hide random home http://www.bayern.de/Politik/Regierungserklaerungen/1994-12-08/kap4.html (Einblicke ins Internet, 10/1995)

4. Mut zu mehr Solidarität

Werte und Maßstäbe der Gesellschaft

Mehr noch als Produktion und Konsum bestimmen Lebensgefühle und Ideen unseren Weg. Als Sozialwesen ist der Mensch eingebunden in Werte und Maßstäbe einer Gesellschaft. Prof. Dr. Hans Küng diagnostizierte die Entwicklung der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft mit den Begriffen von der Arbeitsgesellschaft - sprich: Wirtschaftswunder - über die Selbstverwirklichungsgesellschaft der 68er zur Erlebnis- und Uuml;berflußgesellschaft der 90er Jahre. Dieser Überfluß führt nach Auffassung von Küng zu Langeweile, Angst und Leere statt Lebenssinn und Lebensfreude.

Der Zeit-Herausgeber Theo Sommer (DIE ZEIT Nr. 21 v. 21.5.1993) bekannte:
"Ganz gewiß müssen auch die Intellektuellen des Landes in sich gehen. Viele von ihnen haben die Selbstverwirklichung bis zum Exzess gepredigt; haben Tugend, Anstand, Stil verlacht; haben die postmoderne Beliebigkeit eine Zeitlang so weit getrieben, daß nach der Devise - alles geht - nichts mehr verpönt war. So wurde die Gemeinschaft auf dem Altar der Gesellschaft geopfert. Die Maßstäbe lösten sich im ätzenden Säurebad der Kritik auf."

Mehr Mut zu Solidarität

Bei soviel später Selbsterkenntnis reibt man sich verwundert die Augen. Es waren doch jene linksintellektuellen Zauberlehrlinge, die diese Geister riefen, die wir heute nicht mehr loswerden.

In solch einem geistigen Vakuum der Gesellschaft Orientierung zu geben, ist für die Politik ebenso notwendig wie schwierig. Angesichts der zunehmenden Vereinzelung und des wachsenden Wertepluralismus müssen wir alles daransetzen, die Konsensfindung in unserer Gesellschaft zu fördern. Wir brauchen weniger Nebeneinander - mehr Miteinander. Deswegen brauchen wir mehr denn je Werte und Gemeinsinn.

Die Politik der Staatsregierung wird fördern, was in unserer Gesellschaft nicht spaltet, sondern zusammenführt. Wir fordern: Mehr Mut zu Solidarität. Wir brauchen ein größeres Verständnis der Generationen untereinander, das heißt künftig auch mehr Rücksicht auf junge Familien und Senioren. Ihre Lebenserfahrung wird gebraucht.

Die Gesellschaft lebt auch vom Engagement jedes einzelnen. Die Staatsregierung unterstützt deshalb die ehrenamtliche Tätigkeit auf vielen Feldern.

Hilfe für die Jugend verbessern

Wir wollen unserer Jugend mehr Hilfe zur Orientierung anbieten. Die Stellung der Familie ist in vielen Fällen schwächer geworden. Leider verstehen manche Väter und Mütter das Erziehungsrecht nicht mehr als Erziehungspflicht.

Was Ehe und Familie leisten müssen, kann nicht die Gesellschaft ersetzen. Schule, außerschulische Erziehungseinrichtungen und Jugendhilfe versuchen, fehlende elterliche Erziehung auszugleichen.

Wir wollen deshalb ein ausreichendes Infrastrukturangebot von Einrichtungen der Jugendarbeit.

Wir werden dazu die Jugendarbeit der Verbände stärken und auf ein noch breiteres Spektrum der Jugendarbeit in den Kommunen hinwirken.

Dazu wird das Jugendprogramm fortgeschrieben.

Chancengleichheit für Frauen durchsetzen

Mut zu mehr Solidarität heißt auch mehr Einsatz für die Chancengleichheit von Frauen. Hier haben wir in der Gesellschaft noch einen weiten Weg vor uns.

Nicht Vorgabe einer festen Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau, sondern Wahlfreiheit ist unser Ziel. Bayern will im öffentlichen Dienst modellhaft Arbeitsbedingungen anbieten, die es Männern wie Frauen mehr erlauben, partnerschaftlich ihre Aufgaben in Familie und Beruf zu teilen. Wir wollen die Gleichstellung von Mann und Frau im nächsten Jahrzehnt im öffentlichen Dienst in Bayern erreicht haben.

Dazu werden wir ein Bayerisches Gleichstellungsgesetz vorlegen. Unser Ziel ist vor allem, den Anteil der Frauen, auch in gehobenen Positionen, im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Ich erwarte von diesem Gesetz auch Signalwirkung für die Frauenförderung in der privaten Wirtschaft.

