, um Investoren und Verbrauchern wieder Vertrauen in die Stabilität der Staatsfinanzen zu geben.
Unser Land steht wirtschaftlich vor großen Herausforderungen. Wertvolle Zeit ist nicht genutzt worden, in der notwendige Strukturanpassungen hätten vollzogen werden müssen. In ganz Deutschland müssen jetzt Wirtschaft, Staat und Gesellschaft umfassend modernisiert werden. Wohlstand, Arbeitsplätze, soziale Sicherheit und die natürlichen Lebensgrundlagen können auf Dauer nur erhalten bleiben, wenn die deutsche Wirtschaft leistungsfähig und international wettbewerbsfähig ist. Deshalb werden wir die wirtschafts- und finanzpolitischen Voraussetzungen dafür schaffen, daß unsere Wirtschaft mit Spitzenqualität zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Weltmärkten bestehen kann. Private Investitionen und Innovationen, Forschung, Bildung und Wissenschaft sowie staatliche Investitionen in eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur und eine ökologische Erneuerung der Wirtschaft sind der Schlüssel für umweltverträgliches Wachstum und zukunftssichere Arbeitsplätze. "Made in Germany" muß auf den Weltmärkten wieder zum Gütesiegel für Spitzentechnologie und höchste Qualität werden.
Eine der größten Herausforderungen für unsere marktwirtschaftliche Ordnung ist, die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland voranzubringen. Die Regierung Kohl war der inneren Einheit nicht gewachsen. Industrielandschaften veröden, Arbeitsplätze verschwinden. Überhastete Privatisierung und eine verfehlte Eigentumsregelung behindern die Entwicklung einer eigenständigen, regional verwurzelten Industrie.
Die Menschen in Ostdeutschland wollen bald unter gleichen Verhältnissen und mit den gleichen Chancen wie die Menschen in Westdeutschland leben. Frauen und Männer wollen vor allem die Chance auf einen sicheren Arbeitsplatz. Dazu braucht Ostdeutschland wettbewerbsfähige Unternehmen, wissenschaftlich- technische Einrichtungen und eine leistungsfähige Infrastruktur. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Forscherinnen und Forscher wollen sich am Aufbau beteiligen, Lehrerinnen und Lehrer, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer müssen lehren können. Das Verkehrs- und Kommunikationsnetz muß funktionieren, die Städte müssen attraktiver werden. Deshalb werden wir die Haushaltsansätze des Bundes für die neuen Länder über die gesamte Legislaturperiode konstant halten. Die verwirrende Töpfchenwirtschaft muß aufhören. Die Mittel für die neuen Länder sind gezielter und mit klaren Prioritäten einzusetzen. Die im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" praktizierte generelle Koppelung von EFRE-Mitteln und GA-Mitteln wird aufgehoben. Dabei entfällt die Komplementärfinanzierung durch den Bund nicht.
In einem gesamtdeutschen Zukunftsinvestitions-Programm werden wir einen besonderen Schwerpunkt in die neuen Länder legen. Um die Investitionen der Städte und Gemeinden in Ostdeutschland zu beschleunigen, soll den Kommunen für eine begrenzte Zeit wieder eine Investitionspauschale bereitgestellt werden.
Die Treuhandanstalt wird aufgelöst. Über die bei ihr verbliebenen Liegenschaften wird auf Länderebene entschieden: So läßt sich die Landes- und kommunale Entwicklungsplanung mit der Verwendung und Privatisierung der Liegenschaften verbinden. Bodenspekulation wird verhindert. Viele Treuhandunternehmen können sich aus eigener Kraft sanieren und modernisieren. Doch sie brauchen Zeit. Für einen festen Sanierungszeitraum von drei bis fünf Jahren werden wir ihnen die notwendigen Finanzmittel, die im Zeitverlauf abnehmen, bereitstellen. Sanierungsfähige Betriebe werden unter staatlicher Mitwirkung und Beteiligung in Holdings zusammengefaßt. Ihre unternehmerische Freiheit bleibt bestehen. Die Beschäftigten, die bei der Sanierung mithelfen, brauchen die Aussicht auf sichere, dauerhafte Beschäftigung. Sie müssen sich weiterqualifizieren können. Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze sind sichere Arbeitsplätze. Altschulde n von kommunalen Unternehmen, sozialen Einrichtungen, landwirtschaftlichen Betrieben und auch von frühprivatisierten Unternehmen gefährden deren Überleben. Sie müssen deshalb mit Hilfe des Bundes abgebaut werden.
Wer neue Unternehmen gründen oder ansiedeln oder bestehende Unternehmen entwickeln will, braucht bessere Bedingungen für seine Investitionen. Wir werden durch steuerliche Maßnahmen und die Übernahme von Bürgschaften Erleichterung schaffen. Wir werden durch staatliches Risiko- und Beteiligungskapital und durch projektgerechte Investitionsförderung weitere Hilfen anbieten.
Ostdeutsche Produkte sind Qualitätsarbeit. Ihr Marktzugang nach Westen muß erleichtert werden, z.B. im öffentlichen Beschaffungswesen und durch die Listung ostdeutscher Produkte bei Handelsunternehmen. Mit gezielten Hermes-Deckungen und mit grenzüberschreitenden Kooperationen werden wir Exportmärkte in Ost- und Mitteleuropa entwickeln helfen.
Mit einem neuen Arbeits- und Strukturförderungsgesetz wollen wir die Arbeitsmarkt- mit der Struktur- und Regionalpolitik verbinden. Aktive Arbeitsmarktpolitik muß präventiv sein und mit Fördermaßnahmen schon vor Eintreten der Arbeitslosigkeit und inkrisenbetroffenen Branchen und Regionen eingreifen. Dort, wo die bisherigen Förderinstrumente nicht greifen, werden wir sie ausbauen und besser miteinander verknüpfen. Um einen spürbaren Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit zu leisten, werden wir den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt ausweiten und verstetigen. Mit einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt werden wir eine Beschäftigungsbrücke hin zu neuen wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen schaffen. Dazu werden wir sozial und ökologisch notwendige Maßnahmen fördern. Bisher arbeitslose Menschen erhalten die Chance, sich bei angemessener Bezahlung und der Chance der beruflichen Qualifikation auf neue Arbeitsverhältnisse vorzubereiten.
Wir brauchen endlich eine Regionalpolitik, die die Ziele und Instrumente der verschiedenen Ebenen und Fachressorts koordiniert. Bund, Länder, Gemeinden, Regionen und die Europäische Kommission müssen sich auf die wesentlichen Entwicklungsziele einigen. Die Regionen brauchen unmittelbare Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten über Ziele, Instrumente und über die finanziellen Mittel. Die Regionen sollen Mittelzuweisungen erhalten, die sie in eigener Verantwortung entsprechend einem abgestimmten regionalen Entwicklungs- und Innovationskonzept einsetzen können. An der Erarbeitung der Regionalpläne sollen Vertreterinnen und Vertreter aus Arbeit und Wirtschaft, Kommunen und Wissenschaft sowie öffentlichen Verbänden beteiligt werden.
Wir werden das Angebot an beruflicher Fortbildung und Umschulung erweitern, ein Altersübergangsgeld für ältere Arbeitslose in Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit bereitstellen und mit dem weiterbestehenden Angebot der Altersteilrente den schrittweisen Übergang aus dem Berufsleben sinnvoller gestalten. Jüngeren eröffnen wir die Chance auf einen Arbeitsplatz durch gesetzliche Regelungen, die es den Tarifvertragsparteien ermöglichen, Vorruhestandsvereinbarungen für Ältere abzuschließen. Arbeitssuchenden werden wir Hilfen bei der Gründung einer selbständigen wirtschaftlichen Existenz anbieten.
Unsere Beschäftigungs- und Strukturpolitik wird zukunftssichere Arbeitsplätze für Frauen und Männer gleichermaßen schaffen. Die Erhaltung und Förderung der Berufstätigkeit von Frauen sind für uns Teil der Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik. Auf die Förderung von Zukunftsbranchen, vor allem im Dienstleistungsbereich, werden wir unser besonderes Augenmerk richten, um Frauen verstärkt aussichtsreiche berufliche Möglichkeiten zu eröffnen.
Langzeitarbeitslose Frauen und Männer haben es besonders schwer: Sie leiden nicht nur materiell, sondern auch seelisch. Sie benötigen besondere Hilfen. Das ist gemeinsame Aufgabe von Staat, Unternehmen und Gewerkschaften. In einem gezielten Programm für den Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit sollen Unternehmen zusätzliche Arbeitsplätze bereitstellen. Für die dort beschäftigten Arbeitslosen soll der Staat Lohnkostenzuschüsse zahlen, in der Regel nicht unter einem Jahr, jedoch befristet, der Höhe nach abnehmend.
Die Tarifvertragsparteien bleiben aufgerufen, für die verschiedenen Formen der öffentlich geförderten Beschäftigung neue Tarife zu finden, wenn bestehende Tarifverträge keine angemessenen Lösungen ermöglichen.
An bewährten Instrumenten wie Qualifzierungs- und Beschäftigungsgesellschaften werden wir gerade in den neuen Ländern festhalten. Dazu brauchen wir das Wissen und Können der regionalen und lokalen Arbeitsverwaltungen. Regionale Wagnisfonds geben Impulse, Unternehmen und staatliche Institutionen müssen zusammenarbeiten. In der Bauwirtschaft werden wir die Schlechtwettergeld-Regelung wiederherstellen.
Die Einheit ist ein Gewinn für alle Deutschen. Aber nicht alle gesellschaftlichen Gruppen haben sich an dieser Jahrhundertaufgabe beteiligt. Die Lastenverteilung ist ungerecht: Die Kosten der Einheit Deutschlands sind bisher zum großen Teil einseitig über die Sozialversicherung finanziert worden. Vor allem die jetzige Form der Finanzierung der notwendigen aktiven Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland hat die gesetzlichen Kosten der Arbeit verteuert und die Investitionskraft der Unternehmen geschwächt. Diese strukturelle Fehlentwicklung muß schrittweise korrigiert werden.
Wir werden eine wirtschaftspolitisch vernünftige und systematisch saubere Strukturreform durchführen: Dazu gehört auf der einen Seite eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Diese Senkung der Lohnnebenkosten entlastet alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle Unternehmen. Das kommt nicht zuletzt auch den kleinen und mittleren Unternehmen zugute. Zu dieser Strukturreform gehört im Gegenzug auch eine gerechte Finanzierung der deutschen Einheit über das Steuersystem, die sich an der Leistungsfähigkeit orientiert. Für die Entlastung der Wirtschaft und der Arbeit ist diese Maßnahme wirtschaftspolitisch richtig und wird auch von der Wirtschaft akzeptiert. Damit wird auch ein Beitrag für einen gerechten Lastenausgleich in Deutschland geleistet.
Bei der Steuerfinanzierung werden wir durch eine Regelbindung sicherstellen, daß die Bundesanstalt für Arbeit die notwendigen Mittel erhält und autonom einsetzen kann.
Wir wollen sozialversicherungsfreie Beschäftigung auf eng begrenzte Ausnahmen, z.B. Ferienarbeit von Schülerinnen und Schülern oder Studierenden, beschänken. Wer regelmäßig arbeitet, soll sozialversichert sein. Illegale Beschäftigung werden wir mit aller Energie bekämpfen.
