hide random home http://www.spd.de/politikfelder/hintergr/sciento.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

Scientology


Zur Unvereinbarkeit der SPD-Mitgliedschaft mit der Zugehörigkeit zu "Scientology Deutschland" hat der SPD- Parteivorstand am 22. Mai 1995 den folgenden Beschluß gefaßt, der vom SPD-Parteirat am 23. Mai 1995 zustimmend zur Kenntnis genommen wurde:

  1. Die SPD stellt fest, daß Scientology Deutschland und ihre Unter- und Tarnorganisationen
    • die Bezeichnung "Kirche" mißbrauchen, um öffentliches Vertrauen, ungerechtfertigte Vergünstigungen und Vorteile, sowie größere Handlungsmöglichkeiten zu erreichen und zu behalten,
    • Scientology-Organisationen als Wirtschaftsunternehmen nicht nur in der Bundesrepublik, sondern weltweit wirtschaftliche und politische Ziele verfolgen, die auf immer größere Bedenken stoßen.
    • ihren Mitgliedern, ehemaligen Mitgliedern, sowie Kritikern mit Methoden gegenübertreten, die Druck, Psychoterror, Verleumdung und Verfolgung, teilweise sogar mit geheimdienstlichen Mitteln einschließen,
    • ihre wahren Ziele und Methoden in der Öffentlichkeit bewußt verschleiern und
    • sich in aufwendigen internationalen Kampagnen als verfolgte religiöse Minderheit darstellen, gegen die in der Bundesrepublik Deutschland "neonazistische Regierungsattacken" geführt würden.
  2. Die SPD fordert die Verantwortlichen in Bund und Ländern auf, durch abgestimmte Maßnahmen dafür zu sorgen, daß
    • Scientology durch den Mißbrauch der Bezeichnung "Kirche" die Öffentlichkeit nicht länger täuschen und sich nicht länger auf Religionsfreiheit berufen kann;
    • die wirtschaftlichen und politischen Ziele von Scientology, ihre weltweit angehäuften Vermögenswerte offengelegt werden und dabei mitzuwirken, daß gesetzeswidrige und kriminelle Machenschaften dieser Organisation national und international strafrechtlich verfolgt werden können;
    • die ungerechtfertigten Vergünstigungen und sonstigen Vorteile für Scientology und ihre Tarn- und Unterorganisationen zurückgenommen werden;
    • die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik durch intensive Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über die wirtschaftlichen und politischen Ziele, die angehäuften Vermögenswerte und die damit verbundene ökonomische Macht, die irreführenden Methoden der Mitgliederwerbung und die üblen Methoden gegenüber ehemaligen Mitgliedern, Kritikern und Gegnern, sowie über die Verleumdungskampagnen gegen die Bundesrepublik im Ausland informiert und damit vor einer Unterstützung gewarnt wird.
  3. Die SPD stellt fest, daß die Mitgliedschaft in der SPD mit der Zugehörigkeit zu Scientology, einer ihrer nationalen oder internationalen Tarn- oder Unterorganisationen, sowie mit dem Bekenntnis zur Technologie und den Lehren von L. Ron Hubbrad unvereinbar ist.

Begründung:

  1. In den vergangenen Jahren haben Klagen und Beanstandungen in Verbindung mit Tätigkeit, Geschäftsgebaren und Verhaltensweisen der Scientology- Kirche Deutschland e. V. oder ihren Tarn- und Unterorgansationen, die als Scientology-Vereine oder - Firmen in unterschiedlichen Organisationsformen in Deutschland operieren, ständig zugenommen:
    • Ehemalige Mitglieder und deren Verwandte berichten von üblen Werbe- und auf Gewinnerzielung ausgerichtete Geschäftsmethoden, über Psychoterror, Druck und Verfolgung, die Freiheit und Würde mit Füßen treten;
    • Kritiker und Skeptiker beklagen sich zunehmend über üble Verleumdungskampagnen; in Publikationen und Reden von Vertretern dieses "internationalen Multis" werden die Grundwerte der Demokratie abgelehnt und der Bundesregierung und Behörden in Deutschland in empörender Weise "neonazistische Regierungsattacken" gegen Scientology und ihre Mitglieder unterstellt;
    • vor internationalen Gremien und in ganzseitigen Anzeigen in überregionalen US-Zeitungen wie der New York Times oder der Washington Post versuchte Scientology zuletzt Anfang 1995 sogar, Scientology als eine in Deutschland verfolgte religiöse Minderheit darzustellen und sie in subtiler Weise mit den Opfern fremdenfeindlicher Gewalttaten auf eine Stufe zu stellen.
  2. In den letzten Jahren haben zahlreiche parlamentarische Initiativen in Bund und Ländern immer wieder darauf hingewiesen, daß es längst nicht mehr ausreicht, die Bekämpfung von Scientology und die Aufklärung über die Methoden dieser Organisation sog. Sektenbeauftragten von Kirchen zu überlassen. In verschiedenen Ländern sind mittlerweile wirksame Schritte eingeleitet worden, um gegen die üblen Methoden von Scientology vorzugehen bzw. vor ihnen zu warnen.