Familien stärken

In der Familie erlebt der Mensch Gemeinschaft und erfährt Solidarität. In den Familien vollzieht sich der Brückenschlag der Generationen. Dennoch werden Familien mit Kindern in unserer Gesellschaft vielfach benachteiligt. Sie wurden und werden auch von linken Ideologen subtil gesellschaftlich diskreditiert. Mit dem unsäglichen Wort von der "Erziehungsagentur" des Staates hat die SPD die Familie im Kern in Frage gestellt. findet in den Medien alle nur möglichen und auch unmöglichen Leitbilder, doch kaum die funktionierende Familie. Die ideologische Abwertung endete mit einer bewußten Austrocknung des Familienlastenausgleichs durch die sozialliberalen Koalitionen.

Trotzdem ist die Familie die Lebensform der überwältigenden Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Wir haben in der Verfassungskommission alle Versuche, den Schutz der Familie im Grundgesetz zu relativieren, abgewehrt. Die Familie hat Zukunft!

Die CSU hat die Familien nicht nur gegen ideologische Anfeindungen und öffentliche Zerrbilder verteidigt, sondern seit 1982 die Familienförderung systematisch verbessert. Die Einführung von Bundes- und Landeserziehungsgeld war ein Meilenstein unserer Familienpolitik. Wir werden auch jetzt im Bund die Kinderfreibeträge weiter erhöhen, das Kindergeld verbessern und auf einkommensschwächere und kinderreiche Familien konzentrieren. Entlastungen brauchen die Familien vorrangig, wenn sie Kinder erziehen.

Die Staatsregierung nimmt trotz des Sparkurses die Familienpolitik von allen Einsparungen aus.

An den Familien wird in Bayern nicht gespart. Im Gegenteil:

Die Staatsregierung will die Förderung junger Familien in Bayern weiter ausbauen. Wir werden das Bayerische Landeserziehungsgeld um weitere sechs Monate verlängern und mehr Familien fördern. Das ist nicht Zukunftsmusik! Das gilt für Kinder, die ab heute geboren werden. Dafür werden wir zusätzlich jährlich 260 Mio. DM aufwenden. Familien in Bayern können dann zusammen mit dem Bundeserziehungsgeld drei Jahre Erziehungsgeld beziehen.

Kinderbetreuung ausbauen

Wir wollen, daß die Kommunen die Kinderbetreuung in Bayern weiter ausbauen. Wer das mit fiskalischen Argumenten kritisiert, hat von den Problemen junger Familien nicht die geringste Ahnung. Wir stellen zusätzlich 75 Millionen DM bereit, damit bereits 1996 unser Ausbauziel von 349 000 Kindergartenplätzen und damit die Bedarfsdeckung erreicht werden kann. Darüber hinaus werden wir auf flexiblere Öffnungszeiten in Kindergärten hinwirken.

Die Staatsregierung setzt sich für eine zügige Ausdehnung der bereits an 270 Grund- und Hauptschulen eingerichteten Mittagsbetreuung ein.

Wohnungsbau zielgerecht fördern

Wir werden den familiengerechten und kinderfreundlichen Wohnungsbau- und Siedlungsbau fördern. Für die Modellsiedlungen im Rahmen der "Offensive Zukunft Bayern" stellen wir 200 Millionen DM bereit, dafür haben sich 100 Städte und Gemeinden mit insgesamt 109 Maßnahmen beworben. Der Ministerrat wird Anfang des nächsten Jahres die Entscheidung treffen, welche Kommunen in das Sonderprogramm aufgenommen werden.

Wir wollen die Treffsicherheit des wohnungspolitischen Instrumentariums erhöhen. Dazu werden wir die steuerliche Wohneigentumsförderung und die Bausparförderung für Familien mit Kindern verbessern.

Für das erfolgreiche Wohnungsbauprogramm "Junge und wachsende Familie" werden wir in den nächsten beiden Jahren wiederum jeweils 145 Mio. DM bereitstellen. <> Wir suchen nach Möglichkeiten, Wohnungsbau kostengünstiger zu machen. Mit dem Modellvorhaben "Mietwohnungen in Holzsystembauweise" bauen wir nicht nur rund 900 Wohnungen, wir erhalten auch neue Anstöße zur Reduzierung von Bauzeit und Baukosten um 28%.

Dazu trägt auch das Modellprojekt "Kostengünstiger Wohnungsbau" bei. Es ist uns im Sozialen Wohnungsbau gelungen, die Preisspirale umzudrehen, erstmals ist Bauen billiger geworden.

Behinderte integrieren

Mut zu mehr Solidarität bedeutet auch: Staat und Gesellschaft müssen offener mit Behinderten umgehen.

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