An der Schwelle von der Ausbildung zum Beruf müssen alle organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um jungen Facharbeitern und Fachangestellten eine Beschäftigung zu garantieren, in der sie die erworbene Qualifikation erhalten und weiterentwickeln können. Wir setzen vorrangig auf die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit, um Männern und Frauen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen.
Wir werden das Arbeitsschutzrecht novellieren mit dem Ziel, mehr Arbeitsschutz, bessere Gesundheitsvorsorge und humanere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
Wir wollen ein modernes Arbeitsgesetzbuch schaffen, das die Rechte und Pflichten im Arbeitsleben zusammenfaßt, den Schutz und die Stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsleben verbessert und die gesetzliche Grundlage für eine sozial-fortschrittliche Gestaltung aller Arbeitsverhältnisse bietet.
Tarifautonomie und Tarifvertragsrecht stehen für uns nicht zur Disposition. Starke und handlungsfähige Gewerkschaften sind für die Gestaltung der sozialen Demokratie notwendig, ebenso wie das Streikrecht. Wir werden den Aussperrungsparagraphen 116 AFG wieder in seine alte Form zurückführen, um die Verhältnismäßigkeit im Arbeitskampf wiederherzustellen. Wirtschaftlich schwierige Zeiten dürfen nicht den Vorwand bieten, die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen einzuengen.
Die Verteilungsverhältnisse haben sich weiter zuungunsten der Arbeitnehmerschaft entwickelt. Die Bruttoeinkommen der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen stiegen in den letzten zehn Jahren um 121 Prozent; die Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer lediglich um 62 Prozent. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen daher Vermögen bilden können, indem sie sich am Produktivkapital beteiligen. Das sorgt für eine Beteiligung der Beschäftigten am Sagen und Haben durch Mitbesitz und Mitbestimmung und stärkt die Investitionskraft der Unternehmen.
Wir wollen gesetzliche Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von Frauen in der privaten Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst. Schon bei der Berufswahl wollen wir den jungen Frauen die gleichen Chancen wie jungen Männern eröffnen. Sie sollen nicht in sogenannte "frauentypische" Berufe abgedrängt werden, sondern Zugang zu allen zukunftssicheren Berufen haben. Deshalb streben wir in den Betrieben eine Quotierung der Ausbildungsplätze an. Wir werden unsere Wirtschaftsförderung an qualifizierte Arbeitsplätze und frauenfördernde Maßnahmen binden. Wir werden eine Frauenquote bei allen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten einführen, entsprechend dem Anteil von Frauen an der Arbeitslosigkeit. Wir werden unseren Gleichstellungsgesetz-Entwurf erneut vorlegen, damit der Prozeß von formaler Gleichberechtigung zur wirklichen Gleichstellung in allen gesellschaftlichen Bereichen endlich beschleunigt wird.
Wir halten eine Gewerbesteuerreform für erforderlich, um die Investitionskraft der Unternehmen zu stärken und die Einnahmenstruktur der Kommunen zu verbessern. Die Gewerbesteuerreform muß im Einvernehmen mit der Wirtschaft und den Städten und Gemeinden verwirklicht werden.
Um die private Investitionstätigkeit zu stärken, müssen die Genehmigungsverfahren gestrafft und vereinfacht werden.
Wir werden dafür sorgen, daß die Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirtschaft und für Existenzgründungen verbessert werden. Dazu gehören vor allem mehr Berechenbarkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik und eine Entbürokratisierung auf allen staatlichen Ebenen. Wir werden die Bereitstellung von Risikokapital für junge, kapitalintensive Technologieunternehmen verbessern. Den mittelständischen Unternehmen muß der Gang an die Börse erleichtert werden. Wir werden die industrielle Gemeinschaftsforschung für die Unternehmen stärken, die keine eigenen Forschungskapazitäten vorhalten können. Wir werden Personalkostenzuschüsse gewähren, um kleinen und mittleren Unternehmen die Einstellung von Forschungspersonal zu ermöglichen. Wir werden diese Unternehmen auch bei der Erschließung von Auslandsmärkten unterstützen. Wir werden einen wirksamen Mieterschutz für Geschäftsräume mittelständischer Handwerker und Einzelhändler schaffen.
Das Handwerk leistet einen ganz entscheidenden Beitrag für die berufliche Ausbildung und damit für die Qualifikation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Selbständigen. Wir werden die Aufstiegsförderung für angehende Handwerksmeister und -meisterinnen verbessern und die überbetriebliche Aus- und Weiterbildung ausbauen.
Vor allem für Ostdeutschland werden wir die Mittelstandsförderung in überschaubare wirksame Instrumente zusammenfassen und auf gewerbliche Betriebe und produktionsnahe Dienstleister konzentrieren. Ausbildung und berufsbegleitende Qualifizierung in der mittelständischen Wirtschaft müssen verbessert werden. Dabei muß die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen durchgesetzt werden.
Wir werden die zentralen Aufgaben staatlicher Forschungspolitik wieder zum Inhalt der Forschungsförderung machen. Sie soll die Wettbewerbsfähigkeit erhalten, die Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern, Gesundheit und Umwelt schützen und technische Risiken beherrschbar machen. In den Zukunftsbereichen der Technologie am Beginn des 21. Jahrhunderts, u.a. bei den Informations- und Kommunikationssystemen, der Bio- und Gentechnik, den neuen Werkstoffen und der Mikrosystemtechnik, werden wir Forschung und Entwicklung verstärken, vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern und auf eine sorgfältige Technikfolgenabschätzung achten. Wir wollen erreichen, daß der Investitionsrückstand der Universitäten und Hochschulen der neuen Länder gegenüber den Hochschuleinrichtungen der alten Länder aufgeholt wird.
Wir werden ein groß angelegtes Konzept zum Aufbau einer leistungsfähigen Kommunikationsinfrastruktur entwickeln. Damit erleichtern wir das Entstehen neuer Dienstleistungen, vor allem im Software-Bereich. Wir werden dafür sorgen, daß die modernen Datenautobahnen allgemein zugänglich sind, sie systematisch für moderne Lernsysteme genutzt werden und der Datenschutz gesichert wird. Bei der Gestaltung dieser technologiepolitischen Vision muß der Staat seine Vermittlungskompetenz einsetzen. Die Deutsche Bundespost Telekom werden wir auch unter neuen Bedingungen als international konkurrenzfähiges Unternehmen der Telekommunikation erhalten und weiterentwickeln.
Die wirtschaftliche Umsetzung von Forschungsergebnissen muß beschleunigt werden. Dazu werden wir den Technologietransfer zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen ausbauen. Besonders kleinen und mittleren Unternehmen muß der Zugang zu neuen Technologien erleichtert werden. Ein Schwerpunkt wird dabei die Förderung von technologieorientierten Unternehmensgründungen sein. Der Umwelttechnik und Umweltforschung werden wir eine hohe Priorität einräumen. Neue technische Lösungen und logistische Konzepte müssen helfen, die Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt durch den Verkehr abzubauen. Produkte, Produktionsprozesse, Infrastrukturen und die Energiesicherung sind in Richtung einer Kreislaufwirtschaft auf hohem Wohlstandsniveau weiterzuentwickeln. An die guten Ergebnisse der Programme "Humanisierung des Arbeitslebens" und "Technikfolgenabschätzung" wollen wir anknüpfen.
Alle jungen Menschen bedürfen - unabhängig von Herkunft und Geschlecht - einer Bildung und Ausbildung, die sie fördert und fordert. Wir brauchen leistungsfähige und auf die Gleichstellung von Frau und Mann ausgerichtete Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen. Bei der beruflichen, zielgruppengerechten Aus- und Weiterbildung in Unternehmen, Verwaltungen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten, Berufs- und Hochschulen müssen Staat und Wirtschaft enger zusammenarbeiten. In Ostdeutschland geht es aber nicht nur um ein ausreichendes Ausbildungsangebot, sondern auch um die Garantie der Aus- und Weiterbildung für Berufe und Fertigkeiten in innovativen Branchen der Zukunft.
Der Bund muß seine Verpflichtung beim Hochschulbau, insbesondere beim Ausbau der Fachhochschulen, wieder voll erfüllen. Dafür werden wir die notwendigen Mittel bereitstellen.
Wir werden dafür sorgen, daß die Bedarfssätze und Freibeträge beim BAFöG regelmäßig angepaßt werden. Unser Land kann es sich nicht leisten, die Intelligenz, Motivation und Leistungsfähigkeit der Kinder aus Familien mit geringem Einkommen zu vernachlässigen.
Wir sehen die deutschen Hochschulen als Stätten des Austausches rationaler Argumente und werden dafür sorgen, daß sie ein freiheitlicher Platz für den offenen Diskurs bleiben. Unsere Wissenschaftspolitik wird das Erstklassige systematisch und gezielt fördern sowie der Grundlagenforschung den ihr zukommenden wichtigen Platz einräumen. Die Benachteiligung von Frauen im Hochschul- und Wissenschaftsbereich werden wir gezielt abbauen.
Neue Techniken und weltweiter Wettbewerb der Unternehmen lassen die Nachfrage nach hochqualifizierten, kompetenten, flexiblen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schnell ansteigen. Deshalb sind Aus- und Weiterbildung in einem differenzierten System der beruflichen Weiterbildung so miteinander zu verbinden und weiterzuentwickeln, daß qualifizierte Absolventinnen und Absolventen in Führungspositionen aufsteigen oder ein Studium aufnehmen können. Qualität und Quantität der Angebote in der beruflichen Aus- und Weiterbildung müssen erheblich verbessert werden. Hier sind die Unternehmen zu vermehrten Anstrengungen aufgerufen. Bund, Länder und Gemeinden müssen ihren Beitrag dazu leisten, Aus- und Weiterbildung zukunftsorientiert weiterzuentwickeln und hierfür die Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir werden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, daß unser System der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf die Herausforderungen der Zukunft eingestellt werden kann.
Deshalb werden wir eine Ausbildungsplatzinitiative ergreifen, mit der sowohl ausreichend Arbeitsplätze geschaffen als auch eine Übernahme nach der Ausbildung sichergestellt werden soll. Wenn nicht erreicht wird, daß im dualen System ausreichend qualifizierte Berufsausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden, streben wir eine bedarfsorientierte Weiterentwicklung außerbetrieblicher Ausbildung an.
Durch eine bundesgesetzliche oder tarifrechtlich abgesicherte Neuregelung muß dann gewährleistet werden, daß allen Jugendlichen qualifizierte Ausbildungsplätze angeboten werden können und ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsstellen langfristig gesichert wird.
Wir werden die Machtkonzentration in den Medien bekämpfen, die Bestands- und Entwicklungsgarantie für die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit allen Kräften verteidigen. Wir werden die Existenzbedingungen der Kultur unseres Landes gegenüber anderen nationalen Gemeinschaften und bei internationalen Verträgen wahren.
Der intelligente und sparsame Umgang mit Energie und Rohstoffen ist ökologisch geboten und wird sich auch wirtschaftlich auszahlen, wenn der Umweltschutz nicht mehr - wie bisher - am Ende von Produktion und Konsum ansetzt, sondern ökologische Ziele unmittelbar bei der Entwicklung und Gestaltung der Produkte berücksichtigt werden. Mit einer neuen Umweltpolitik wollen wir den Wirtschafts- und Lebensstandort Deutschland sichern und verbessern.
