hide random home http://www.hamburg.pop.de:800/bda/nat/cz/archiv/215.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

Rechtsunsicherheit bremst elektronische Dokumente noch

Rechtsunsicherheit bremst elektronische Dokumente noch DACHZEILEEine digitale Archivierung amortisiert sich schnell In einem Workshop in Berlin hat Optimal Systems Interessenten aus unterschiedlichen Branchen über verschiedene Aspekte digitaler Archivierung informiert.

Dabei ging es sowohl um die Möglichkeiten der Zeit- und Kostenersparnis als auch um die gegenwärtige juristische Situation, die in Deutschland bisher weder gesetzlich geregelt noch durch Rechtsprechung auf irgendeine Art festgelegt ist.

Der Hamburger Rechtsanwalt Ivo Geis vertrat als Gastreferent die Auffassung, daß eine gesetzliche Regelung des Beweiswertes elektronischer Dokumente sowohl erforderlich als auch möglich sei. Eine entsprechende Integration in den vorhandenen Urkundenbegriff sei in anderen Ländern bereits verwirklicht.

Situation ist unbefriedigend "Wie nach einem Naturgesetz" stünden Recht und Technik in einem Spannungsverhältnis, legte Ivo Geis dar. "Recht ist seiner Natur nach konservativ, Technik ist innovativ. Hierdurch entsteht eine rechtlich-technologische Lücke." Das gelte auch für die Technologie des elektronischen Dokumentenmanagements. Dabei könne die beweisrechtliche Qualität des elektronischen Dokuments zu einem Kriterium der Investitionsentscheidung werden, wenn diese Dokumente "potentiellen Prozeßstoff" enthielten, wie zum Beispiel die Vorgänge der Einkaufs- und Verkaufsabteilungen von Unternehmen. In Form der elektronischen Speicherung sei das Dokument "noch nicht einmal Objekt des Augenscheins, da es nicht in Augenschein genommen werden kann". Es habe damit "keinerlei beweisrechtliche Qualität".

Aus dieser zivilprozeßrechtlichen Analyse folgt laut Geis ein Prozeßrisiko, wenn Dokumente elektronisch gespeichert werden. Zwar könne man das Risiko einerseits dadurch reduzieren, daß man sich an die Grundsätze ordnungsgemäßen Dokumentenmanagementes halte und andererseits entsprechende vertragliche Regelungen treffe. Trotz aller Bemühungen bleibe jedoch eine unbefriedigende Situation bestehen: "Das elektronische Dokument hat nach der geltenden Zivilprozeßordnung nicht dieselbe beweisrechtliche Qualität wie das Papierdokument. Dies wirkt umso grotesker, als das elektronische Dokument zum Beispiel durch die digitale Signatur in einem höheren Maße fälschungssicher sein kann als das Papierdokument." Der Kern des juristischen Konflikts zwischen dem Gesetzesrecht und der Technologie des elektronischen Dokumentenmanagements sei der Urkundenbegriff. Er sei funktionsfähig für die Papiertechnologie, nicht aber für die Technologie des elektronischen Dokuments. Die Konsequenz sei, daß das elektronische Dokument nicht Urkunde sei, sondern lediglich Objekt des Augenscheins. Dabei haben zum Beispiel die USA als wichtigster Handelspartner Deutschlands das elektronische Dokument als Urkunde ins Beweisrecht integriert, so daß die augenblickliche Situation für Deutschland ein "rechtliches Handikap" darstelle. "Ein exportorientiertes Land wie Deutschland kann sich dies kaum leisten", äußerte Geis.

Archivsysteme sind komplex Auch technisch, so betonten andere Referenten, sei ein Archivsystem weitaus komplizierter in Betrieb zu nehmen als normale Standardsoftware: "Ein Archivsystem kann man nicht einführen wie eine Textverarbeitung: Rechner hinstellen, Software installieren, Anwender in den Funktionen des Programms schulen und fertig. Hier handelt es sich um kein übliches Anwenderprogramm, sondern um ein System, das weit in die Ablauforganisation des Betriebes eingreift. Anfangs nicht beachtete Parameter können bei der späteren Anwendung negative Folgen für die Funktionalität haben." Der Veranstalter ist selbst Anbieter eines Systems, das sich nach seinen Angaben "bei entsprechenden Vorüberlegungen in allen Unternehmen, Institutionen und Verbänden für Kosten-, Zeit- und Materialeinsparung" einsetzen läßt. Als Beispiel genannt wurden Anwendungen in Architekturbüros, Arztpraxen, Behörden, Designstudios, Gerichten, Handelsunternehmen, Hausverwaltungen, Hotelverwaltungen, Krankenhäusern, Krankenkassen, Rechtsanwaltskanzleien, bei Reiseveranstaltern, Steuerberatern, im Versandhandel, bei Versicherungen, wissenschaftlichen Instituten und Verlagen.

Digitale Archivierung biete als Vorteile Kostenreduzierung, Verbesserung der Ablauforganisation, der Qualität und der Sicherheit. Als Medium empfiehlt das Unternehmen WORM-Platten mit 1,4 Gigabyte Speicherkapazität, auf denen der Beispielrechnung nach ein Inhalt von mindestens 30 000 DIN-A4-Seiten (60 Aktenordner) Platz finde. Die Einsparung der Materialkosten finde im wesentlichen durch den Wegfall von Mehrfachkopien statt. Es seien keine Ablagen nach unterschiedlichen Kriterien zu führen, da die Recherche nach dem digitalen Archivobjekt über alle Suchkriterien durchgeführt werden könne. Ziehe man zum Vergleich für die Kosten eines digitalen Archivsystems die Aufwendungen für erforderliche Erweiterungsbauten heran, um die anfallenden Daten archivieren zu können, dann seien die Kosten in einem digitalen Archiv erheblich niedriger.

Die reine Bearbeitungszeit eines Geschäftsvorganges beträgt bei einem digitalen Archiv gegenüber einem konventionellen Archiv laut Frauenhofer Institut nur zehn Prozent. Einige Beispielrechnungen zu den eingesparten Personalkosten für die Ablage und für die Recherche ergeben laut Optimal Systems, daß sich die Einführungskosten schon nach ein bis zwei Jahren und bei relativ kleinem Dokumentenumsatz allein durch die Verringerung der Personalkosten amortisieren.

Die Arbeitszeit verringere sich bei der Archivierung durch den Einsatz optischer Speichermedien auf 20 Prozent. Für die Recherche reduziere sich der Zeitaufwand sogar von drei Minuten auf nur zehn Sekunden.

Elke Zobel