Freimut Duve (SPD):
Dann müßte er genau so stehenbleiben, unberührt von Bauhandwerkern, unberührt von Architektenplänen. Das wäre dann das Symbol der Wunden unserer Geschichte. Das sanfte Signal, das von der Verhüllung ausgehen kann und das jeder verschieden interpretiert - Peter Conradi hat das gesagt - , ist sicher auch eine Antwort auf die Wunden unserer Geschichte, Herr Kollege Schäuble.
Ich denke, man darf es nicht so überhöhen, wie Herr Schäuble das hier gemacht hat.
Wir gehen in einen Neubau des Reichstags. Wir haben einen höchst interessanten Vorschlag. Für mich als Politiker gibt es ein Grundelement dieses interessanten Vorschlags. Ich habe alle Projekte von Christo überprüft. Überall gab es eine leidenschaftliche Gegnerschaft. Häufig war diese leidenschaftliche Gegnerschaft, etwa in der Stadt Paris, genauso überhöht wie die Leidenschaft von Herrn Schäuble heute morgen. Hinterher gab es leidenschaftliche, aber entspannte, heitere, liebenswürdige Zustimmung von allen, auch von den Kritikern.
Uns Deutschen tut dieser Moment - es geht ja nur um einen kurzen Moment in unserer Geschichte -
der Entspanntheit, der Moment des heiteren Umgangs mit etwas sehr gut. Der Welt wird es auch guttun, ein solches Signal von uns zu bekommen,
daß wir mit so etwas entspannt umgehen können. Das sind andere Bilder in den Fernseharchiven als über Rostock und Mölln, die jetzt immer wieder herausgeholt werden, wenn über Deutschland berichtet wird. Das ist ein anderes Bild, ein gutes Bild. Herr Schäuble, bei Politikern ist es häufig umgekehrt. Wir mobilisieren die Leute für unsere Visionen und Ideen - Herr Kohl kann ein Lied davon singen -, und wenn wir die Ideen realisieren, sind die Leute enttäuscht. Bei Christo waren die Leute noch nie enttäuscht. Sie waren immer begeistert.
Genau das werden wir erreichen. Ich bitte darum diejenigen, die jetzt gesagt haben, der Schäuble hat mich so bei meiner demokratie-patriotischen Saite gepackt: Überlegen Sie noch ein bißchen. Lassen Sie es uns gelassen angehen.
Lassen Sie uns diese neue deutsche, demokratische Gelassenheit
durch ein großes Symbol für 14 Tage leisten. Dann gehen wir mit großem Vergnügen und mit großem Ernst in den umgebauten Reichstag - wenn wir die Regierung stellen, Herr Bundeskanzler.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Johannes Gerster, Heribert Scharrenbroich, Peter Kittelmann und weiterer Abgeordneter mit dem Titel "Verhüllter Reichstag - Projekt für Berlin", Drucksache 12/6767.
Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung.
- Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall.
- Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.