Wir werden die Möglichkeiten der Umweltpolitik dazu nutzen, umweltfreundliche Produkte und Produktionsverfahren durchzusetzen. Deshalb werden wir klare Regelungen für eine ökologische Stoffwirtschaft aufstellen und Erzeugnisse fördern, deren Ausgangsstoffe in technische und biologische Kreisläufe zurückgeführt werden können. Dabei muß die Müllverbrennung auf ein Minimum beschränkt werden. Hierzu werden wir ein tatsächliches Kreislaufwirtschaftsgesetz vorlegen, das den Namen auch verdient, weil es nicht nur Abfallströme regelt, sondern auch Anforderungen an Stoffe und Produkte stellen soll. Wir werden die Verpackungsverordnung so überarbeiten, daß Mehrwegsysteme besser durchgesetzt werden können. Wir wollen die Abfallexporte konsequent unterbinden, weil im Grundsatz das Prinzip der nationalen Entsorgung gelten muß. Beschleunigen werden wir den ökologischen Wandel der Volkswirtschaft durch ein verbessertes Umwelthaftungsrecht, erweiterte Produkthaftung und Produktverantwortung sowie durch ökonomische Anreize. Vorantreiben werden wir sie in einem "Forum Zukunftsfähiger Produkte", in dem Unternehmen und Gewerkschaften mit Wissenschaft und Politik gemeinsam die Rahmenbedingungen erarbeiten. Wir werden ein Forschungs- und Entwicklungsinstitut für zukunftsfähige Produkte, wie z.B. abbaubare, umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Kunststoffe, einrichten. Den zielgerichteten Einsatz von Forschungsmitteln werden wir sicherstellen. Wir werden in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die ökologische Unternehmensführung fördern und die Instrumente wie z.B. Produktökobilanzen, Ökoaudit, Produktlinienanalysen und Öko-Leasing weiterentwickeln.
Umweltbildung soll Bestandteil des Bildungs- und Wissenschaftssystems werden.
Mit einer ökologischen Steuerreform, deren Grundsätze wir schon mit unserem Programm "Fortschritt 90" vorgestellt haben, wollen wir gleichzeitig die Umwelt verbessern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dauerhaft stärken. Leitidee dieser Reform ist, einerseits die Arbeit zu entlasten und umweltverträgliches Verhalten zu fördern, andererseits den umweltschädlichen Energie- und Materialverbrauch in gleichem Umfang schrittweise auch durch Erhöhung der Preise einzuschränken. Bei dieser ökologischen Steuerreform werden wir ein längerfristig angelegtes, schrittweises und berechenbares Vorgehen wählen. Wir setzen auf den Dialog, an dem auf nationaler Ebene Wirtschafts- und Umweltverbände, aber auch die Tarifpartner zu beteiligen sind. Auf dieser Grundlage werden wir in eigener Verantwortung geeignete Schritte unternehmen. Da globale Umweltprobleme nur durch internationale Anstrengungen gelöst werden können, wollen wir unsere Partner in der EU dafür gewinnen, ebenfalls eine ökologische Steuerreform durchzuführen.
Mit der ökologischen Steuerreform schaffen wir marktwirtschaftliche Anreize für die Entwicklung energiesparender und umweltschonender Produkte und Produktionsverfahren. Damit können weltweit Zukunftsmärkte erschlossen und viele international wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Wir wollen z.B., daß die deutsche Automobilindustrie mit Benzinsparautos auf den Weltmärkten von morgen an der Spitze liegt.
Die Mittel der ökologischen Steuerreform werden wir für eine Entlastung bei Steuern und Abgaben sowie für ökologisch wichtige Investitionen verwenden.
Im Rahmen eines längerfristig angelegten gesamtdeutschen Zukunftsinvestitionsprogramms werden wir ökologisch wichtige Investitionen verstärken und zeitlich vorziehen. Investitionsfelder dafür sind z.B. Klima- und Umweltschutz, Energieeinsparung, Maßnahmen zur Erhöhung der Energie- und Materialeffizienz, erneuerbare Energieträger und die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Zur Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs werden wir Umschichtungen innerhalb des Verkehrshaushalts vornehmen.
Wir halten an dem Ziel des Ausstiegs aus der Kernenergie fest, weil Reaktorkatastrophen nicht mit Sicherheit auszuschließen sind, die Entsorgung des Atommülls weltweit nicht gesichert ist und die Gefahr des internationalen Handels mit waffenfähigen Kernbrennstoffen wächst. Wir werden aus der Atomenergie aussteigen und das Atomgesetz durch ein fortentwickeltes Kernenergieabwicklungsgesetz ersetzen. Wir lehnen den Neu- oder Ersatzbau von Kernkraftwerken ebenso ab wie den Einstieg in eine neue Kernkraftwerksgeneration. Wir wollen das Problem der Entsorgung des radioaktiven Abfalls lösen. Dabei lehnen wir die Wiederaufarbeitung als zu gefährlich und zu teuer ab und treten für die direkte Endlagerung ein. Hierzu müssen in Deutschland Standorte in verschiedenen geologischen Formationen untersucht werden. Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls muß in nationaler Regie erfolgen. Wir wollen unsere Anstrengungen für den Ausstieg aus der Atomenergie mit einer Politik von alternativen Angeboten und Anreizen verbinden, die zur kurzfristigen Stillegung der gefährlichsten Atomkraftwerke bei unseren östlichen Nachbarn führen kann.
Wir werden ein nationales Klimaschutzprogramm vorlegen. Unser Ziel ist, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um mindestens ein Viertel zu verringern. In einem ersten Schritt zu einer neuen, besseren Energieversorgung wollen wir regenerative Energieformen und rationellen Energieeinsatz voranbringen und dafür ein Investitionsprogramm aufstellen. Mit diesem Programm werden wir die Kraft-Wärme-Koppelung, die Sanierung und den Ausbau der Nah- und Fernwärme in Ost- und Westdeutschland sowie die Markteinführung erneuerbarer Energiequellen, insbesondere der Sonnenstrahlung, der Wind- und Wasserkraft und der Biomasse, fördern. Wir werden deshalb das Stromeinspeisegesetz für erneuerbare Energien verbessern und auf Strom aus Kraft-Wärme-Koppelung ausweiten, administrative Genehmigungshindernisse beseitigen, durch eine Änderung von Baugesetzen die passive und aktive Sonnenenergienutzung vorantreiben. Bei den öffentlichen Gebäuden und im sozialen Wohnungsbau werden wir beispielhaft die ökologische und energiesparende Bauweise voranbringen. Die Solarzellen-Technologie werden wir durch ein 100.000-Dächer-Programm fördern. In der Forschungspolitik und in der Entwicklungshilfe werden wir den erneuerbaren Energien Priorität geben.
Mit dieser Initiative schaffen wir eine neue Grundlage für eine umweltverträgliche Energieversorgung, für neue industrielle Arbeitsplätze und für eine internationale technologische Spitzenstellung bei diesen Zukunftstechniken. Da erneuerbare Energien heimische Energieträger sind, erhöh en wir damit auch die Versorgungssicherheit. Innerhalb der EU setzen wir uns für eine Veränderung des forschungspolitischen Schwerpunktes von der Fusionsforschung auf erneuerbare Energien sowie für ein europäisches Markteinführungsprogramm für erneuerbare Energien ein.
Auch für eine ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsweise bleibt die sichere Versorgung mit Energie die wesentliche Voraussetzung für ein stetiges Wachstum. Deshalb setzen wir uns für einen dauerhaften Beitrag der heimischen Stein- und Braunkohle zur Energieversorgung ein. Wir dürfen nicht zulassen, daß unsere Abhängigkeit von importiertem Öl, Gas und Kohle zu groß wird. Deshalb verlangen wir einen effizienten und umweltverträglichen Einsatz der heimischen Steinkohle, für den die 1991 bei der Kohlerunde festgelegte Fördermenge über das Jahr 2000 hinaus finanziell abgesichert wird. Die erforderlichen Mittel für den Strukturwandel in der Energieversorgung werden wir in Zukunft für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit sowie für Energiesparmaßnahmen und für die Förderung erneuerbarer Energien verwenden.
Die Energieunternehmen werden wir auf den Vorrang des Energiesparens und auf effiziente Umwelttechnologie verpflichten. Die konventionellen Kraftwerke sind zu modernisieren. Wir wollen die ökologische Sanierung des ostdeutschen Braunkohletagebaus und die Beseitigung der Altlasten zügig durchsetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit dieses Energieträgers zu sichern und die Umwelt zu schonen. Wir brauchen eine Reform des energiewirtschaftlichen Rahmens, insbesondere ein neues Energiegesetz für eine an Ressourcenschonung und Umweltschutz orientierte Energieversorgung.
Beim Stromverbrauch kann erheblich gespart werden, schon allein durch die energietechnische Verbesserung von Geräten. Gleichzeitig werden neue Arbeitsplätze geschaffen und vorhandene gesichert.
Notwendig ist internationale Zusammenarbeit, z.B. bei der Erhaltung funktionsfähiger Öl- und Gaspipelines auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Wir sind bereit, die Beteiligung deutscher Energiewirtschaftsunternehmen und der Stahlindustrie durch Bürgschaften zu unterstützen.
Die Verbraucherpolitik muß wieder den ihr in einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft gebührenden Stellenwert erhalten.
Die Landwirtschaft in Ost und West muß sich an die veränderten Rahmenbedingungen der Agrar- und Umweltpolitik anpassen. Dabei werden wir sie unterstützen. Für Hölzer, die aus waldzerstörenden Einschlägen in tropischen und nördlichen Ländern stammen, muß es ein EU-weites Importverbot geben. Außerdem ist eine Positivkennzeichnung für Hölzer aus nachhaltiger Bewirtschaftung einzuführen. In der Strukturpolitik wollen wir zur Erreichung von Wettbewerbsfähigkeit im EU-Binnenmarkt mehr Flexibilität und dadurch einen sozialverträglichen Strukturanpassungsprozeß fördern. Wir wollen finanzielle Hilfen von einer artgerechten, flächengebundenen Tierhaltung sowie einer nachhaltig umweltverträglichen Wirtschaftsweise abhängig machen.
Wir wollen neue Formen der Zusammenarbeit. Insbesondere gilt es, die Vermarktungsstrukturen wettbewerbsfähig zu machen. Hierzu müssen die wachsenden Anforderungen an Qualität, Produktionsdiversifizierung und neue Angebots- und Absatzformen im Vordergrund stehen. Eine von der SPD geführte Bundesregierung wird sich in der Europäischen Union für eine qualitätsorientierte Weinbaupolitik einsetzen, die die regionale Eigenart der verschiedenen Weinbaugebiete erhält. Die Entwicklung regionaler und für Anbieter und Verbraucher transparenter Marktzusammenhänge ist zu fördern.
In den neuen Ländern setzen wir auf Chancengleichheit aller Betriebsformen, bei der Privatisierung bisheriger volkseigener Flächen und Betriebe sowie in der Förderung. Die umstrukturierten früheren Produktionsgenossenschaften dürfen bei der Altschuldenfrage nicht länger benachteiligt werden. Wir treten für eine Wertberichtigung der Altschulden ein.
Eine SPD-geführte Bundesregierung wird die gegenwärtige Politik der Marktentlastung, die wesentlich auf Flächenstillegung setzt, nicht fortsetzen. Sie höhlt das Selbstverständnis der Landwirte aus und führt zur Verödung der Kulturlandschaft. Wir setzen auf eine Politik flächendeckender Landbewirtschaftung. Durch weitestgehende Extensivierung wollen wir die Böden und Gewässer schützen und die Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen erhalten. Wir wollen, daß Markt- und Umweltentlastungen zu gleichrangigen Zielen der Agrarpolitik werden. Ökologische Leistungen der Landwirte, die über gesetzte Umweltstandards hinausgehen, müssen von der Gesellschaft honoriert werden. Wir werden dazu in Abstimmung mit den Ländern ein vernetztes Biotopverbundsystem entwickeln.