    Im Bereich des Bundes jedoch ist die erst 1994 beim Bundesverwaltungsamt eingerichtete "Informationsstelle `sog. Jugendsekten und Psychogruppen`" aufgrund ihrer Anbindung an das Bundesministerium für Senioren, Frauen und Jugend, ihrer unzureichenden personellen Ausstattung und ihrer unzureichenden politischen Befugnisse bis heute nicht in der Lage, den notwendigen Anforderungen nachzukommen. Sie muß aufgestockt, mit Kompetenzen versehen und an das Bundesinnenministerium angebunden werden.

    Am 6.5.94 hat die Konferenz der Innenminister in Bund und Ländern - IMK - durch Beschluß festgestellt, "Die Scientology-Organisation stellt sich gegenwärtig den für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zuständigen Behörden der inneren Verwaltung als eine Organisation dar, die unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft Elemente der Wirtschaftskriminalität und des Psychoterrors gegenüber ihren Mitgliedern mit wirtschaftlichen Betätigungen und sektiererischen Einschlägen vereint. Der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten scheint im Bereich der Wirtschafts- kriminalität zu liegen. Deshalb sollten staatliche Abwehrmaßnahmen zunächst in diesem Bereich fortgesetzt werden".

    Durch Umlaufbeschluß der Regierungschefs der Länder vom 7.12.94 wurde die IMK u.a. gebeten, die Beteiligung der Verfassungsschutzbehörden am Erfahrungs- und Informationsaustausch über die Scientology-Organisation zu gewährleisten und ggf. auszubauen sowie die Bundesregierung ersucht, das Thema Scientology auch im europäischen Rahmen aufzugreifen.

  3. Die Lehren des Scientology-Gründers, des US- Amerikaners L. Ron Hubbard, die in totalitärer Weise als verbindlich vorgeschrieben werden, enthalten an zahlreichen Stellen die klare Verneinung tragender Grundsätze unserer Verfassungsordnung, wie z. B. der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit, des Demokratieprinzips, des Rechts- und Sozialstaatsprinzips.

    Das Endziel von Scientology ist die Errichtung eines weltweiten Herrschafts-systems nach scientologischen Grundsätzen ("Clear planet") und damit die Abschaffung unserer demokratischen Grund- und Werteordnung (Hubbard: "Regierungen sind nur ein reaktives Gebilde, mit dem wir eine Zeitlang leben müssen.") Bei einer durch das Kurssystem angestrebten völligen Verinnerlichung der Ideologie "("Technology") von Hubbard sorgen Anhänger der Organisation in ihrem jeweiligen Arbeits- und Lebensbereich mit allen Mitteln dafür, daß die scientologische Expansion voranschreitet. Der Leitsatz von Hubbard "keep Scientology working" ist immer präsent und handlungsbestimmend.

    Schon 1986 hat die Staatsanwaltschaft München in der Einstellungsverfügung zu einem von Scientology gegen Kritiker angestrengten Ermittlungsverfahren festgestellt, "daß es sich bei dem System Scientology, das über die Scientologen, denen absolute Freiheit versprochen wird, absolute Kontrolle ausübt, um eine Ideologie mit ausgeprägten totalitären Grundprinzipien handelt. Aufgrund der Beweismittel besteht weiterhin der Verdacht, daß Ziel der Organisation die wirtschaftliche Ausbeutung hörig gewordener Kunden ist, die selbst wieder zur Kundengewinnung und Kundenausbeutung eingesetzt werden". Ideen, Ziele und Praxis der Scientology-Organisation seien nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes vereinbar.

    Darauf hat sich auch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg im letzten Sommer wieder bezogen.

    Am 16. Februar 1995 hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 6.7.1993 bestätigt und damit erneut klargestellt, daß Scientology-Vereine, im konkreten Fall handelte es sich um die sog. "Scientology-Kirche Hamburg e.V.",eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, wenn sie Bücher, Broschüren und verschiedene andere, als "Devotionalien" bezeichnete Gegenstände und Artikel verkaufen oder vertreiben oder Kurse und Seminare veranstalten. Damit ist klargestellt, daß auch Scientology seine Geschäfte als Gewerbe anmelden muß und dafür steuerpflichtig ist.

    Zuletzt hat vor wenigen Tagen, am 22.3.1995, das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß Scientology nicht als Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist, sondern als Wirtschaftsunternehmen, das als Gewerbetreibender auch die gesetzlich geregelten Arbeitgeberpflichten einzuhalten hat. Die Behauptung von Scientology, Religionsgemeinschaft zu sein, sei Vorwand, da weder die scientologische Lehre noch das Geschäftsgebaren von Scientology dieser Behauptung entspreche.



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