Wir werden auch den Tierschutz voranbringen. Er kommt in die Verantwortung des Umweltministeriums. Wir wollen das Tierschutzrecht verbessern, den Tierschutz im Grundgesetz verankern und die Defizite bei der Umsetzung des Tierschutzrechts abbauen. Wir fordern die EU-Subventionen für Lebendtiertransporte zu streichen.
Notwendig ist ein Gesamtverkehrssystem, das alle Verkehrswege - Straße, Schiene, Wasser, Luft, Informationsnetze - miteinander verbindet und den Erfordernissen der Umweltschonung, der Energieeinsparung, der Sicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Wettbewerbsgleichheit Rechnung trägt. So kann der Anteil des Autos an der Verkehrsleistung langfristig zurückgehen.
Wir wollen in der Verkehrspolitik die vorhandene Infrastruktur besser nutzen. Ein Innovationssprung ist die bessere Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur mit den technologischen Möglichkeiten der Telematik. Wir werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, daß digitale Verkehrsinformationen ab 1996 verfügbar sind. Digitale Verkehrsinformationen erleichtern die informationelle Vernetzung des Autos mit anderen Verkehrsmitteln. Sie sind sowohl im überörtlichen Verkehr als auch problemgerecht in den Städten nutzbar.
Wir werden uns für eine europaweite Regelung zur Senkung der Emissionen und des Energieverbrauchs des Autos einsetzen. Das gilt auch für den Luftverkehr. Dazu sind einheitliche Normen, zuverlässige Meß- und Kontrollverfahren und einheitliche Abgabensysteme nötig. Wir wollen von der Automobilindustrie ein breites Angebot von verbrauchsarmen Autos. Das 3-Liter-Auto soll keine Vision bleiben.
Das Auto wird in überschaubarer Zukunft das meist genutzte Verkehrsmittel bleiben. Es gilt, attraktive Alternativen anzubieten: Leistungsfähige und zuverlässige öffentliche Verkehrsmittel, umweltgerechte Autos und sichere Radwegenetze. Verkehrspolitik und Automobilwirtschaft sind miteinander eng verflochten. Sie müssen sich abstimmen, um Beschäftigungsrisiken zu vermeiden. Wir unterstützen Strategien der Automobilunternehmen, sich zu Mobilitätsunternehmen weiterzuentwickeln. Wir wollen deshalb zuverlässige Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Automobilwirtschaft. Sie sollen vor allem verbrauchsarme und umweltgerechte Autos und moderne Verkehrstechniken verabreden.
Die Städte müssen wieder lebenswerter und sicherer für die Menschen werden. Wir werden uns dem Problem der mangelnden Sicherheit im öffentlichen Raum, von dem Frauen im besonderen Maße betroffen sind, verstärkt annehmen. Wir wollen die Gestaltungs- und Planungskompetenzen von Frauen in allen Planungs- und Umsetzungsphasen einbeziehen. Wir werden die Umgestaltung des öffentlichen Raums zugunsten von Fußgängern, Fahrrädern und öffentlichen Verkehrsmitteln fortsetzen. Dazu gehört Tempo 30 km/h in Wohngebieten. Auf Bundesautobahnen brauchen wir eine Begrenzung der Geschwindigkeiten. Wir streben dazu eine europäische Harmonisierung (auf der Grundlage der Beschlüsse des Europäischen Parlaments) an. Diese Harmonisierung muß Möglichkeiten einer verkehrs- und umweltgerechten Ausgestaltung enthalten. Mit mehreren Personen besetzten Pkw werden wir auf geeigneten Straßen in der Straßenverkehrsordnung Vorrang einräumen.
Autofahren ist teuer - für alle. Kfz- und Benzinsteuer decken nur einen Teil der gesellschaftlichen Kosten des automobilen Verkehrs einschließlich seiner Umweltschäden. Den Rest zahlt die Allgemeinheit. Das kann nicht so bleiben: Den einzelnen Verkehrsträgern müssen die Kosten zugerechnet werden, die sie tatsächlich verursachen. So wird umweltbewußtes Verhalten belohnt. Das eröffnet auch Finanzierungsspielräume für die Förderung umweltschonender Verkehrsmittel. Die Ersetzung der derzeit geltenden Kilometerpauschale durch eine einheitliche Entfernungspauschale schafft zusätzliche steuerliche Anreize zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel.
Die Ausgaben für den Bundesfernstraßenneubau in Westdeutschland und die Förderung des kommunalen Straßenneubaus werden wir vermindern und die eingesparten Gelder für ein verbessertes Angebot öffentlicher Verkehrsmittel einsetzen.
Mit der Bahnreform, von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen, haben Bahn und Schiene einen großen Sprung nach vorn getan. Der Deutschen Bahn AG sichern wir die für ihre mittelfristigen Investitionsplanungen notwendigen Haushaltsmittel. Im Zuge der Regionalisierung muß das Leistungsangebot im Schienenpersonennahverkehr der Deutschen Bahn und der nicht bundeseigenen Bahnen sowie auf der Straße verbessert werden. Durch die Steigerung der Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs werden Alternativen zum Auto geschaffen. In ländlichen Räumen ohne Schienenverkehr ist ein regelmäßiges Angebot auf der Straße zu sichern. Die Finanzierung der Infrastruktur und die betrieblichen Leistungen der Verkehrsunternehmen sind zu trennen. Infrastrukturfinanzierung ist eine öffentliche Aufgabe.
Wir werden ein zukunftsgerichtetes Konzept zur aktiven Schiffahrtspolitik und zur Sicherung maritimer Industriestandorte und Industriezweige in Abstimmung mit den norddeutschen Bundesländern vorlegen. Dazu gehört die Fortführung der Wettbewerbshilfe für den Schiffbau zur Abwehr fernöstlicher Wettbewerbsverfälschung in Abstimmung mit der EU (bisher auf der Basis der 7. Europäischen Schiffbaurichtlinie).
Neue Verkehrspolitik heißt auch: Die Vernetzung der Verkehrsträger im Schienen-, Straßen-, Luft- und Wasserverkehr zu einem integrierten Gesamtverkehrssystem, die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen für alle Verkehrsträger sowie die Einbindung der Verkehrspolitik in eine vorausschauende und langfristig angelegte strukturpolitische Rahmenplanung. Bei der Einführung neuer spurgebundener Verkehrssysteme, z.B. der Magnetschwebebahn, ist die privatwirtschaftliche Finanzierung sicherzustellen. Vor allem im Güterverkehr müssen die Kosten gerecht angelastet werden: Dazu brauchen wir Vereinbarungen innerhalb der EU und mit Osteuropa. Um den Güterverkehr wirtschaftlicher und ökologischer zu machen, auch in Städten, werden wir eine "Regierungskommission Wirtschaftsverkehr" berufen.
Das unsoziale, bürokratische und undurchschaubare System des derzeitigen Kinderleistungsausgleichs hat die Wohlstandsschere zwischen Kinderlosen und den Familien immer weiter zu Lasten der Familien geöffnet. In unserem Land sind Kinder immer mehr zu einem Armutsrisiko geworden. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt kritisiert, daß die Familien mit Kindern in verfassungswidriger Weise zu hoch besteuert werden. Es hat klar gemacht, daß das Existenzminimum von Kindern und Erwachsenen freigestellt werden muß. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unverzüglich umsetzen. Damit werden auch die Alleinerziehenden in Verbindung mit erhöhtem Kindergeld im Vergleich zum geltenden Recht deutlich bessergestellt.
Die mit der Existenz von Kindern verbundenen Kosten sollen gerechter als bisher auf alle verteilt werden. Der allgemeine Kinderleistungsausgleich muß das Existenzminimum des Kindes sichern. Er muß sich an d en tatsächlichen Lebenshaltungskosten orientieren und regelmäßig an ihre Entwicklung angepaßt werden. Wir werden eine Reform des Kinderleistungsausgleichs mit der Verbesserung des Grundfreibetrages und mit der Steuervereinfachung verbinden.
Dem Staat muß jedes Kind gleich viel wert sein. Deshalb wollen wir eine kräftige Erhöhung des Kindergeldes auf monatlich 250 DM für jedes Kind. Das ist ein erster entscheidender Schritt zu einem gerechteren Kinderleistungsausgleich. Dadurch wird sich vor allem die Lage der Familien mit kleinen und mittleren Einkommen spürbar verbessern. Ab dem 4. Kind sollen die Familien mit zusätzlich 100 DM im Monat unterstützt werden. Diese Reform ist aufkommensneutral zu finanzieren: durch Ersetzung der ungerechten steuerlichen Kinderfreibeträge, bei denen Spitzenverdiener fast dreimal besser abschneiden als geringverdienende Familien. Zugunsten der Kinder werden wir auch die überzogene steuerliche Begünstigung des Trauscheins bei hohen Einkommen begrenzen. Das Kindergeld soll künftig unmittelbar vom Finanzamt als Abzug von der Steuerschuld berücksichtigt bzw. ausgezahlt werden. Das bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger weniger Bürokratie und für die Verwaltung die Entlastung von unnötiger Doppelarbeit.
Familien mit Kindern brauchen ausreichenden, bezahlbaren Wohnraum. Eigener Wohnraum soll durch einen einkommensunabhängigen Abzug von der Steuerschuld gefördert werden. Beim Abzugsbetrag wollen wir ein Baukindergeld von 1.200 DM jährlich einrechnen - und das zehn Jahre lang. Aber auch der soziale Wohnungsbau für Familien mit Kindern muß stärker gefördert werden.
Wir halten am gesetzlich festgelegten Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz fest bei angemessener Finanzierungsbeteiligung des Bundes und setzen uns für einen bedarfsgerechten Ausbau von Tageseinrichtungen für alle Altersgruppen und Ganztagsschulen ein.
Die Erziehung von Kindern und die Pflege von Angehörigen müssen im Rentenrecht angemessen berücksichtigt werden.
Kinder und Jugendliche müssen sich darauf verlassen können, daß ihnen eine zukunftsorientierte Ausbildung offensteht. Deshalb werden wir die Bedarfssätze und die Freibeträge beim BAföG regelmäßig anpassen.
Die Umbrüche dieser Zeit treffen Jugendliche und junge Erwachsene in besonderer Weise. Sie fragen nach ihrer beruflichen Perspektive und nach der Sicherung ihres Arbeitsplatzes. Hier müssen Wirtschaft und Politik gemeinsam handeln: Wir brauchen eine Offensive für mehr Ausbildungsplätze. Die Übernahme aller Ausgebildeten für mindestens sechs Monate - wie in den Tarifverträgen der metallverarbeitenden Industrie und im Öffentlichen Dienst vereinbart - ist ein Schritt in die richtige Richtung. Unser Ziel bleibt die dauerhafte Übernahme in ein geregeltes Beschäftigungsverhältnis. Die Möglichkeiten der Tarifpolitik und der öffentlichen Förderung müssen zur Sicherung von Ausbildung und Beschäftigung von Jugendlichen umfassend genutzt werden. Wir werden Maßnahmen für Mädchen zur Erweiterung des Berufsspektrums und zur Erleichterung beim Übergang von Schule/Ausbildung in den Beruf ergreifen.
Jugendarbeit muß offen und flexibel auf die Probleme der jungen Menschen eingehen. Die Jugendverbände tragen in besonderem Maße zur Herausbildung demokratischer Wertorientierung bei. Wer will, daß junge Menschen ein tolerantes Miteinander lernen, muß politische Bildung in der Jugendarbeit unterstützen. Wir unterstützen freiwilliges Engagement in Angeboten wie etwa dem Sozialen und Ökologischen Jahr. Wir fördern dieses Engagement durch ein Bündel sozialer, rechtlicher und materieller Leistungen.
Die Erziehung zur Partnerschaft zwischen Mann und Frau muß grundlegender Bestandteil der Jugendarbeit sein. Dieser Erziehungsauftrag richtet sich gleichermaßen an Jungen wie an Mädchen. Mädchenarbeit muß in die Präambel des Bundesjugendplans aufgenommen werden mit der klaren Zielsetzung, Selbständigkeit und Selbstverwirklichung über die Stärkung weiblicher Identität und weiblichen Selbstbewußtseins zu fördern. Dabei sind neben der besonderen Lebenslage von Mädchen auch multikulturelle Aspekte zu berücksichtigen. Mädchenarbeit muß sich in allen Einzelförderrichtlinien des Bundesjugendplans wiederfinden. Dies gilt auch für die Entwicklung neuer Konzepte zur emanzipatorischen Jungenarbeit.
Kinder- und Jugendarbeit braucht überall in Deutschland leistungsfähige Einrichtungen. Wir werden den Kinder- und Jugendplan des Bundes mit dem Ziel ausbauen, als Beitrag zur politischen Bildung die notwendige Infrastruktur der Kinder- und Jugendförderung auf Bundesebene zu gewährleisten und damit insbesondere die Jugendarbeit in den neuen Bundesländern und die Jugendverbände zu fördern. Der Eigenverantwortlichkeit und der Vielfalt freier Träger wollen wir Rechnung tragen.
Auch ausländische Kinder und Jugendliche bedürfen unserer Förderung. Sie müssen Lebenswelten vorfinden, die ihnen gleichberechtigte Chancen bieten. Das Ausländerrecht muß so geändert werden, daß auch junge ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger Angebote und Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch nehmen können, ohne daß daraus ein Ausweisungsgrund abgeleitet werden kann.
Viele junge Menschen haben den Wunsch, selbständig zu wohnen. Wenn junge Menschen in Selbsthilfeprojekten Wohnraum schaffen, wollen wir sie unterstützen. Öffentliche Stellen können hier mit Grundstücken und ungenutzten Immobilien helfen.
Wir werden die Dauer des Zivildienstes auf die Dauer des allgemeinen Wehrdienstes verkürzen.
Gewohnte Altersbilder erweisen sich als überholt. Die Formel alt gleich arm und krank stimmt so nicht mehr. Die Älteren sind heute materiell besser gesichert als früher, sie sind gesünder und aktiver. Neue Initiativen Älterer bereichern Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft und sollen von der Politik gefördert werden.
Die Älteren sollen ihre Interessen vorrangig selbst vertreten. Die SPD setzt sich dafür ein, die Mitwirkungschancen der Älteren auszubauen. Eine sozialdemokratisch geführte Regierung wird Verbände und Organisationen der Älteren als Gesprächspartner und Gestaltungskräfte ernstnehmen und in Planungen und Entscheidungen einbeziehen. Für die Fortschreibung der Altenberichterstattung sollen in Zukunft Stellungnahmen und Anregungen der Interessenvertretungen der Älteren herangezogen werden.
Wir wollen verhindern, daß der Generationenvertrag und die Grundlagen der sozialen Sicherung immer wieder in Frage gestellt werden. Ohne Solidarität geht es nicht. Sozialdemokratische Regierungspolitik wird sich darauf konzentrieren, das Vertrauen der älteren Bürgerinnen und Bürger in unseren Sozialstaat wieder herzustellen.
Wichtige Aufgaben einer sozialdemokratisch geführten Regierung werden Abbau und Vermeidung von Altersarmut durch eine soziale Grundsicherung sein, ebenso wie die Durchsetzung von mehr Rentengerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. Eine faire Chance zum Aufbau einer ausreichenden Alterssicherung wird es nur geben, wenn der Trend zur Verdrängung älterer Arbeitnehmer und der Frauen vom Arbeitsmarkt gestoppt wird.
Auch nach dem Inkrafttreten der Pflegeversicherung gehört die Altenpflege zu den Aufgaben mit hoher Priorität. Mehr und besser qualifiziertes Pflegepersonal wird benötigt, Pflegestandards in Ost und West müssen gesichert werden. Um die Pflegeberufe attraktiver zu machen, ist eine bundeseinheitliche Regelung der Ausbildung dringend erforderlich.
Älter e sind besonders auf ein sozial gerechtes und sicherndes Gesundheitswesen angewiesen. Medikation, Behandlung, Prävention für Ältere sind besser aufeinander abzustimmen. Der Auf- und Ausbau der altengerechten Rehabilitation kann Pflegebedürftigkeit verhindern oder hinausschieben.
Eine angemessene Wohn- und Wohnumfeldsituation ist für Ältere mehr als für andere Grundlage der Lebensqualität. Eine vernünftige Wohnungspolitik fördert das Zusammenleben der Generationen und erhebt zugleich die Selbständigkeit der Lebensführung der älteren Menschen zum gestaltenden Prinzip, indem das barrierefreie Bauen und Wohnen allgemeine Grundlage des Städte- und Wohnungsbaus, insbesondere des öffentlichen und öffentlich geförderten Bauens, wird.
Die wissenschaftliche Erforschung des Alters und des Alterns hat in allen wichtigen Fächern Fuß gefaßt. Die gewonnenen Erkenntnisse über die Potentiale des neuen Alters müssen von einer weitsichtigen Politik ausgewertet und stärker gefördert werden. Neue koordinierte Forschungsanstrengungen liegen sowohl im Interesse der Einzelnen als auch der Gesellschaft.
Alle Industrienationen sehen sich mit der Alterung ihrer Bevölkerungen konfrontiert. Je eher wir uns auf diese Situation vorbereiten, um so besser werden wir die damit verbundenen Probleme meistern. Wer rechtzeitig handelt, hat die besten Chancen.
Wir werden nach der Regierungsübernahme sofort handeln. In den ersten zwei Jahren werden wir den zusätzlichen Bau von jährlich 100.000 Sozialwohnungen mit langfristigen Bindungen fördern. Damit verstärken wir die Förderung in den Ländern. Bei diesem zusätzlichen Förderprogramm wird der Bund die für die gesamte Laufzeit der Förderung erforderlichen Zinsen übernehmen. Wir werden die Einkommensgrenzen der Einkommensentwicklung anpassen. Ferner muß berücksichtigt werden, daß Wohnungen gleichzeitig auch Arbeitsplätze darstellen und daher bedürfnisgerecht zu gestalten sind.
Die Wohnbedürfnisse der Menschen haben sich geändert. Alte, Behinderte, Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Alleinstehende als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt machen es erforderlich, beim Wohnungsneubau, beim Umbau und der Modernisierung von Wohnungen flexible Wohnungsgrößen, alten- und behindertengerechte Ausstattung und kinderfreundliche Gestaltung von Wohnungen zu berücksichtigen.
In Ostdeutschland werden wir verhindern, daß es wegen der Altschuldenregelung zu Privatisierungen mit zerstörerischen, sozial unverträglichen Wirkungen kommt. Der Privatisierungsdruck über die progressive Erlösabführung wird beseitigt. Genossenschaftliches Wohneigentum ist gemeinschaftliches Privateigentum, das allenfalls an die Mitglieder der Genossenschaft veräußert werden kann. Die Ausgliederung neuer Genossenschaften aus kommunalen Wohnungsunternehmen wird der Privatisierung gleichgestellt. Auch auf diese Weise werden Erhalt und Gründung von Wohnungsgenossenschaften besonders unterstützt. Es wird das Vergleichsmietensystem mit für Ostdeutschland geeigneten sozialen Begrenzungen eingeführt. Das Wohngeldsondergesetz wird befristet verlängert.
Die Förderung der Eigenheime und Eigentumswohnungen werden wir sozial gerechter und wirksamer machen. Dafür wird die bisherige ungerechte steuerliche Begünstigung durch einen einkommensunabhängigen Abzug von der Steuerschuld ersetzt. Auf diese Weise können schätzungsweise 30.000 Eigenheime und Eigentumswohnungen pro Jahr mehr gefördert werden als bisher. Diese Maßnahme wird wegen der niedrigeren Einkommen in Ostdeutschland besonders wirksam sein. Wir werden auch den Erwerb von Genossenschaftsanteilen steuerlich wie Eigentum fördern.
Unsere Sofortmaßnahmen sind der Beginn einer grundlegenden Reform der Wohnungspolitik in Deutschland. Wir wollen eine langfristige Verstetigung des jährlichen Wohnungsbaus auf hohem Niveau, auch um Arbeitsplätze zu sichern. Dazu müssen Länder und Gemeinden ihre derzeitigen Anstrengungen beibehalten. Gebaut werden müssen Eigenheime, frei finanzierte, also steuerlich begünstigte Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und öffentlich geförderte soziale Mietwohnungen in einem ausgewogenen Verhältnis. Wir wollen eine Wohnungspolitik, in der die Kräfte des Marktes und die Instrumente des Sozialstaates zusammenwirken. Der Markt, sich selbst überlassen, verdrängt die Schwachen in unwürdige Wohn- und Lebensverhältnisse, auf die Schattenseiten der Städte. Der Sozialstaat muß einfach, verständlich, gerecht und möglichst dezentral handeln. Das verlangt in der Wohnungspolitik Durchforsten und Vereinfachen der öffentlichen und steuerlichen Wohnungsbauförderung. Dabei müssen Ungerechtigkeiten beseitigt und Baukosten gesenkt werden. Das wollen wir mit einem Bundesrahmengesetz zur Wohnungsbauförderung erreichen. Darin werden wir die steuerliche und direkte Förderung harmonisieren, langfristige Belegungsbindungen im Wohnungsbau erhalten, eine sozial angemessene Miethöhe im Zusammenhang mit dem Wohngeld festlegen, bei deren Überschreitung der Staat helfen muß. Wir werden Hilfen für die energie- und wassersparende Modernisierung von Wohnungen vorsehen. Wir werden ungerechte steuerliche Förderungen, insbesondere von Spekulationen, beseitigen und die so gewonnenen Steuermittel für die Förderung von mehr Wohnungen verwenden. Neubau und Erhalt des Bestandes werden wir konjunkturgemäß zeitlich verteilen. In Gebieten mit Wohnungsnot sollen die Städte und Gemeinden die Möglichkeit eines Verbotes der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und einer Grundsteuer C für baureife Grundstücke erhalten.
Wir werden eine Reform der Bodenordnung einleiten, die auch langfristig ein ausreichendes Angebot an Bauland sichert.
Auch das Mietrecht muß für Mieter und Vermieter einfacher und überschaubarer werden. Kern des sozialen Mietrechts bleibt der Kündigungsschutz, weil viele eine Mietwohnung dauerhaft als ihren Lebensmittelpunkt haben.
In allen Bundesländern wollen wir die Städtebauförderung neu beleben, um die historischen Kerne, aber auch Siedlungen der Nachkriegszeit erhalten zu können. Städtebauförderung dient der sozialen Stabilisierung und der ökologischen Verbesserung der Städte, es stärkt sie im Strukturwandel. In Ostdeutschland ist es eine wesentliche Aufgabe, auch die Siedlungen der Jahre zwischen 1949 und 1989, insbesondere die sogenannten Plattenbauten, sozial angemessen weiterzuentwickeln und damit nutzbar zu erhalten.
Die soziale Absicherung dieses Lebensrisikos war überfällig. Sozialdemokraten haben dafür gesorgt, daß das neue Pflegeversicherungsgesetz, das am 1. Januar 1995 in Kraft treten wird, für die betroffenen Menschen angemessene Leistungen enthält. Wir haben zugleich verhindert, daß es zur Verletzung der Tarifautonomie und des kollektiven Arbeits- und Tarifvertragsrechtes mißbraucht wird, wie CDU/CSU und FDP dies wollten. Wir werden darüber hinaus unverzüglich sicherstellen, daß die dem Sozialversicherungsprinzip entsprechende Aufteilung der Beitragslast - gemeinsame hälftige Finanzierung durch Arbeitgeber und Beschäftigte - auch für die Pflegeversicherung in allen Bundesländern gilt. Dort, wo dieser Grundsatz nicht erfüllt ist, werden wir dafür die Voraussetzungen schaffen.
Das Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 trägt unsere Handschrift. Es hat die Ausgaben der Krankenversicherung stabilisiert und wird ab 1995 eine tiefgreifende Reform des Gesundheitswesens einleiten. Wir wollen auf diesem Wege weitergehen und verstärkt wettbewerbliche Elemente einbauen, wenn sie mit den sozialen Funktionen unserer Krankenversicherung harmonieren.
Es bleibt bei unserer Ablehnung eines weiteren Ausbaus der Selbstbeteiligung der Krankenversicherten. Bestehende Selbstbeteiligungsregelungen werden wir daraufhin überprüfen, wie eine einseitige Belastung der chronisch Kranken verhindert werden kann.
Wir werden ein Schwergewicht auf Gesundheitsvorsorge und Krankheitsfrüherkennung legen, die betriebliche Gesundheitsförderung werden wir intensivieren. Die Verzahnung der gesundheitlichen mit der sozialen Betreuung chronisch Kranker, den weiteren Abbau der Grenzen zwischen dem stationären und ambulanten Versorgungsbereich und den Ausbau von Qualitätssicherungsmaßnahmen und Verbraucherschutz in der medizinischen Versorgung wollen wir vorbereiten.
Die Situation um AIDS findet trotz ihrer Ausmaße in der Allgemeinheit nicht die ihr gebührende Beachtung. Trotz der hohen Zahl von Betroffenen ist für viele AIDS immer noch ein Problem nur der Schwulen und Drogenabhängigen. Da es in absehbarer Zeit keinen Impfstoff geben wird, ist Prävention und Aufklärung die einzige Möglichkeit, den AIDS-Tod zu verhindern. Denn nur, wer über Risikosituationen informiert ist und diese erkennt, kann sein Verhalten darauf einstellen. Dagegen sind Reihenuntersuchungen und Zwangstests keine geeigneten Präventionsmaßnahmen gegen eine HIV-Infektion und daher strikt abzulehnen.
Menschen mit HIV oder AIDS haben ein Recht auf materielle Sicherung und angemessene medizinische Versorgung. Für die Menschen, die an AIDS erkrankt sind, ist es wichtig, solange wie möglich selbst den eigenen Lebensraum und den Haushalt zu erhalten.
Unser Ziel ist es, lange Krankenhausaufenthalte zu vermeiden und die Versorgung in der häuslichen Atmosphäre zu ermöglichen. Wir treten dafür ein, die ambulante Pflege auszubauen, um dies zu gewährleisten.
Wir setzen uns dafür ein, AIDS-Forschungsprogramme kontinuierlich weiterzuverfolgen und ihre Finanzierung auch langfristig sicherzustellen.
Das Prinzip der beitragsbezogenen Rente und die Eckwerte der von uns maßgeblich mitgestalteten Rentenreform 1992 stehen nicht zur Disposition. Frauen dürfen im Alter nicht weiter benachteiligt werden, sie brauchen eigenständige Rentenansprüche. Deshalb wollen wir eine Reform der Alterssicherung der Frauen, die sich am Leitbild der partnerschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen in Familie und Beruf orientiert. Kindererziehung muß in der Rente besser anerkannt werden.
Wer regelmäßig arbeitet, soll auch regelmäßig Beiträge zur Sozialversicherung zahlen. Längerfristig streben wir auf dem Weg zu einer umfassenden Reform des sozialen Sicherungssystems erste Schritte zur Einführung einer bedarfsgerechten sozialen Grundsicherung an.
Nur wer die sozialen Probleme kennt, kann sie bekämpfen. Eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung wird alle zwei Jahre einen Bericht über Ausmaß und Umfang der Armut in Deutschland vorlegen, der alle relevanten Faktoren von Armut, insbesondere auch die Ursachen der Frauenarmut, beschreibt. So können wir soziale Defizite zielgerichtet bekämpfen.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben bei der Vereinheitlichung des Rentenrechts zwischen Ost und Westdeutschland viele Verbesserungen für die älteren Menschen in den neuen Bundesländern erreicht. Wir wollen das Rentenüberleitungsgesetz erneut mit dem Ziel überprüfen, das Rentenrecht von Elementen des politischen Strafrechts zu befreien. Dabei müssen wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachten und berücksichtigen, daß Mehraufwendungen bei den Ansprüchen aus Sonder- und Zusatzversorgungsgesetzen der ehemaligen DDR zwischen dem Bund und den Ländern zu teilen sind.
Die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, wobei beide Teile voneinander lernen können, muß zu einer für alle sozial gerechten Gesellschaft führen. Diese muß in den neuen Ländern durch die in den Kapiteln des Programms im einzelnen dargelegten Maßnahmen verwirklicht werden.
Wir werden das Leben, Wohnen und Arbeiten in Ostdeutschland attraktiver machen, indem wir für eine moderne Infrastruktur, für eine menschenfreundliche Wohnungsversorgung, für ein leistungsfähiges Bildungs- und Gesundheitswesen und für moderne Sportstätten sorgen.
Vergeblich haben wir Sozialdemokraten des Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" zu verhindern versucht. Jetzt gilt es, durch eine Verbesserung der Eigentumsregelung dessen soziale Härten zu mindern. Das bedeutet vor allem, Menschen vor der Verdrängung aus Haus und Hof zu schützen. Davon können sowohl redliche Erwerber wie Nutzer von Häusern und Grundstücken bedroht sein. Deshalb wollen wir eine Regelung der offenen Vermögensfragen, die einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Eigentumsnutzer und der Alteigentümer ermöglicht, aber Verdrängung vermeidet. Wir werden bei den Entschädigungsregelungen einen Ausgleich von Restitutions- und Entschädigungsberechtigten schaffen, der sowohl dem Ziel dient, die Ergebnisse der Bodenreform und die wirtschaftliche Existenz ostdeutscher Landwirte zu schützen, als auch der Gefahr b egegnet, daß die bisherige Vermögensregelung zu einem gigantischen Transfer ostdeutscher Vermögenswerte in westdeutsches Privateigentum führt.
Wir wollen durch ein Programm zur Beteiligung insbesondere auch ostdeutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivvermögen mehr Gerechtigkeit schaffen und dazu beitragen, daß die Spaltung in West-Eigentümer und Ost-Eigentumslose abgebaut und Kräfte für die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands freigesetzt werden.
Dazu gehört es auch, Pauschaldiskriminierungen, wie sie zum Beispiel ins Rentenrecht aufgenommen worden sind, zurückzuweisen. Unrecht muß bestraft werden; aber alle Deutschen müssen in Zukunft miteinander leben. Politischer Irrtum, Anpassung und Opportunismus sind nicht nur ostdeutsche Verhaltensweisen gewesen; sie dürfen keine Kainsmale bleiben und nicht zur Ausgrenzung führen. Besondere Aufmerksamkeit muß der Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur gelten. Verletzungen ihrer Menschenwürde und ihrer körperlichen und geistigen Unversehrtheit sollen bei Rehabilitierungs- und Wiedergutmachungsanstrengungen keinen geringeren Rang haben als Verletzungen des Rechts auf Eigentum. Am Ende der notwendigen kritischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit muß Versöhnung stehen.
Frauen in Ost und West wollen ihre Existenz eigenständig sichern. Dazu brauchen wir eine Wirtschafts-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern ein integraler Bestandteil ist.
Über eine verbindliche Frauenquote an allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wollen wir Arbeitsplätze von Frauen sichern, neue Arbeitsplätze in zukunftsorientierten Branchen schaffen, über Qualifizierung die Beschäftigungschancen und die berufliche Wiedereingliederung verbessern.
Wir werden unseren Gleichstellungsgesetz-Entwurf zur Förderung von Frauen im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft erneut vorlegen. Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sollen die Betriebe und Unternehmen vorrangig berücksichtigt werden, die frauenfördernde Maßnahmen ergriffen haben.
Auch Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur müssen sich mehr als bisher dem Grundrecht von Frauen auf gleichberechtigte Teilhabe öffnen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden daher die Gleichstellungspolitik in Wissenschaft, Forschung und Kultur verankern, Frauenbeauftragte und Frauenförderung in Kooperation zwischen Bund und Ländern verbindlich regeln.
Gerade die Frauen unserer ausländischen Wohnbevölkerung, die ständig bei uns leben, brauchen unsere Solidarität und gezielte Hilfe zur Integration. Wir werden dafür sorgen, daß sie gleiche Chancen erhalten. Wir werden im Ausländerrecht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für jeden Ehepartner verankern.
Lebendige Demokratie lebt von der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zur aktiven Mitverantwortung und Mitwirkung. Wir werden uns auch weiterhin für eine Verfassungsänderung zur Stärkung unmittelbarer Bürgerbeteiligung durch Volksinititative, Volksbegehren und Volksentscheid einsetzen. Wir werden auch für die Einführung des Kommunalwahlrechts für alle Ausländerinnen und Ausländer eintreten. Wir werden ein verfassungsrechtliches Informationszugangsrecht anstreben, um so die Voraussetzungen für die gezielte Wahrnehmung dieser Rechte zu schaffen, Transparenz und öffentliche Kontrolle zu erhöhen und die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen verbessern zu helfen.
Weniger als 40% der Ausländerkinder erhalten in Deutschland eine berufliche Qualifikation. Wir werden dafür eintreten, daß Kinder aus ausländischen Familien die gleichen Aus- und Weiterbildungschancen bekommen wie ihre deutschen Altersgenossen.
Ob gesellschaftlich wichtige Aufgaben vom Staat oder von Privaten erledigt werden, ist für uns keine Frage der reinen Lehre, sondern der sozialstaatlichen Sicherung und der Wirksamkeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Die Verwaltungen müssen modernisiert, ihr Aufbau muß an die Aufgaben angepaßt werden. Beschäftigte müssen beteiligt und Hierarchien abgeflacht werden. Nicht jede staatliche Aufgabe ist eine hoheitliche Funktion, oftmals eine Dienstleistungsfunktion. Das werden wir berücksichtigen. Bundesministerien wollen wir auf ihre eigentlichen Aufgaben - Führungs- und Programmfunktionen - konzentrieren und, wo es sinnvoll und möglich ist, zusammenfassen. Behörden sollen möglichst eigenverantwortlich und erfolgsorientiert im Rahmen eines eigenen Haushalts handeln. Das Dienstrecht muß so geordnet werden, daß Eignung, Befähigung und fachliche Kompetenz über den beruflichen Lebensweg entscheiden. Spitzenpositionen sind auf Zeit zu vergeben. In den neuen Bundesländern werden wir den wirtschaftlichen Aufbau mit dem Aufbau moderner Verwaltungsstrukturen verbinden.
Infolge der Steuer- und Abgabenerhöhungen der jetzigen Bundesregierung ist die Belastung der Bürgerinnen und Bürger auf neue Rekordhöhen gestiegen. Die Staatsverschuldung explodiert. Der sprunghafte Anstieg der Zinsbelastung macht den Staat zunehmend handlungsunfähig: Diese Bundesregierung hat fast dreimal soviel Schulden gemacht wie alle ihre Vorgängerinnen zusammen. Dabei sind noch nicht einmal die Finanzrisiken in Milliardenhöhe berücksichtigt, die heute schon absehbar sind, für die die Bundesregierung bisher aber keine Haushaltsvorsorge getroffen hat. Auch durch Bildung immer neuer Schattenhaushalte hat sie die Lage der Staatsfinanzen systematisch verschleiert.
Wir werden unmittelbar nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch die SPD eine ehrliche Bestandsaufnahme vornehmen und damit endlich Klarheit über die wirkliche Lage der Staatsfinanzen schaffen. Wir müssen aber schon heute davon ausgehen: Die Erblast von 12 Jahren verfehlter Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Kohl kann nicht über Nacht beseitigt werden.
Für unser Regierungsprogramm gelten vor allem drei klare finanzpolitische Grundsätze: 1. Keine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote 2. Mittelfristige Rückführung der Neuverschuldung 3. Strikter Finanzierungsvorbehalt für alle Maßnahmen des Regierungsprogramms.
Die Steuer- und Abgabenquote, die durch die Steuer- und Abgabenerhöhungen der jetzigen Bundesregierung 1995 ein absolutes Rekordniveau erreicht, darf nicht weiter erhöht werden. Innerhalb dieser Quote werden wir Umschichtungen vornehmen, um Wachstum und Beschäftigung zu stärken und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen:
Nach den drastischen Steuer- und Abgabenerhöhungen der jetzigen Bundesregierung ist für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Durch die einseitige Lastenverteilung über die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge und Verbrauchsteuern sowie durch die Kürzungen im Sozialbereich ist bei der notwendigen Finanzierung der Einheit auch eine soziale Schieflage entstanden, die nicht länger hingenommen werden kann.
Wir wollen die deutsche Einheit durch einen gerechten Lastenausgleich auf eine tragfähige finanzielle Grundlage stellen: Durch eine gezielte Senkung der Lohn- und Einkommensteuer werden wir die Steuerbelastung kleiner und mittlerer Einkommen wieder auf ein erträgliches Maß zurückführen. Dabei werden wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Steuerfreistellung des Existenzminimums verwirklichen. Um die in den letzten Jahren entstandene Gerechtigkeitslücke abzubauen, sollen die finanziell besonders Leistungsfähigen einen angemessenen Beitrag für die deutsche Einheit leisten:
Der am 1. Januar 1995 in Kraft tretende Solidaritätszuschlag der Bundesregierung von 7,5%, der auch die kleinen und mittleren Einkommen belastet, ist Gift für Konjunktur und Arbeitsmarkt. Der Solidaritätszuschlag muß so schnell wie möglich abgeschafft und durch eine sozial gerechte Ergänzungsabgabe ersetzt werden. Ziel unserer Ergänzungsabgabe ist es, rund 80% aller Steuerpflichtigen vom Solidaritätszuschlag der Bundesregierung völlig freizustellen (Ergänzungsabgabe bei Bruttojahreseinkommen von über 120.000 DM für Verheiratete bzw. 60.000 DM für Ledige: 10% der Steuerschuld). Das ist nicht nur gerechter, sondern auch wirtschaftspolitisch vernünftig. Diese Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen stärkt die Binnen-konjunktur.
Unabhängig von dem noch ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Einheitswerten, bei dem es insbesondere um eine gerechtere Besteuerung der Vermögen geht, ist für uns klar, daß das Wohnen in selbstgenutztem Wohneigentum oder zur Miete steuerlich nicht höher belastet werden darf. Das wäre auch mit unserem Ziel, einen gerechten Lastenausgleich herzustellen, nicht zu vereinbaren. Klar ist auch, daß das Betriebsvermögen der Unternehmen nicht stärker belastet werden darf, wenn mehr Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.
Arbeitsplätze und Investitionen haben Vorrang. Durch gezielte Steuererleichterungen für Zukunftsinvestitionen, Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten und gezielte Hilfen für den Mittelstand wollen wir die Investitionskraft, Produktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken.
Der dramatische Anstieg der Staatsverschuldung muß gebremst werden. Deshalb werden wir die Neuverschuldung mit einem mittelfristig angelegten und konjunkturgerechten Konsolidierungs- und Wachstumskonzept zurückführen:
Um die öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung zu bringen, muß vor allem für Wachstum und Beschäftigung gesorgt werden. Nur wenn durch eine Stärkung der Wachstumskräfte die Steuereinnahmen verbessert und die Kosten der Arbeitslosigkeit verringert werden, kann eine durchgreifende Konsolidierung der Staatsfinanzen gelingen.
In Abhängigkeit von der konjunkturellen Lage werden wir den Ausgabenanstieg auf eine Zuwachsrate begrenzen, die spürbar unter dem Zuwachs des nominalen Bruttosozialprodukts liegt. Überflüssige Steuersubventionen werden wir abbauen. Dazu gehört z.B. das Schließen von Steuerschlupflöchern bei den Bilanzierungsvorschriften, die bessere Erfassung von Spekulationsgewinnen, der Verzicht auf eine generelle Anrechnung ausländischer Steuern und die damit verbundenen Mißbrauchsmöglichkeiten, die Einschränkung der Steuerermäßigung für außerordentliche Einkünfte und die bessere steuerliche Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
Falls neue Subventionen volkswirtschaftlich unvermeidlich sein sollten, werden wir sie abnehmend und zeitlich befristet ausgestalten.
Wir werden konsequente Sparmaßnahmen durchführen, z.B. durch Abbau bürokratischer Verkrustungen, durch Einsparungen bei den Personalausgaben, durch Privatisierung der Aufgaben, die noch vom Staat erfüllt werden, aber von Privaten besser wahrgenommen werden können, und durch Begrenzung der Verteidigungsausgaben.
Wirtschaftskriminalität und Korruption, Subventionsbetrug und systematische Steuerhinterziehung, die in den letzten Jahren verstärkt eingerissen sind, werden wir bekämpfen. Gegen illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und den Mißbrauch sozialer Leistungen werden wir entschieden vorgehen. Damit wollen wir auch für Recht und Ordnung sorgen.
Auch durch Zinssenkungen, für die unser stabilitätsorientiertes Konsolidierungs- und Wachstumskonzept die Voraussetzungen schafft, sind zusätzliche Einsparungen bei den Zinsausgaben des Bundes zu erreichen.
Mit diesen Maßnahmen ist unser Regierungsprogramm solide finanziert. Der größte Teil unseres Regierungsprogramms besteht in finanzpolitischer Hinsicht aus aufkommensneutralen Reformen und Umschichtungen. Wir machen keine unfinanzierbaren Wahlversprechen. Da erst der von uns vorgesehene Kassensturz die volle Wahrheit über die Lage der Staatsfinanzen offenbaren wird, stellen wir alle Maßnahmen des Regierungsprogramms unter einen strikten Finanzierungsvorbehalt: Solide Finanzen sind die Grundlage für die Überwindung der Vertrauenskrise und für den Abbau der Massenarbeitslosigkeit.
Wenn bei besonders schweren Straftaten alle anderen Methoden versagen, müssen die Strafverfolgungsbehörden das Recht haben, Mikrophone in Wohnräumen anzubringen und Gespräche aufzuzeichnen - als letztes Mittel, die Haupttäterinnen und Haupttäter im Einzelfall dingfest zu machen. Eine Überwachung in einem so sensiblen Bereich ist an sehr strenge rechtstaatliche Voraussetzungen zu binden. Das Recht jedes einzelnen auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum steht für uns an erster Stelle.
Bessere Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden über die offenen Grenzen hinweg, Abkommen mit unseren Nachbarn im Osten, schneller Aufbau von Europol - dafür treten wir ein. Die in der täglichen Arbeit gut funktionierende Zusammenarbeit der Polizeibehörden einiger neuer Bundesländer über die Ostgrenzen hinweg kann zum Modell für andere werden.
Unser Rechtsstaat ist ein hohes Gut. Allerdings beklagen sich viele Bürgerinnen und Bürger zu recht über langwierige und komplizierte Verfahren, die die notwendige effiziente Rechtsprechung und Streitschlichtung behindern. Im Strafprozeß kommt hinzu, daß zügige Verfahren eher von Verbrechen abschrecken dürften als höhere Strafen. Wir wollen deshalb die rechtsstaatlichen Verfahren beschleunigen und insbesondere überflüssige Verzögerungen und Schwächen in Arbeitsweise und Organisation beseitigen.
In den neuen Ländern muß die Funktionsfähigkeit der neu aufgebauten Justizbehörden garantiert werden. Den Zugang zum Recht und die Möglichkeiten zur Streitschlichtung werden wir insbesondere durch Modernisierung der gesetzlichen Grundlagen und der Arbeitsweise der Justiz sowie durch Veränderung der Juristenausbildung verbessern. Richterinnen und Richter müssen in der Ausbildung soziale Kompetenz erwerben.
Wir werden die Strafrahmen wieder der Rechtsgüterordnung unseres Grundgesetzes anpassen und die Sanktionen erweitern. Die Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit oder Fahrverbote bei Verkehrsdelikten bewirken oft mehr, als Geldstrafen oder kurze Freiheitsstrafen dies vermögen. Im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs müssen die besonderen Interessen der Opfer stärker berücksichtigt werden.
Wir werben dafür, die Folgen der Verbrechen für die Opfer in den Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung über Kriminalität und Verbrechen zu rücken und die Tätigkeit von Opferberatungsstellen flächendeckend auszubreiten sowie die Hilfe für die Opfer zu verbessern. Polizei und Strafverfahren sollen Lage, Probleme und Hilfsbedürftigkeit der Verbrechensopfer besonders berücksichtigen; die Wiedergutmachung von Schäden soll bei Strafen und im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs im Vordergrund stehen.
Wir sind nicht bereit, dies einfach hinzunehmen, und setzen uns für eine neue Politik gegen Drogen ein.
Wir werben für ein Leben ohne Sucht; wir wollen die Hilfe für Drogenkranke zur Überwindung ihrer Abhängigkeit verbessern und gehe n mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen Drogenhändler und -händlerinnen und organisierte Kriminelle vor.
Suchtkranke müssen besser betreut werden. Im Rahmen dieser Programme müssen streng kontrolliert auch Ersatzstoffe oder andere Hilfen abgegeben werden können.
Durch den Übergang vom Legalitäts- zum Opportunitätsprinzip bei der Verfolgung des Besitzes kleinerer Mengen von Drogen zum Eigenverbrauch können Polizei und Strafverfolgung gezielter als bisher gegen wirkliche Dealer und organisierte Kriminelle vorgehen..
Wir unterstützen die Bildung kriminal-präventiver Arbeitskreise in den Gemeinden. Sie können Ursachen von Kriminalität vor Ort erkennen und geeignete Wege zur Verhütung erarbeiten und durchsetzen.
Wir unterstützen Maßnahmen zur technischen Sicherung von Besitz und Eigentum und fordern Versicherungen auf, sie bei der Prämiengestaltung zu honorieren.
Gewaltdelikte werden immer häufiger mit Schußwaffen begangen. Schußwaffen sind in unserer Gesellschaft grundsätzlich nur der Polizei vorbehalten. Ausnahmeregelungen über Erlaubnisse zum Erwerb und Führen von Waffen müssen klar geregelt und wegen der offenen Grenzen international abgestimmt sein.
Hier sind nicht allein Gesetzgeber, Polizei und Strafverfolgungsbehörden gefordert. Deren Eingreifen ist nötig: Insbesondere müssen neonazistische Verbände und Parteien verboten und die bestehenden Gesetze voll ausgeschöpft werden; wer Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet oder die Menschenwürde von Minderheiten mit Füßen tritt oder insbesondere den nationalsozialistischen Völkermord leugnet oder verharmlost, muß mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.
Die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Parolen und Vorurteilen, der Schutz von Minderheiten im täglichen Leben allerdings kann nur erfolgreich sein, wenn Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage und Engagement dies zu ihrer eigenen Sache machen. Dazu rufen wir auf.
Weil die Lebensweise in den Industrieländern die Überlebenschancen der Menschheit entscheidend bestimmt, wollen wir im eigenen Land mit der Politik für eine dauerhaft- umweltgerechte Entwicklung beginnen und unseren Lebens- und Wirtschaftsstil ändern. Die Beschlüsse der UNCED-Konferenz in Rio haben den richtigen Weg vorgezeichnet. Wir setzen uns dafür ein, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Nationale Entwicklungspolitik muß sich einfügen in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union. Nur bei abgestimmten entwicklungspolitischen Zielsetzungen haben wir eine Chance, die notwendige Umsteuerung auf umwelt- und entwicklungspolitische Lebens- und Wirtschaftsstile zu erreichen.
Wir wollen einen größeren Schritt vorankommen im Kampf gegen Armut, Umweltzerstörung und Bevölkerungswachstum. Dies erfordert, daß wir Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe begreifen, daraus müssen auf nationaler und internationaler Ebene Konsequenzen gezogen werden.
Es geht nicht um Entwicklungshilfe, sondern um Entwicklungszusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Dabei muß das eigenständige Recht der Frau auf gleichberechtigte Teilhabe unter Berücksichtigung ihrer eigenständigen Entwicklungswege umgesetzt werden. Frauenhandel, Kinderhandel und Sextourismus muß sowohl in den Herkunfts- als auch in den Zielländern der Boden entzogen werden.
Wir setzen uns für faire Handelsbeziehungen ein, die auch den Gütern der Entwicklungsländer Marktchancen eröffnen. Der Protektionismus der westlichen Industrieländer muß abgebaut werden. Die internationalen Institutionen müssen sich stärker am Ziel einer dauerhaft tragfähigen Entwicklung orientieren. Dazu gehört die Abhaltung einer internationalen Schuldenkonferenz.
Wir wollen mit der Europäischen Union ein außenwirtschaftspolitisches Konzept entwickeln, das auf ein offenes Welthandelssystem zielt. Die Umwelt- und Sozialstandards müssen bei der Umsetzung des GATT-Vertrages berücksichtigt und in einer nächsten Runde in das GATT aufgenommen werden, ohne daß dadurch neue Handelsschranken errichtet werden. Wir unterstützen die europäische Förderung regionaler Marktzusammenschlüsse, sofern sie auf die Bildung und nicht auf die Abschottung von Märkten gerichtet sind.
Wir beachten die wachsende Bedeutung des asiatisch-pazifischen Raums für unsere Wirtschaftsentwicklung. Wir unterstützen die Anstrengungen der deutschen Exportwirtschaft, ihre Handelsorientierung auf Asien und auf andere neue Märkte zu verstärken.
Wir werden insbesondere die Schwellenländer in ihren Bemühungen unterstützen, berufliche Bildungssysteme für breite Bevölkerungsschichten aufzubauen, in dem wir Kooperationsbeziehungen zu diesen Ländern auf dem Gebiete der beruflichen Bildung vertiefen.
Im Mittelpunkt der transatlantischen Beziehungen wird zunehmend weniger die Sicherheitspolitik, sondern vielmehr die Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und den europäischen Partnern stehen. Wir wollen die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Partnerschaft mit den USA auf den Standard bringen, den die strategische und sicherheitspolitische Partnerschaft heute hat. Wir treten deshalb dafür ein, daß die Europäische Union mit den USA und Kanada in Ergänzung des Washingtoner Vertrages eine Atlantik-Charta über Wirtschaft, Handel, Umwelt, Berufsbildung und Kultur vereinbart, in der die Ziele und Instrumente gemeinsamen Handelns in den vertraglich vorgesehenen Politikfeldern verbindlich festgelegt werden.
Wir befürworten den Beitritt der EFTA-Staaten. Wir wollen den Ost- und Mitteleuropäern durch eine gesamteuropäische Zusammenarbeit eine europäische Perspektive bieten.
Wir wollen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Das heißt für uns: den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit in Europa aufzunehmen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas durch eine technologische und ökologische Modernisierung der Wirtschaft zu sichern; Verwirklichung der Umwelt-Union und der Sozial-Union, endlich müssen europäische Betriebsräte arbeiten können; Gleichstellung von Frau und Mann; Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und rechtsextremistischen Gewalttaten und eine gemeinsame Politik zur Steuerung der Zuwanderung.
Aufgaben, die am besten von Mitgliedstaaten, von Regionen und Gemeinden gelöst werden können, sollen in deren eigener Verantwortung bleiben. Europäische Überbürokratisierung und überflüssige Zentralisierung lehnen wir ab. Die europäische Integration darf nicht zu einer Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung und des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland führen.
Wir werden verhindern, daß die Währungsunion die Deutsche Mark schwächt. Eine Aufweichung der im Vertrag von Maastricht festgelegten Bedingungen für eine stabile gemeinsame Währung wird es mit uns nicht geben.
Wir wollen ein Europa, in dem die Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen beteiligt sind; sie sollen die Vorteile europäischer Zusammenarbeit spüren. Die Menschen in Europa müssen zueinander kommen - eine besondere Aufgabe für die Regionen. Bei der für 1996 vorgesehenen Reform der Europäischen Union werden wir uns für weitere Vertiefungs- und Demokratisierungsschritte engagieren. Durch eine institutionelle Reform muß die Handlungsfähigkeit auch nach dem Beitritt weiterer Staaten sichergestellt sein. Die Kontroll- und Mitentscheidungsrechte des Europaparlamentes müssen ausgebaut werden. Das Europäische Parlament muß auch ein Initiativrecht erhalten.
Wir setzen uns für eine starke handlungsfähige Europäische Union ein, weil es in der Politik der europäischen Einigung kein Zurück geben darf. Die Europäische Union ist die beste Garantie dafür, daß es in Europa keinen Rückfall in nationale Überheblichkeit geben wird. Wir wollen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union verwirklichen, in deren Beratungen auch ost- und mittelosteuropäische Staaten einbezogen werden können.
Dringend erforderlich ist eine abgestimmte europäische und atlantische Ostpolitik als eine "Partnerschaft für Entwicklung". Die ehemals kommunistischen Staaten in Mittelost- und Südosteuropa brauchen die europäische Perspektive. Sie kann durchaus unterschiedliche Formen der Integration und Kooperation umfassen. Wichtig ist: Das gemeinsame Angebot des Westens zur Kooperation darf sich nicht allein auf Bündnis- und Sicherheitspolitik beschränken; es muß andere, vor allem ökonomische, ökologische und soziale Politikbereiche ebenso einbeziehen wie Fragen der demokratisch-institutionellen Neuordnung.
Bis zur vollen Wirksamkeit eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems auf der Basis der KSZE nimmt die NATO in einem Prozeß des Überganges eine wichtige stabilisierende sicherheitspolitische Rolle wahr. Eine SPD-geführte Bundesregierung wird sich für weitere drastische Abrüstung und eine wirklich defensive Strategie und Streitkräftestruktur der NATO einsetzen. Um unserem Ziel eines europäischen Raums kollektiver Sicherheit näher zu kommen, streben wir eine Verflechtung der bestehenden europäischen Sicherheitssysteme und -organisationen (NATO, NATO-Kooperationsrat, WEU und KSZE) an. Die im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" angebotene enge Zusammenarbeit hält den Weg zu einer neuen gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur offen. Die KSZE muß institutionell gestrafft und gestärkt, in ihren Rechtsgrundlagen erweitert und finanziell so ausgestattet werden, daß sie ihre Aufgabe als Regionalorganisation nach Kapitel Vlll der UN-Charta, insbesondere bei der Abrüstung, Wahrung des Friedens und der Menschen- und Minderheitenrechte, besser als bisher wahrnehmen kann.
Nach dem Beispiel der KSZE sollte auch im Mittelmeerraum eine Zone der Kooperation entstehen. Der eingeleitete Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern, den wir nach Kräften und im Bewußtsein unserer besonderen Verpflichtung gegenüber Israel unterstützen, könnte einer solchen Entwicklung den Weg bahnen. Den Beziehungen Europas zu den Ländern der islamischen Welt werden wir besondere Aufmerksamkeit widmen. Das Entstehen neuer Konfliktlinien im Mittelmeerraum muß verhindert werden.
Die Bundeswehr dient der Landesverteidigung. Sie nimmt ihre Aufgaben in der NATO als dem gemeinsamen Bündnis zur Verteidigung wahr. Dabei soll es bleiben. Darüber hinaus soll die Bundeswehr die UN unterstützen, damit diese ihre Aufgaben in friedenserhaltenden und humanitären Maßnahmen durchführen kann. Dafür werden wir die verläßlichen Rechtsgrundlagen schaffen. Wir wollen eine verläßliche Bundeswehrplanung auf der Basis von 300.000 Mann Friedensstärke einschließlich der UN-Bereitschaftskräfte. An der allgemeinen Wehrpflicht halten wir fest. Die SPD steht dafür ein, daß die Bundeswehr nicht zu einer frei verfügbaren Interventionsarmee wird und es keine Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen, z.B. nach dem Muster des Golf-Krieges, gibt, unabhängig davon, ob solche Kriege unter dem Dach der UN, der NATO oder der WEU stattfinden.
Wir wollen Programme zur Konversion der Rüstungsindustrie und der Standorte fördern und setzen uns für restriktive europäische Rüstungsexportkontrollen ein. Wir lehnen eine Aufweichung der geltenden deutschen Regelungen für Rüstungsexporte ab. Die Strafen bei Übertretung von Rüstungsexportverboten müssen drastisch verschärft, die Erlöse hieraus restlos eingezogen werden. Wir werden Rüstungsexporte auf die Mitgliedsstaaten der NATO und der EU beschränken.
Sozialdemokratische Außen- und Sicherheitspolitik steht in der Kontinuität deutscher Bündnis- und Entspannungspolitik. Sie ist berechenbar und verläßlich.